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Ab Montag müssen sich drei Beschuldigte der Grenchner Schenkkreis-Morde vor dem Amtsgericht Solothurn-Lebern verantworten. Der Fall ist komplex, der Prozess dauert bis zu viereinhalb Tage.
Bei «Plan A» hätten die Dubeys vielleicht eine Chance gehabt, den Raubüberfall mit einem riesigen Schrecken überleben zu können. Doch am Abend des 5. Juni 2009 kam in Grenchen «Plan B» zum Zug - und damit war das Todesurteil für Mutter, Vater und Tochter faktisch gefällt.
Denn um bei den Dubeys Einlass zu erhalten, hatten sich die späteren Täter anmelden müssen, waren den Opfern also namentlich bekannt. Deshalb mussten die «lästigen Zeugen liquidiert» werden, gibt die Anklageschrift die vorangegangene Absprache der Täter wieder.
Aus der fetten Beute wurde nichts
Das Resultat, die «Grenchner Schenkkreismorde», sorgte landesweit für Aufsehen: Vater Pierre-André Dubey (damals 60-jährig) wurde vor den Augen seiner Tochter Dania (35) mit einem Kopfschuss getötet; die Tochter, wie zuvor schon ihre Mutter Margrit (55), mit über den Kopf gestülpten Plastiksäcken erstickt.
Doch statt der erhofften fetten Beute, bestehend aus Gewinnen aus illegalen Schenkkreisen (Text unten), fielen den Tätern gerade mal 5000 Franken, 600 Euro, vier Uhren und Modeschmuck in die Hände. Aufgrund des dilettantischen Vorgehens der Täter konnten diese bereits am 19. Juni 2009 in Untersuchungshaft gesetzt werden. Ab kommendem Montag findet nun vor Amtsgericht Solothurn-Lebern die mehrtägige Verhandlung gegen drei Beschuldigte statt.
Bluttat im zweiten Anlauf
Ein erster Raubüberfallversuch war am 14. Mai noch abgebrochen worden. Der zweite Anlauf, am Abend des 5. Juni, wurde dann durchgezogen: mit «aller Heimtücke, ausserordentlich kaltblütig und grausam, besonders skrupellos und aus verwerflichen Beweggründen», wie Staatsanwalt Jan Gutzwiller in der Anklageschrift ausführt. Er ist es, der vor dem Amtsgericht Solothurn-Lebern die Anklage gegen das Trio vertritt: Wegen mehrfachen Mordes, qualifizierten Raubes, strafbarer Vorbereitungshandlungen zu Raub und Mord sowie Verstössen gegen das Lotteriegesetz – um nur die zentralen Anklagepunkte zu nennen.
Angeklagt sind drei zuvor im Aargau wohnhafte Personen: Guido S., heute 27-jährig, er hatte sich seinen Lebensunterhalt als «Güggeli-Brater» verdient; Patric S., heute 35, er hatte eine kurze Karriere als Hammerwerfer hinter sich und war als Wachmann tätig, sowie schliesslich Ruth S., heute 51, von Beruf Bereiterin, Hundezüchterin und als Schenkkreis-Organisatorin tätig. Die zwei Männer sind laut Anklageschrift in den zentralen Anklagepunkten geständig, während die Frau – was die Tötungen betrifft – vehement eine Mitschuld bestreitet. Die beiden Männer sitzen im vorzeitigen Strafvollzug, die Frau befindet sich seit vergangenem Dezember wieder auf freiem Fuss.
An Brutalität kaum zu überbieten
Die Anklage lautet in wichtigen Punkten – insbesondere bezüglich des Straftatbestandes Mord – für alle drei Beschuldigten identisch: Sie hätten «in mittäterschaftlichem Zusammenwirken» gehandelt, hält Staatsanwalt Gutzwiller fest. Effektiv am Tatort waren aber nur Patric S. und Guido S. Und ihr Vorgehen hätte brutaler nicht sein können: Guido S. hat gemäss Klageschrift die zuvor gefesselte und geknebelte Tochter Dania mit über den Kopf gestülpten Plastiksäcken zuerst in Todesangst versetzt und dann auf grausamste Art erstickt. Sein Komplize Patric S. hatte das gleiche Prozedere zuvor bereits bei Mutter Margrit angewendet und auch Vater Pierre-André misshandelt und zuletzt mit einem Pistolenschuss in den Hinterkopf erschossen.
Die Anklage weist Ruth S. eine nicht minder zentrale Rolle zu: Sie soll die Idee sowohl für den gescheiterten als auch für den durchgeführten Raubüberfall entwickelt und ihre Komplizen als «im Hintergrund agierende Drahtzieherin und Organisatorin» kaltblütig und berechnend gesteuert haben. Guido S. und Patric S. sollen bei der Frau mit 20000 Franken in der Kreide gestanden haben. Der Raub sollte für das Trio wohl zum finanziellen Befreiungsschlag werden.
Mehrtägige Gerichtsverhandlung
Der Prozess vor dem Amtsgericht Solothurn-Lebern startet am Montag und dauert bis zu viereinhalb Tage. Aus dem Ermittlungsverfahren resultieren riesige Aktenberge, durch die sich das Gericht wird durchkämpfen müssen. Amtsgerichtsschreiber-Stellvertreter Matthias Steiner spricht von «äusserst aufwändigen organisatorischen Vorkehren» sowie umfassenden Sicherheitsmassnahmen. Diverse Beweisanträge – etwa bezüglich weiterer Zeugeneinvernahmen – seien von den Anwälten im Vorfeld gestellt und vom Gericht bereits abgelehnt worden. Anwesend sein wird auch der psychiatrische Experte, der die Angeklagten begutachtet hatte.
Wegen des erwarteten Medieninteresses findet der Prozess im Obergerichtssaal des Amthauses 1 statt. Die Urteilseröffnung soll am 11.Mai stattfinden. Eine Unsicherheit bleibt: Erscheint die derzeit auf freiem Fuss stehende Ruth S. nicht vor Gericht, muss der Prozess vertagt werden.