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Die Evaluation eines neuen Fahrzeugs für die Stadtpolizei Grenchen ist nicht ohne politische Klippen – und sie wirft Fragen auf.
Im von der Gemeindeversammlung verabschiedeten Budget 2020 findet man in der Investitionsrechnung unter Punkt 5060.XX den Betrag von 75'000 Franken für den Ersatz eines Einsatzfahrzeugs der Polizei Stadt Grenchen. Die Stadtpolizei verfügt aktuell über fünf Einsatzfahrzeuge:
Einen VW-Kastenwagen neueren Datums, einen BMW X3 mit rund 160'000 Kilometern Jahrgang 2013 und einen Skoda Scout 4x4 mit 140'000 Kilometern Jahrgang 2011 in Polizeiausstattung und Polizeifarbe sowie zwei zivile Skoda, wovon einer bis letztes Jahr für den Rettungsdienst im Einsatz war. Der BMW zeichnet sich durch mehr Platz aus. Unterhaltskosten im Jahr 2019: 2560 Franken. Für den Skoda wurden 2980 Franken aufgewendet, aber offenbar stehen Reparaturen in der Höhe von rund 7000 Franken an. Aus der Gemeinderatsvorlage geht hervor, dass Polizeikommandant Christian Ambühl schon im 2018 eines der beiden Fahrzeuge ersetzen wollte, was anlässlich der Gruppenberatung zunächst bewilligt, dann aber aus den geplanten Investitionen gestrichen wurde. Das zweite Fahrzeug hätte dann im nächsten Jahr ersetzt werden sollen.
In den Vorberatungen wurde die Polizei beauftragt zu evaluieren, welches Fahrzeug (Skoda oder BMW) jetzt ersetzt werden soll. Ein GRK-Mitglied hielt den BMW für kostenintensiver und riet dazu, dieses Fahrzeug zu ersetzen – ohne die konkreten Zahlen zu kennen? Offenbar soll sogar ziemlich Druck ausgeübt worden sein, dass man nicht den Skoda, sondern den BMW aus dem Verkehr nehme.
Der Gemeinderat beriet an seiner August-Sitzung über das Geschäft. Verschiedene Modelle sollten intensiv durch die Polizei getestet werden. In der Folge sollte der Kommandant der GRK das Ergebnis vorlegen. Der Gemeinderat bewilligte den Ersatz des Dienstfahrzeugs (BMW) der Stadt Grenchen durch ein adäquates Fahrzeug und der Betrag von 75'000 Franken werde in die Investitionsrechnung aufgenommen.
Die Ausgangslage ist klar: Es stehen 75'000 Franken für ein neues Fahrzeug zur Verfügung. Das ist nicht besonders viel, wenn man bedenkt, dass man zwar ein geeignetes Fahrzeug quasi «von der Stange» kaufen kann, dieses aber dann noch für die Eignung im Polizeieinsatz umbauen lassen muss. Eigentlich müsste die Stadtpolizei angesichts der Klimadebatte einen Tesla anschaffen, so wie das die Basler Kantonspolizei tat, die ihre Flotte mit gleich sieben der Elektrofahrzeuge ergänzt. Nur dürfte der Preis mit 140'000 Franken pro Fahrzeug wahrscheinlich für Grenchen zu hoch sein, Ausbau für die Polizei noch nicht einberechnet.
Im Laufe des Jahres wurden etliche Fahrzeuge getestet und Informationen von anderen Korps eingeholt, sagt Polizeikommandant Ambühl auf Anfrage. Beispielsweise über das VW-Modell der Kapo Bern, das aber mit voller Ausrüstung etwas schwimme in den Kurven. Einige der Testwagen, die man in Grenchen prüfte, wurden auch auf der Facebook-Seite der Stadtpolizei gezeigt.
Man holte diverse Offerten ein, so auch bei der BMW-Garage Vogelsang, die laut Geschäftsführer Philipp Vogelsang unter anderem auch den Kanton mit Einsatzfahrzeugen beliefert. Und man wurde auch bei der Volvo Garage Viatte Straub in Biberist vorstellig – die ihren Ursprung übrigens in Grenchen hat. Wie Ambühl sagt, entschieden sich die involvierten Fachleute schliesslich für einen Volvo XC90 B5 Mild Hybrid AWD Momentum, der in Grenchen eine Woche lang auf Herz und Nieren geprüft wurde. Es handelte sich laut den Angaben von Michael Corte, Geschäftsführer von Viatte Straub, um ein «normales» Fahrzeug. Für Ambühl war wichtig, dass das Fahrzeug ein hohes Mass an Sicherheit für die Insassen bietet und zudem die Polizeiausrüstung besser verstaut werden kann als beispielsweise im Skoda oder BMW, wo die schweren Einsatzwesten der Polizisten auf dem Rücksitz belassen werden müssen.
Kostenpunkt inklusive Polizeiumbau: 115'000 Franken – Letzterer kostet allein 30'000 Franken. Allerdings gewährt Volvo einen gewaltigen Behördenrabatt und Händler Viatte Straub rundete den Preis noch weiter ab, indem er einen weiteren Rabatt in der Höhe von 10'000 Franken in Aussicht stellte, wenn das Fahrzeug noch in diesem Jahr gekauft wird. Die definitive Ausgabenlimite von 75000 wäre eingehalten worden. Corte sagt dazu: «Verdient hätte ich nichts bei dem Deal, sondern noch draufgelegt.» Er habe das unter «Marketing und Werbung» abgebucht. Denn Volvo stehe für Sicherheit und es sei eine Prestige-Angelegenheit, ein solches Fahrzeug als Einsatzfahrzeug der Polizei zu wissen.
Im Grunde der perfekte Deal, aber ...
Die Sache schien geritzt, einen besseren Deal hätte sich die Stadtpolizei nicht wünschen können: Satte 40'000 Franken Rabatt für ein nigelnagelneues Einsatzfahrzeug, das auch bei anderen Polizeikorps einen sehr guten Ruf geniesst. Zudem gewährt Volvo auf diesem Fahrzeug fünf Jahre Garantie und Gratisservice bis 150'000 Kilometer – eine Leistung, die sich in der Vollkostenrechnung markant niederschlägt: Laut Corte fallen gerade einmal 220 Franken Unterhaltskosten pro Jahr an, Treibstoff und Verschleissteile wie Pneu ausgenommen. Und nicht zu vergessen: Aufgrund der Hybridtechnik sinkt der Kraftstoffverbrauch vor allem im Stadtverkehr erheblich.
Diese Woche wurde das Geschäft in der Gemeinderatskommission beraten, Polizeikommandant Ambühl präsentierte seine Ergebnisse der Evaluation mündlich in einer traktandierten Orientierung. Er war dafür, den Volvo zu kaufen. Die GRK wollte aber nicht auf den Deal mit Volvo eingehen und lehnte den Sofortkauf mit einer einzigen Gegenstimme ab.
Stadtpräsident François Scheidegger sagt dazu auf Anfrage, das sei vergleichbar mit anderen Geschäften, wo zwar ebenfalls ein Kredit bewilligt sei, aber ein konkretes Ausführungsprojekt noch von der GRK abgesegnet werden müsse. Der Sachentscheid sei noch nicht gefallen, die GRK brauche dazu eine ausgearbeitete Vorlage.
Auf die Frage, ob denn die GRK geeigneter sei, über die Tauglichkeit eines in Frage kommenden Modells als Einsatzfahrzeug der Polizei zu urteilen als die Polizei selber, meinte er: «Selbstverständlich nicht. Aber es braucht unter dem Aspekt der Transparenz eine saubere, schriftliche Vorlage mit Erwägungen und Beschlüssen. À la: Welche Fahrzeuge wurden evaluiert, wer hat offeriert und welches ist das günstigste Angebot.»
Ausserdem, gab Scheidegger zu bedenken, verlange das Submissionsreglement der Stadt Grenchen ab einem Schwellenwert von 60'000 Franken eine Submission auf Einladungsbasis. Deshalb bestehe die GRK auf der ausgearbeiteten Vorlage und drei Offerten auch hiesiger Markenvertreter. «Wir brauchen einfach detaillierte Entscheidungsgrundlagen und die Transparenz in der Entscheidfindung.» Überhaupt sei nur eine Orientierung traktandiert gewesen an dieser GRK-Sitzung und mehr nicht. Schon gar keine Entscheidung.
Polizeikommandant Ambühl war derweil nicht untätig: Schon am nächsten Tag wurde bei der Vogelsang eine Offerte für einen BMW X5 und bei der Garage von Büren je eine Offerte für einen VW Amarok und einen Skoda 4x4 verlangt. Letzterer will angeblich aber nicht offerieren.
Vorläufiger Stand der Dinge: Das neue Fahrzeug wird also erst nächstes Jahr gekauft, vielleicht schon im Januar, denn Ambühl hat die Unterlagen bereit. Sollte man sich doch noch für den Volvo entscheiden, dürfte der Rabatt von 10'000 Franken wohl hinfällig sein.