Stadtbummel
Wen darf man ausladen?

Dagobert Cahannes
Dagobert Cahannes
Drucken
Wer darf noch eingeladen werden?

Wer darf noch eingeladen werden?

Flurina Dünki

Mein freitäglicher Stadtbummel hat ganz gut angefangen. Als Erstes habe ich meinen Lottoschein abgegeben und den Gewinn von 15.90 Franken sofort wieder investiert, denn gestern lagen ja nicht weniger als 217 Millionen Franken im Jackpot der Euromillions.

Beim morgendlichen Espresso im Restaurant wurde ich als Tischnachbar Zeuge einer Diskussion zweier Ehepaare, die sich intensiv über ihre «Gästeliste» während der Festtage austauschten. Was in all den Jahren wie in Stein gemeisselt war, gilt nicht mehr. Man wusste, wer an welchem Festtag bei wem zu Besuch war. Grund ist nachstehender Passus in einer kantonalen Verfügung. «Bei privaten Veranstaltungen, die in privaten Räumlichkeiten oder im Freien stattfinden, dürfen höchstens 10 Personen teilnehmen (Art. 6 Abs. 2 Covid-19-Verordnung besondere Lage).» Die beiden Ehepaare haben sich fast eine halbe Stunde lang intensiv ausgetauscht. Da beide Paare über eine grössere Verwandtschaft verfügen, war die Beschränkung auf 10 Personen der Grund für drohenden Familienstreit. Die eine «Familienrechnung» belief sich auf 13, die andere auf 12 Personen. Wen wollte man ausladen oder wer durfte auf keinen Fall ausgeladen werden. Der eine Herr wollte auf die Schwiegermutter verzichten, was ihm natürlich eine heftige Reaktion seiner Ehefrau eintrug. Seine Begründung war nicht überzeugend. Ihre jährliche Kritik an der Kochkunst ihrer Tochter – die jedes Jahr das gleiche Menu auftischt – fand keine «Gnade» und provozierte umgehend ein «Revanchefoul» seiner Ehefrau. Sie attestierte ihrem Schwiegervater etwas übermässigen Weinkonsum ...

Das zweite Ehepaar argumentierte dafür etwas fairer. Bei ihnen stellte sich die Frage, ob der Götti der Tochter eingeladen werden soll. Er fand letztendlich keine Gnade, weil die Tochter schon über 20 Jahre sei und er hin und wieder in letzter Minute seinen Besuch abgesagt habe. Ich gebe zu, dass ich, am Nebentisch sitzend, zwar die Zeitung vor mir auf dem Tisch liegen hatte, der «interessanten Gesprächsrunde» aber mindestens mit eineinhalb Ohren folgte. Als dann eine der Damen in Argumentationsstand geriet und mich um meine Meinung anfragte, war es Zeit für mich, meinen Espresso zu zahlen ...

Zum Lotto. Ich habe die 217 Millionen im Lotto nicht gewonnen. Wenn ich sie gewonnen hätte, würde ich – für einmal – schweigen. Man weiss ja nie, ob am Nebentisch einer mithört.