Kürzlich habe ich den Leserbrief von Claude Barbey gelesen, dem ehemaligen Stadtbaumeister Grenchens, heute Präsident der Denkmalpflege-Kommission des Kantons Solothurn. Er war damals einer der massgeblichen «Wakkeren», der letztendlich Grenchen zu einem schweizweit anerkannten Preis, eben dem «Wakkerpreis» verholfen hat. Vor zehn Jahren durfte ich auf dem Märetplatz in Grenchen, anlässlich ebendieses «wakkeren» Festes, zusammen mit vielen anderen Helferinnen und Helfern Spaghetti mit verschiedenen Saucen an die in Scharen gekommene Grenchner Bevölkerung verteilen.
Eine dieser Saucen, ich weiss nicht mehr welche, war schon bald ausverkauft und auch der Reibkäse wurde langsam knapp. Die einen nahmen es mit Humor, die anderen reklamierten zum Teil recht lautstark. Und ich? Ich war stolz, mittendrin zu sein, stolz, eine «Preisträgerin» zu sein, Saucen hin, Spaghetti her. Und dann kam Sina und sie sang, und wie sie sang! «Wenn nid jetzt, wenn dänn», dieses Lied klang wie eine Verheissung, fast ein Versprechen für alles, was noch kommen sollte. Ich tanzte, ich klatschte, war mittendrin im Leben und wusste oder meinte zumindest zu wissen damals: Grenchen hat eine Zukunft, Grenchen hat Visionen, Grenchen ist irgendwie «first».
Und heute schaue ich schon einigermassen verwundert auf die zum Teil eher seelenlosen Strassen, 08/15 so wie überall, nichts Besonderes mehr. Wenn ich beispielsweise an die Centralstrasse denke, wie sie früher einmal war, dann werde ich für mehr als einen Augenblick lang wehmütig. Da war doch eine Bäckerei, eine Drogerie, da verkaufte die auch schon bald vergessene Ruth Gütiger ihre Petrollampen, da war ein Blumenladen, im Restaurant Touring fanden Lottomatches statt bei Ruth und Godi Rüfenacht. Das «Jägerstübli» war immer schon da, immer schon älter und es war so, als hätten seine Fenster freundliche Augen. Und dann war da die Galerie Grossen in der Ecke, Kunst fand statt, manches Mal mit wenig Publikum und knappem Budget.
Wer nun allerdings beim Lesen dieser Zeilen das Gefühl hat, ich sei auch eine von denen, die meinen, dass früher alles besser war, so irrt er sich. Es kann aber sein, dass es sich lebendiger anfühlte als heute, dass man sich rascher und unkomplizierter irgendwo treffen konnte, dass die Quartierläden eine Chance hatten zu überleben, weil man damals eben noch in die Läden ging und seine Einkäufe nicht vor allem online erledigte. Bei solch einer Rückwärtsbetrachtung sehe ich aber auch die Möglichkeiten, dem Ruf einer «Wakkerstadt» immer noch gerecht zu werden. Es ist wichtig und nötig, Sorgfalt walten zu lassen. Sei dies bei Neubauten, sei dies bei einem hoffentlichen Erhalt der Bürgi-Villa.
Es wäre eine gute Idee gewesen, einen Preis der Stadt Grenchen für besonders gelungene Liegenschafts-Renovationen auszuschreiben. Preise erhöhen den Anreiz, etwas zu tun, zu erschaffen, zu bewahren. Ich möchte weiterhin stolz sein auf meine Stadt und ich möchte auch in Zukunft jedem sagen, der es hören will oder auch nicht, dass wir einmal «wakker» gewesen sind und dass wir gedenken, es auch zu bleiben.