Grenchenberg
Wie ein Reissverschluss, der sich langsam öffnet

Bei aller Schönheit, die er zu bieten hat, birgt der Grenchenberg als Ausflugsort auch Probleme.

Christoph Neuenschwander
Drucken
Bei schönem Wetter oben und Nebel unten wird es verkehrstechnisch eng auf den Bergen. bel Bei schönem Wetter oben und Nebel unten wird es verkehrstechnisch eng auf den Bergen. bel

Bei schönem Wetter oben und Nebel unten wird es verkehrstechnisch eng auf den Bergen. bel Bei schönem Wetter oben und Nebel unten wird es verkehrstechnisch eng auf den Bergen. bel

Solothurner Zeitung

Die Schneemänner und Iglus sind gebaut, die Rösti verspeist und der letzte Kaffee getrunken. Es ist Nachmittag. Müde vom Wandern, Schlitteln oder Snowboarden, warten zahlreiche Ausflügler auf dem Parkplatz am Untergrenchenberg darauf, dass die drei Busse, die da rumstehen, ihre Türen öffnen. Es ist Zeit, sich vom Berg zu verabschieden und nach Hause zu gehen.

Der vorderste Bus zischt, die Tür geht auf, etwa die Hälfte der Menschenmenge strömt hinein. Die andere Hälfte wartet vor dem zweiten Fahrzeug, denn das erste ist im Handumdrehen voll. «Tut mir leid, es fährt nur einer nach unten», ruft ihnen der Chauffeur des bereits beladenen Busses zu.

Die Menge knurrt und rückt enger zusammen. Passagier um Passagier betritt das Gefährt und versucht, irgendwie reinzupassen, bis schliesslich alle drin sind. Es ist wie «Tetris»: Platz hätte es noch genügend, wenn alle viereckig wären und sich Kante an Kante schieben lassen würden. Aber viele haben halt noch einen Rucksack, einen Schlitten, einen Hund dabei.

Und überall sind Autos

Im Schneckentempo geht es schliesslich abwärts, denn der Parkplatz ist so voll wie der Bus. Etliche Autos haben in zweiter Reihe parkiert – und das noch nicht einmal ordentlich, sondern kreuz und quer. Der Fahrer leistet Millimeterarbeit. Ähnlich sieht es entlang der Strasse aus: Mal steht links, mal rechts einer. Plötzlich knallt es; der Bus hat einem parkenden Wagen den Seitenspiegel abgerissen. Der Chauffeur hält an, hinterlässt eine Visitenkarte und bringt seine Fahrgäste schliesslich heil zum Bahnhof, wo der Zug bereits abgefahren ist.

Dann, ganz unerwartet, fängt jemand an zu applaudieren und alle stimmen mit ein. Sauer auf den Chauffeur ist hier keiner; «Der hat das gut gemacht», wird gejubelt. Zu denken – über die Verkehrssituation auf dem Grenchenberg – gibt das Erlebnis indes schon.

Parkplatzproblem wird bleiben

Zugegeben, Ausnahmezustände wie am Neujahrstag, an dem sich die Geschichte ereignet hat, herrschen freilich eher selten auf dem Grenchenberg. «Drei- bis viermal pro Wintersaison, vielleicht», schätzt Hugo Kohler, Abteilungsleiter Sicherheit der Stadtpolizei Grenchen. «Wenn alle freihaben, unten Nebel liegt und oben die Sonne scheint.»

Im Sommer verteilen sich die Autos besser; dann ist nämlich die Strasse zum Oberberg nicht wegen der Skipiste gesperrt und der Parkplatz dort kann genutzt werden. Das Anliegen, das Alfred Schmidig, Wirt des Restaurants Obergrenchenberg, äussert, scheint daher verständlich: «Die Stadt sollte die unteren Parkplätze vergrössern. Es können gar nicht alle Leute rauf, die gerne möchten.»

Ob es möglich ist, den Parkplatz auszubauen, wird derzeit abgeklärt. «Als Besitzerin der drei Berghöfe versucht die Bürgergemeinde natürlich, für die Interessen ihrer Pächter einzustehen», versichert der Verwalter, Renato Müller. «Aber wir müssen die Auflagen der Juraschutzzone einhalten. Schliesslich muss man auch bedenken, dass ein Grossteil des Grenchner Grundwassers aus dem Berg kommt, also darf man diesen nicht zu stark belasten.»

Polizei hat andere Aufgaben

Es bedarf also einer alternativen Lösung. «Am besten wäre es, wenn die Polizei wieder jemanden vor Ort hätte, wie früher», empfiehlt Peter Kuhn vom Stierenberg. «Jemand, der auf den Parkplätzen beim Untergrenchenberg und bei uns die Leute einweist und im Tal die Strasse sperrt, wenn alles voll ist.»

Doch das hält Kohler für unverhältnismässig: «Wir können nicht jedes Wochenende Einsatzkräfte entbehren, die hier nach dem Rechten schauen. Das liegt auch nicht im Interesse der Bevölkerung. Die Polizei ist primär für das Stadtgebiet zuständig. Deshalb sind wir darauf angewiesen, dass uns der Busbetrieb informiert, wenn es chaotisch wird. Dann gehen wir und sperren ab.»

Beim Busbetrieb Grenchen und Umgebung (BGU) ist man derweil verärgert, weil die Polizei zu langsam reagiere, wenn man sie anfordert. «Wir sind aber bemüht, die Zusammenarbeit zu verbessern», so Geschäftsleiter Hans-Rudolf Zumstein. Und was das Gedrücke im Bus anbelangt, so sei ein richtig voller Bus finanziell und ökologisch vernünftiger, als zwei ziemlich volle.

Weissenstein hat grossen Einfluss

Prekär ist die Verkehrssituation vor allem seit der Schliessung des Sessellifts auf den Weissenstein. «Wir haben mehr auswärtige Gäste», weiss Kuhn. Schliesslich hat sich «Grenchen Tourismus» auch ins Zeug gelegt und an der vergangenen Herbstmesse in Solothurn erstmals mit einem Stand für den Grenchenberg geworben (wir berichteten).

Vreni Schneider vom Restaurant Untergrenchenberg beurteilt die Situation jedoch etwas kritischer. Der Bergtourismus laufe nicht besser, der Andrang sei einfach ungleichmässiger verteilt. «Wir haben zwar mehr Wochenendtouristen als vorher», sagt sie, «aber dafür ist während der Woche weniger los. Vor allem die Bergwanderer bleiben aus, die früher mit dem Sessellift auf den Weissenstein gefahren und zu uns rüber gewandert sind.»

So gefährde der Weissenstein momentan die Attraktivität des gesamten Jurasüdfusses. «Die Leute suchen sich andere Ausflugsziele, etwa im Oberland», befürchtet die Wirtin. «Das ist wie ein Reissverschluss, der sich langsam öffnet und den man nur schwer wieder schliessen kann.»