Seit zwei Jahren läuft in Grenchen ein Pilotprojekt, Instrumentenflug auch ohne Luftverkehrskontrolle zu ermöglichen. Weil sich weniger als 1 Prozent der Piloten nicht an die Regeln gehalten haben, wird das Projekt nicht weitergeführt.
«Ab dem 29. März 2019 kann auf dem Flughafen Grenchen Instrumentenflug (IFR) täglich vorübergehend nur noch von 09.00 bis 17.00 Uhr durchgeführt werden. Ausserhalb dieser Zeit ist nur Sichtflug (VFR) möglich. Die bisherige Radio Mandatory Zone (RMZ) bleibt bestehen. Die baldige Rückkehr zum IFR während der ganzen Betriebszeit des Flughafens ist in Arbeit.»So die Einleitung einer Medienmitteilung mit Sprengpotenzial, die der Airport verschickte.
Sprengpotenzial deshalb, weil damit ein Pilotprojekt beerdigt wird, das seit zwei Jahren auf dem Flughafen Grenchen getestet wurde, nämlich die Möglichkeit, Instrumentenflüge, Starts und Landungen, auch in Zeiten durchzuführen, in denen der Tower nicht besetzt ist. Der Flughafen Grenchen hatte sich 2014 dafür zur Verfügung gestellt, der Pilot wurde zusammen mit anderen Akteuren der Avaitik vorbereitet. Er startete im März 2017 und war auf zwei Jahre befristet. Für diese Zeit erteilte das Bazl eine Ausnahmebewilligung.
Die Resultate des Pilots seien positiv, mit einer Ausnahme, schreiben die Verantwortlichen nun. Denn die Flugwege für Instrumentenflüge ab Grenchen kreuzen sich mit denjenigen ab Bern. «Dies erforderte, dass der in Grenchen abfliegende Pilot vor dem Start bei der Flugsicherung Bern eine Startfreigabe (Release) einholt, um nicht unangemeldet in den Kreuzungsbereich der Flugwege einzufliegen.» Bei 8 von 814 IFR Abflügen ohne ATC vergassen die Piloten allerdings, vor dem Start in Grenchen den Release in Bern einzuholen.
Konkret läuft das Verfahren folgendermassen ab: Der Pilot erstellt einen Flugplan und teilt der Luftverkehrskontrolle Bern telefonisch mit, was er zu tun gedenkt. Er erhält eine sogenannte Clearance - die Leute im Tower Bern wissen also schon, dass innerhalb nützlicher Frist jemand in ihren Luftraum einfliegen wird. Kurz vor dem Start, wenn das Flugzeug quasi schon auf die Piste rollt, maximal 3 Minuten vorher, ruft er nochmals an und erhält dann den «release», die Startfreigabe. Und das ging bei einem Prozent der 814 Instrumentenabflüge vergessen.
«Das Bazl stuft Start ohne Release als Risiko für die Flugsicherheit ein. Es lehnt
deshalb Pilotprojekt und Ausnahmebewilligung zu verlängern ab», heisst es im Schreiben. Damit sei Instrumentenflug vorerst nur noch mit Flugverkehrskontrolle, also besetztem Tower und in jenen Zeiten, in welchen diese zur Verfügung steht, möglich.
Ein deftiger Entscheid für den Flughafen Grenchen und dessen Geschäftsfliegerei. Denn die Business-Jets, die normalerweise vor 9 Uhr bereits Grenchen verlassen und erst nach 17 Uhr wieder zurückkommen, sind hauptsächlich betroffen. Der Tower ist nur von 9 Uhr bis 17 Uhr besetzt, ausserhalb dieser Zeit gilt weiterhin die Radio Mandatory Zone, innerhalb der Piloten per Funk ihre Absichten den anderen Luftverkehrsteilnehmern mitteilen. Ansonsten gilt das Regime für Sichtflug. Konkret: Business-Jets können nur noch bei schönem Wetter starten, wenn der Tower nicht besetzt ist. Sonst müssen sie mit dem Start warten.
Auch das Bazl verschickte eine entsprechende Mitteilung. Dort tönt es nicht ganz so dramatisch. Zwar werde das Pilotprojekt per Ende März abgeschlossen. Die Arbeiten für eine permanente Lösung für «IFR ohne ATC» in Grenchen und auf anderen Flughäfen laufen aber weiter.
Pikant: Diesen Bescheid erhielt der Flughafen schon im Dezember. Und Otto Normalverbraucher kommt unweigerlich zur Frage: Wenn es so gefährlich ist, warum kann das Pilotprojekt bis Ende März, also bis zum vorgesehenen Ende weitergeführt werden und wurde nicht schon im Dezember oder früher gestoppt?