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Er kämpft gegen Neophyten und Unkraut: Tobias Würsch, Leiter der Stadtgärtner von Grenchen. Die Arbeitsbelastung nimmt zu und die Anstrengungen der Gärtner reichen nicht aus. Jetzt will der Chef neue Strategien aufziehen.
Mit einem Bauminventar, pflegeleichtem Trockenrasen und digitalen Schnitt- und Pflanzplänen will Tobias Würsch neue Akzente setzen. Dem Chef von Stadtgrün Grenchen (ehemals Stadtgärtnerei) liegt die Flora der Stadt am Herzen. Deshalb will er auch die Zusammenarbeit mit Partnern, von der Stadtplanung über lokale Gartenbauer bis zu den SBB, vertiefen. Diese Strategie soll helfen, die beschränkten Kräfte gezielter einzusetzen.
Tobias Würsch leitet seit einem Jahr das 16-köpfige Team von Stadtgrün Grenchen, wie die Stadtgärtnerei neu heisst. Drei der Gärtner kümmern sich um den Friedhof und wechseln sich bei den Abdankungen ab. Die übrigen 13 Mitarbeitenden pflegen die Sportanlagen, die Bäume entlang der Strassen (rund 4000), die Grünbereiche der Schulen und Kindergärten den Stadtpark sowie unzählige Rabatten, um nur einige Beispiele zu nennen.
Tobias Würsch ist diplomierter Landschaftsarchitekt. Der gebürtige Grenchner hat seine Laufbahn als Landschaftsgärtner begonnen und sich zum Gartenbautechniker weitergebildet. Nach einigen Jahren Berufspraxis absolvierte er das Studium an der Fachhochschule in Rapperswil SG. Die Motivation, Chef von Stadtgrün Grenchen zu werden, erklärt der 28-Jährige mit der Verbundenheit zur Uhrenstadt und dem grossen Potenzial, das die Aufgabe bietet. (dd)
In der Zusammenstellung zuhanden des Gemeinderates weist Tobias Würsch darauf hin, dass die betreute Fläche seit 1980 um mehr als die Hälfte (57 Prozent) zugenommen hat – bei gleichbleibendem Stellenetat.
Kein Wunder, haben die Stadtgärtner seit Jahren das Gefühl durch Feuerwehrübungen absorbiert zu sein: Sie dämmen an allen Ecken und Enden der Stadt Schäden in Form von Unkraut, Neophyten (fremde Pflanzen), Ungezieferbefall und Verkehrsrisiken ein. Dass seit Jahresbeginn eine Stelle aufgrund gesundheitlicher Probleme vakant ist (der betreffende Mitarbeiter arbeite nun im Werkhof), verschärft die Arbeitsüberlastung, die das Team moniert. «Für die Mitarbeiter ist die Situation frustrierend. Sie chrampfen den ganzen Tag und sehen, dass die Anstrengung dennoch nicht reicht», redet Tobias Würsch Klartext.
In zweiter Lesung hat der Gemeinderat im Juni die Reorganisation und Namensänderung der Stadtgärtnerei gutgeheissen. Personell bedeutet das, dass erstmals seit der Pensionierung von Max Mehr wieder Lehrlinge in der zweijährigen Attestlehre ausgebildet werden sollen. Ein erster Lehrling fängt diese Woche an, ein zweiter folgt im Sommer 2016. Der krankheitsbedingt ausgefallene Hilfsgärtner soll durch einen voll qualifizierten Gärtner ersetzt werden. Die Neuorganisation zieht keine Mehrkosten beim Personal nach sich. Das ist einerseits einer Pensenreduktion um 20 Prozent von Tobias Würschs Stellvertreter zu verdanken. Andererseits ist letzte Woche der Chef der Friedhofgärtnerei pensioniert worden. Sein Nachfolger soll von der Leitungsfunktion her weniger hoch eingestuft werden. (dd)
«Die Disteln auf dem Stadtgebiet haben zugenommen und nächstes Jahr werden es noch mehr sein, weil wir es nicht geschafft haben, sie vor dem Absamen auszureissen. Anderes war dringender.» Hier ist zum Beispiel das tägliche Wässern der Sportplätze zu erwähnen, das seit fünf Wochen einen Mitarbeiter bindet, während vier Angestellte sich um das Überleben der Pflanzen überall in der Stadt kümmern müssen. «Würden wir die Infrastruktur sich selbst überlassen, gäbe das Schäden mit happigen Kostenfolgen.» Im Frühling hätten die Gärtner einen heftigen Buchsbaumzünsler-Befall bekämpft, der ungeplante Rodungen und Neupflanzungen von Wildhecken nach sich zog.
Eine Reorganisation soll dem «Stadtgrün» helfen, seine Kräfte besser zu bündeln. Ausserdem hat der Chef sich zum Ziel gesetzt, das gesammelte Wissen im Computer zu erfassen. Auf den ersten Blick sieht das nicht so dringend aus, doch Tobias Würsch hat gewichtige Argumente dafür: «Max Mehr hat der grünen Seite von Grenchen in 30-jähriger Arbeit den Vorzeigecharakter gegeben, den sie heute hat. Er hatte als Chef alles im Kopf, jeden Baum, jede Rabatte. Seine Pensionierung vor vier Jahren war eine deutliche Warnung an das Team, dass Wissen und Erfahrung schnell verloren gehen können. Jetzt ist der grösste Teil dieses Wissens bei den langjährigen Mitarbeitern noch da.» Tobias Würsch ist überzeugt: «Der anfängliche Aufwand der Digitalisierung lohnt sich.»
Die Bestandesaufnahme in einer speziell dafür entwickelten Software umfasst ein Bauminventar sowie Listen für den Pflegebedarf aller 127 betreuten Objekte. «Damit wird es in Zukunft möglich, nach dem Aufwand unterschiedliche Klassen festzulegen und basierend darauf Pflegelisten zuhanden der Mitarbeitenden zusammenzustellen.» Künftig solle es nicht mehr vorkommen, dass eine Ecke vergessen geht.
Zur Entlastung der Mitarbeitenden sollen besonders arbeitsintensive Objekte, wie etwa Kiesflächen durch ökologisch wertvollen Trockenrasen ersetzt werden. Auch über den auffälligen und bei der Bevölkerung sehr geschätzten Wechselflor (etwa beim Hôtel de Ville) und die Ruderalflächen, welche international Bekanntheit erlangt haben, denkt Tobias Würsch nach: «Wir möchten beides erhalten, doch garantieren kann ich das nicht. Der Aufwand dafür ist gross und wird besonders bei den Ruderalflächen oft unterschätzt.»