Grenchen
Wie eine Lotterie während der Uhrenkrise Linderung bringen sollte

Am Donnerstagabend beginnt im Kultur-Historischen Museum eine Ausstellung zum Thema Krisen in der Uhrenindustrie. Eine lokale Lotterie sollte einst Linderung in der Not bringen.

Rainer W. Walter
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Los Nummer 212 358 der «Genossenschaft für Arbeitsbeschaffung zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise GEFA Grenchen».

Los Nummer 212 358 der «Genossenschaft für Arbeitsbeschaffung zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise GEFA Grenchen».

Sammlung Kultur- Historisches Museum

Wenn alte Parteimitglieder am Schluss einer Parteiversammlung der Sozialdemokraten oft warnten und an die Wirtschaftskrise erinnerten, dann dachten sie an jene der Dreissigerjahre. Die Wirtschaftswelt erlitt in der Zeit vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ihre wohl grösste Krise. Betroffen war auch die Industrie in unserer Region. Ältere Leute erinnerten sich noch zu gut an die Tage der Arbeitslosigkeit, der Not überall und schliesslich der hilflosen Angst.

«Im Dezember 1929 nahm die Krise ihren Anfang» schreibt Werner Strub im «Heimatbuch Grenchen». Er unterstreicht seine Aussage damit, dass er erwähnt, in Grenchen habe man am 30. Dezember 1929 bereits 103 Ganzarbeitslose und 238 Teilarbeitslose gezählt. Ein Jahr später waren es bereits 289 Ganzarbeitslose und 1518 teilweise Arbeitslose. Die Krise dauerte auch in den folgenden Jahren an. In dieser Zeit organisierte die Gemeinde vor allem für jüngere Arbeitslose verschiedene Umschulungs- und Weiterbildungskurse.

GEFA – Ein Zeitzeuge tritt auf den Plan

In der Zeit der Weltwirtschaftskrise der Dreissigerjahre unternahmen auch Gewerbebetriebe in Grenchen alles Denkbare, um ihre Betriebe über Wasser halten zu können. So lesen wir etwa in der Geschichte der traditionsreichen Grenchner Maler-Firma Hetzel Folgendes: «Sich über Wasser halten», das war die allgemeine Losung. Auch für Rudolf Hetzel. Mit Klein- und Kleinstaufträgen (Anfertigen einer Weinkarte für Fritz Roth, Wirt, Fr. 12.–; Auffrischen von zwei Grabkreuzen zu Fr. 5.– das Stück; Auffrischen eines beschädigten Brückenwagens inkl. schwarz Lackieren der Eisenteile zu Fr. 95.–) und anderen Malerarbeiten brachte er sich über die Runden.

Einen anderen Weg ging die «Genossenschaft für Arbeitsbeschaffung zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise GEFA – Grenchen». Sie organisierte eine grosse Lotterie, die vom Regierungsrat des Kantons Solothurn bewilligt wurde. Ausgegeben wurden nicht weniger als 150'000 Lose zu 10 Franken. Die GEFA rechnete also damit, dass 1,5 Millionen Franken zusammenkommen würden. Die Hälfte des eingenommenen Geldes, nämlich 750'000 Franken, gingen als Gewinn an die Teilnehmenden. Der höchste Gewinn betrug 150 000 Franken. Auch der zweite Preis liess sich mit 100'000 Franken sehen. Auf diese Art ging die Preisliste weiter und endete schliesslich bei den 13'335 Nummern, die ihren Besitzern je 20 Franken einbrachten.

Auf der Rückseite unseres Loses Nummer 212'358 (Bild) sind die Bestimmungen notiert. Die GEFA Grenchen erstattet gemäss Art. 4 des Lotteriereglementes der Gemeindebehörde und gleichzeitig auch dem kantonalen Polizeidepartement monatlich schriftlich Bericht über den Verlauf der Lotterie. Nach Art. 8 findet die Auslosung erst nach Verkauf sämtlicher Lose statt. Und schliesslich hält Art. 11 fest, dass die Auslosung öffentlich stattfinden würde und von einem Notar überwacht werde. Die GEFA Grenchen veröffentlicht die wichtigen Artikel des Reglements sowohl in deutscher als auch in bester französischer Sprache.

150'000 Lose verkaufen, das war in dieser Krisenzeit keine Kleinigkeit. Leider ist in diesem Auszug aus dem Reglement kein Hinweis darüber vorhanden, was die Genossenschaft für Arbeitsbeschaffung zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise mit dem erwarteten Reingewinn von 750'000 Franken unternehmen wollte.

Die Ausstellung im Kultur-Historischen Museum Grenchen mit dem Titel «Unruhige Zeiten – die Krisen in der Uhrenindustrie der Region Grenchen im 20. Jahrhundert» wird heute Abend um 19 Uhr mit einer Vernissage eröffnet und dauert bis zum 13. Mai 2018. Im Rahmen der Ausstellung finden zahlreiche Veranstaltungen statt.