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Am 23. Oktober sind Wahlen. Beste Gelegenheit einen Blick ins Wahlcouvert und auf die vielen Prospekte zu riskieren. Wie gut werben die Parteien und Kandidaten für sich? Die az hat bei Experten nachgefragt.
Dicke Wahlcouverts sind in den letzten Wochen in die Briefkästen der Solothurner Stimmberechtigten geflattert. Nebst den Unterlagen zur Wahl kommen dem Wähler auch zahlreiche Broschüren unter die Nase. 18 um genau zu sein. Hier preisen sich die Parteien an, versuchen sich und ihre Botschaft dem Wähler zu verkaufen.
Ein Blick auf die Prospekte zeigt jedoch: Mit Einfallsreichtum wird nicht gerade gepunktet. Die Grünen kommen im altbekannten Partei-grün daher, die SVP Kanton Solothurn will die Wähler mit dem Spruch «Schweizer wählen SVP» auf ihre Seite ziehen, und die CVP zeigt auf der Vorderseite des Prospekts eine Margeriten-Wiese. «Es gibt keinen einzigen Prospekt oder Flyer im Wahlcouvert, der durch Originalität und Andersartigkeit heraussticht», meint etwa Andreas Stettler von der gleichnamigen Werbeagentur in Olten. «Alle gleichen sich.»
Austauschbare Bilder und Botschaften
Diesen Eindruck teilt auch David Oreiro: «Die Kandidaten geben sich zwar alle sehr innovativ in ihren Themen», sagt der Creative Director der Solothurner Werbeagentur Sichtfeld.
Oreiro hat unter den Prospekten kaum ein Foto gesehen, das «wirklich dynamisch» ist, oder sich zumindest von der Masse deutlich unterscheidet. Mit so ähnlichen Fotos sei es schwierig, sich nur über die Qualität der Bilder zu differenzieren.
Klare Favoriten und Verlierer wollen die Werber nicht nennen. Dennoch gibt es Tendenzen. Gut kommen bei Stettler die Prospekte der CVP, FDP, Grünliberale und der Grünen weg. «Hier erkenne ich echt professionelle Gestaltung». Die BDP würde jedoch mit dem nur zweiseitigen A5-Blättchen praktisch untergehen. Es wirke sehr sparsam.
«SVP-Prospekt wirkt eher amateurhaft»
Diesen Eindruck teilen auch andere Experten: «Vom millionenschweren Wahlbudget der SVP ist wohl nicht viel in den Kanton Solothurn geflossen», vermutet Esther Luterbacher von ibl und partner. Und Oreiro fügt an: «Der SVP-Prospekt wirkt eher amateurhaft.» Besonders die Qualität der Fotos sei vergleichsweise schlecht.
CVP: Drei Listen mit demselben Frontbild irritieren
Als «freundlich und nett» bezeichnet Luterbacher die CVP-Broschüre. Ihre Corporate Identity - das einheitliche Handeln, Kommunizieren und visuelle Auftreten - habe die CVP wirklich konsequent umgesetzt.
Für die Gestaltung einer Wahlbroschüre sind laut Christoph Rölli drei Kriterien entscheidend: «Die Fotos müssen die Kandidierenden sympathisch abbilden, die Texte müssen kurz und verständlich die wichtigsten Informationen liefern und das Design muss die Wiedererkennbarkeit mit dem visuellen Auftritt der Partei gewährleisten», sagt der Inhaber der c&h konzepte werbeagentur ag.
Es gebe deshalb nicht «schöne» und «weniger schöne» Broschüren, sondern nur gute und weniger gute. Konkrete Prospekte will Rölli nicht beurteilen, da die Agentur für das Büchlein der FDP verantwortlich ist. (ldu)
Ein Lob gibt es für den Flyer des CVP-Ständeratskandidaten Pirmin Bischof: «Ein grosses Bild, und der direkte Blickkontakt zum Betrachter wirkt sympathisch», meint Oreiro. Auch der Kontrast mit dem weissen und blauen Hintergrund sei da. «Das nächste Mal vielleicht mit etwas weniger Make-up und Bildretusche», wünscht sich Luterbacher.
Kurze und relevante Informationen bei der FDP
Der Prospekt der FDP ist ihr im Haufen der Wahlflyer am ehesten ins Auge gesprungen. Die Partei verpacke ihre zwei Listen und auch Kurt Flury in ein kompaktes Büchlein, so das Mitglied der Geschäftsleitung von ibl und Partner. «Sie setzt die Kandidaten ohne viel Firlefanz, aber dafür professionell ins Bild. Das ist zwar nicht speziell kreativ aber durchaus zweckdienlich.»
Das Büchlein zeige Menschen und enthalte wirklich kurze, relevante Informationen, meint auch Oreiro. Leider seien diese etwas versteckt. «Der Aufbau ist sehr konsequent und einheitlich konzipiert. Der Innenteil ist übersichtlich und gut gestaltet.»
Ebenfalls positiv aufgefallen ist Oreiro der SP-Prospekt. «Er ist stark sachbezogen, sieht aber gut aus», lautet sein Urteil.
Die Jungen schneiden nicht schlecht ab
Als erwähnenswert beurteilt er auch den schwarz-weissen Druck der jungen Grünen. «Das Bild kommt authentisch und anders rüber.» Nur: wenn der beidseitige bedruckte Prospekt mit der Rückseite nach oben zu liegen komme, falle er kaum auf.
Dies könne auch dem Flyer der Jungfreisinnigen passieren, den Oreiro als «nicht schlecht» betitelt. Das Gruppenfoto der Kandidaten gehe weg vom typischen Portrait. Es bestehe aber auch hier die Chance, dass bei einer solchen Menge an Papier ein kleiner Prospekt nicht beachtet werde.
Vom Auftritt des politischen Nachwuchses ist Luterbacher allerdings etwas enttäuscht: «Sind die Jungen die neuen Konservativen?»
Egal ob grün, rot oder gelb: Welche Flyer die Wähler ansprechen ist subjektiv, und ob das im Couvert beigelegte Material einen Einfluss auf die Wahl hat, fraglich. Die Werber wünschen sich auf jeden Fall mehr Originalität, sympathisch abgebildete Kandidaten und gute, aber kurze Informationen. Nicht alle Parteien werden dem in den Augen der Experten gerecht.