Flugsicherung
Was der Streik von Skyguide für Grenchen bedeutet

Am 23. Juli will Skyguide streiken und falls nötig den Streik auf die folgenden Tage ausdehnen. Welche Folgen hat dies für den Flughafen Grenchen?

Oliver Menge
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Das Personal von Skyguide will streiken – Grenchen ist nicht betroffen, hat aber auch grosse Probleme.

Das Personal von Skyguide will streiken – Grenchen ist nicht betroffen, hat aber auch grosse Probleme.

Hanspeter Bärtschi

Ein Teil der Fluglotsen von Skyguide will laut der Schweizerischen Depeschenagentur SDA am Montag, 23. Juli, die Arbeit niederlegen, die Gewerkschaft «Skycontrol» lehne den neuen Gesamtarbeitsvertrag ab. Betroffen seien der Flughafen Genf sowie die Regionalflughäfen Sitten, Bern, Lugano, Grenchen und Emmen. «Skycontrol» ist einer von vier Fluglotsen-Personalverbänden. Mit den anderen drei habe man sich einigen können, nur Skycontrol habe den Verhandlungstisch verlassen, heisst es weiter in der Meldung. Die Gewerkschaft hatte zwei «nicht verhandelbare» Forderungen gestellt, schreibt die SDA: 125 jährliche Ruhetage sowie eine jährliche Gehaltserhöhung von 1,8%.

Die Gewerkschaft bedauere, dass das Management es vorziehe, die Zahl der Kadermitarbeiter zulasten der Lotsen zu erhöhen, deren Zahl von Jahr zu Jahr abnehme, während gleichzeitig der Flugverkehr insbesondere über Genf ständig zunehme. Der Streik soll am Montagmorgen um 6 Uhr beginnen und bis um 10 Uhr dauern. An den folgenden Tagen soll die Arbeit von Dienstagmorgen, 8 Uhr, bis Mittwochabend, 18.30 Uhr niedergelegt werden.

Was heisst das für Grenchen?

Solange der Streik nur am Montag stattfindet: «Nichts», sagt Verwaltungsratsvizepräsident Conrad Stampfli der Regionalflugplatz Jura Grenchen AG (RFP). Denn wie bereits berichtet, wird schon jetzt bis Oktober jeweils am Sonntag und Montag während der Hauptbetriebszeiten (9–12.15 Uhr und 13.45–16.45 Uhr) kein Instrumentenflug mehr angeboten. Hier gäbe es also keine Abweichungen vom gewohnten Regime. Wenn der Streik ausgeweitet würde, gäbe es aber auch an den Folgetagen zu den Hauptbetriebszeiten keinen Instrumentenflug, so Stampfli.

In Grenchen läuft jedoch bereits ein wegweisendes Pilotprojekt an den Randzeiten: Morgens von 6 Uhr bis 9 Uhr, über Mittag und abends ab 17 Uhr ist es immer möglich, den Instrumentenflug auch ohne Fluglotsen im Tower machen zu können, indem die Piloten in einer Radio Mandatory Zone (RMZ) den anderen Benutzern des Luftraums ihre Absichten mitteilen. Ein Gesuch, die RMZ selber auf die Hauptbetriebszeiten ausdehnen zu können, sei noch beim Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) hängig und bis nächste Woche kaum entschieden. Der Flughafen stünde folglich vor dem Dilemma, zu den Hauptbetriebszeiten entweder ganz zu schliessen oder ohne RMZ völlig unkontrolliert wenigstens für Sichtflug offen zu sein, so Stampfli.

Aus dem Tower Grenchen kommt aber Entwarnung: Die in Grenchen tätigen Fluglotsen seien vom Streik alle nicht betroffen. Es gehe bei den fraglichen Forderungen um Zusätze und Anhänge, die nur die Kollegen der Luftstrassenkontrolle in Genf in ihren Verträgen haben. «Wir haben andere Anhänge im Vertrag. Unsere Arbeit und die auf anderen Regionalflughäfen sind anders geregelt und abgegolten. Wir werden uns an die Abmachungen halten, die wir mit dem Flughafen Grenchen getroffen haben.»

Flugsicherung: Streitpunkt Finanzierung.

Vor 2010 galt in der Schweiz ein einheitlicher Tarif. Aus den Überschüssen der Landesflughäfen wurde die Unterdeckung der Regionalflughäfen finanziert. Dieser Ausgleich macht insofern Sinn, als die Regionalflughäfen den Landesflughäfen, heute sogar vermehrt, den wenig lukrativen «aviatischen Überlauf» abnehmen, so zum Beispiel die Ausbildung künftiger Linienpiloten, und die Landesflughäfen sich auf den lukrativen Linienflugverkehr fokussieren können.

2010 wurden die Gebühren für die Flugsicherung nach dem Prinzip der Kostendeckung neu geregelt und die sogenannten «Quersubventionierungen» abgeschafft. Grund war eine neue Regelung der EASA, der europäischen Agentur für Flugsicherheit, der auch die Schweiz angehört. Die Schweiz verschärfte diese Regelung sogar und verpasste es, die Ausnahmeregelung der EU für kleine Regionalflugplätze – zu denen alle Schweizer Regionalflughäfen gehören würden – zu übernehmen. Ein neues Konzept der Finanzierung der Flugsicherung hob die bestehende Quersubventionierung auf und teilte die Flughäfen und -plätze nach flugsicherungstechnischen Grundsätzen in Kategorien ein. Die Kosten prognostizierte Skyguide damals auf 28 Millionen Franken. Stattdessen wurden 35 Millionen daraus. Dadurch fehlen den Regionalflughäfen seit 2013 rund 7 Millionen jährlich.

«Die Kosten für Flugsicherung werden den Regionalflughäfen pauschal aufgebrummt. Dies widerspricht dem Verursacherprinzip, denn Bezüger der Flugsicherung ist der Operator und nicht der Flugplatz», so Conrad Stampfli, Verwaltungsratsvizepräsident des Flughafens Grenchen. Zudem werden die Kosten der Grundversorgung nach einem Schlüssel, abhängig von den erhobenen Flugbewegungen, verteilt. 25% aller Flugbewegungen – ohne die auf Landesflughäfen – fallen auf den Flugplätzen Kat II, also denjenigen mit Flugsicherung, an.

75% auf den übrigen Flugplätzen und Flugfeldern. Die Kosten werden aber zu 100% Prozent auf die Flugplätze Kat. II überwälzt. Zu dieser Kategorie gehört auch Grenchen. «Eine Zusage, die Kosten der Grundversorgung vom Bund direkt an Skyguide zu vergüten, was die einzig richtige Lösung wäre, wurde bisher nicht erfüllt.»

Probleme bleiben bestehen

Stampfli betont, dass das eine Sache sei mit dem Streik, das eigentliche Problem der Regionalflughäfen und auch das interne Problem der Flugsicherungsfirma Skyguide aber noch lange nicht gelöst sei: «Skyguide hat den Fehler gemacht, niemanden mehr zu rekrutieren.» Die Ausbildung eines Fluglotsen ist Flughafen- spezifisch, das heisst, ein Lotse zertifiziert sich für einen bestimmten Flughafen und kann nicht einfach woanders eingesetzt werden. Fallen auf einem Flughafen Leute weg, weil sie pensioniert werden oder den Job wechseln, dauert es, sie zu ersetzen. «Es ist aber bemerkenswert», so Stampfli, «dass die Gewerkschaft auf den Umstand hingewiesen hat, Skyguide habe mehr ins Kader als in die Mannschaft investiert.»

Stampfli kritisiert auch das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Uvek und das Bazl. Letzteres lege die internationalen Luftfahrtregeln strenger aus, als dies das Ausland tue. «Beispielsweise darf in einer RMZ der Flughafen über Funk keinerlei Informationen an die Piloten weitergeben. Auch nicht nützliche übers Wetter oder den Wind. Informationen, die man dem Piloten aber mitteilt, wenn er übers Telefon anruft oder am Schalter danach fragt. Das ist schlicht unsinnig.»

Beim Uvek verkenne man die Bedeutung des Flughafens Grenchen: «Grenchen ist der wichtigste Ausbildungsflughafen der Schweiz und von nationaler Bedeutung. Rund ein Viertel aller Flugbewegungen in der Schweiz sind Ausbildungsflüge. 15% dieser Flüge und 50% der Flüge auf den Flugplätzen mit einer Flugsicherung finden in Grenchen statt. Insbesondere, weil hier der Verkehr mit einem Fluglotsendienst (ATC) in der praktischen Anwendung trainiert werden kann.» Dies sei Teil der Pilotenausbildung und auf Flugplätzen ohne Flugsicherung nicht möglich. Damit sei der Fluglotsendienst Teil der Ausbildungsinfrastruktur.

Die Lufthansa Aviation Training, die ihre Linienpiloten in Grenchen ausbilde, aber auch viele andere Ausbilder und nicht zuletzt die Schweizer Luftwaffe profitierten, aber finanziell trage man dem keine Rechnung: «Die Finanzierung auf grossen Flughäfen ist relativ einfach, weil sie von rentablen Linien angeflogen werden. In Grenchen fallen vergleichsweise geringe Anfluggebühren an, weil es sich eben um Ausbildungsflüge mit leichteren Flugzeugen und einem für die Ausbildung vergünstigten, niedrigeren Tarif handelt. Die Finanzierung ist schlicht nicht geregelt. Und wenn ich aus dem Uvek hören muss, dann sollen wir halt beim Kanton um Finanzen bitten, sage ich nur, dass die Luftfahrt immer noch Bundesangelegenheit ist.»