Er hat seine Stippvisite gemacht in der Stadt, der erste Schnee. Während Mitte Woche die Schneeflocken schon schmolzen, kaum berührten sie den Boden, blieb in der Nacht auf gestern doch einiges Weiss liegen. Grosse Teile des Mittellandes bekam gestern nicht nur verhältnismässig viel Wind und Regen ab, sondern auch Schnee bis in tiefe Lagen. Die Räumequipen hatten alle Hände voll zu tun und auf den Autobahnen gab es die ersten schneebedingten Staus.
Ob sich die weisse Pracht allerdings bis Weihnachten halten kann, ist mehr als fraglich: Schon für heute prognostizieren die Meteorologen Temperaturen deutlich über dem Gefrierpunkt, sogar im zweistelligen Bereich.
Grenchen hat ausserordentlich viel Schnee, wenn es denn mal bis ins Flachland schneit (und der Schnee auch liegen bleibt). Das liegt offenbar an seiner aussergewöhnlichen Jura-Südfuss-Lage, die die herangetriebenen Wolken dazu zwingt, ihre weisse Fracht hier abzuwerfen. Ich kann mich gut an meine Kinder- und Jugendzeit erinnern, als wir Kinder uns tierisch auf den ersten Schnee, die ersten Schneeballschlachten, Schneemänner und –frauen freuten. Schlitteln am nächsten Hoger, Skifahren im nahen Jura. Später dann die waghalsigen Sprünge mit den Schi über die selbergebaute Schanze – einmal schaffte ich sogar einen anderthalbfachen Salto vorwärts und hatte danach wochenlang Genickschmerzen.
Ganz besonders gross war die Vorfreude auf verschneite Weihnachtstage, das Aufwachen am Morgen, wenn Frau Holle die Landschaft mit einer Puderzuckerschicht überzogen hatte, die jegliches Geräusch schluckte. Ecken und Kanten wurden aufgelöst, alles war weiss und weich. Das gab der festlichen Zeit den richtigen Rahmen. Die Weihnachtsbeleuchtung leuchtet mit Schnee viel schöner als ohne. Umso grösser jeweils die Enttäuschung, blieb der Schnee an Weihnachten aus. Weihnachten ohne Schnee, das waren irgendwie gar keine Weihnachten.
Inzwischen weiss der Bummler, dass ganz viele Leute gar nicht unglücklich sind, wenn der Schnee da bleibt, wo er hingehört: in den Bergen. Nix früh aufstehen und Schnee schippen, Strassen salzen und räumen für städtische Angestellte, keine verstauchten oder gebrochenen Gliedmassen für Fussgänger, weil sie auf Trottoirs oder Treppen ausrutschen. Kein Auto ausgraben am Morgen und die Scheiben zuerst vom Schnee dann vom Eis befreien für Automobilisten. Keine von Salz zerfressenen oder vom Pflotsch durchnässten Schuhe für Pendler. Denn so endete ja die weisse Pracht von gestern morgen.
Keine Blechschäden auf der Strasse, weil gewisse Unverbesserliche immer noch mit Sommerreifen unterwegs sind oder glauben, ihr Auto mit 4X4, ABS und ANTI-Schlupf/Schleuder/Was-auch-immer bremse bei jedem Wetter und jedem Untergrund ultraschnell und käme subito zu stehen. Keine liegengebliebenen Busse auf irgendwelchen steilen Strassen, die die Ketten montieren müssen, um vorwärts zu kommen und so weiter. Im Grunde wäre alles ohne Schnee einfacher.
Aber Weihnachten ohne Schnee? Sogar in den Schaufenstern dekoriert man die Weihnachtsgeschichte mit (künstlichem Styropor-)Schnee. Auch wenn der Nahe Osten, wo sich die Geschichte abgespielt haben soll, nicht unbedingt dafür bekannt ist, oft verschneit zu sein. Gut, bis dahin dauert es ja noch ein paar Tage und vielleicht hat Frau Holle ja ein Einsehen, wenigstens für die zwei, drei freien Tage nach Heiligabend. Vielleicht liegen die Meteorologen falsch mit ihren Vorhersagen, die bis nach Neujahr keine Minustemperaturen mehr vorsehen.
Freuen wir uns erst einmal auf einen heissen Glühwein oder ein feines Raclette, ein Schüsselchen leckeren Risotto oder einen Becher Punsch beim Bummel über den Weihnachtsmarkt, der gestern Abend auf dem Marktplatz offiziell gestartet wurde. Auf gute Begegnungen mit netten Menschen, Freunden, Bekannten. Ohne Schnee.