In einer Woche ist die Fastenzeit vorbei – endlich wieder Schoggi, ein Bier oder das Videospiel, auf das wir unter Schmerzen verzichtet haben! Allen, die es bis jetzt geschafft haben, ihre Vorsätze zu halten, spreche ich meinen tiefen Respekt aus. Gleichzeitig lässt sich nicht leugnen, dass die Fastenzeit für unsere Vorfahren weit entbehrungsreicher war. Alle tierischen Produkte waren tabu, weshalb die Vorräte vor der Fastenzeit mit der Produktion von fetthaltigen Fasnachtsleckereien wie Chnöiblätzen und Schenkeli dezimiert wurden. Das waren noch Zeiten!
Solche Entbehrungen habe ich nicht erlebt. Meine Erinnerungen an die Fastenzeit beschränken sich auf das monströse «Hungertuch», das uns im Religionsunterricht in grellen Farben Not und Leid auf dem Erdenrund vor Augen führte, auf den damit in gewissem Zusammenhang stehenden Ablass in der Form der Sackgeldabgabe in das rot-violette «Fastensäckli» und vielleicht noch auf die besinnliche Osternacht, in der im Kirchenschiff die dünnen, weissen Kerzen leuchteten.
Was erinnert uns heute überhaupt an die Fastenzeit, mal abgesehen von einem optionalen 40-tägigen Verzicht unserer Wahl? Selbst die Karwoche geht oft unbemerkt an uns vorbei, und laut Umfragen auf der Strasse ist nicht einmal allen klar, warum wir Ostern feiern. Unsere christlichen Wurzeln scheinen uns fremd geworden sein. Doch die Sehnsucht nach dem, was über unser Dasein hinausgeht, ist es nicht. Im Hamsterrad des Alltags suchen wir alle manchmal einen «Glimpse of Heaven», einen Blick in den Himmel. Aber wie bringen wir das Transzendentale in unseren Alltag?
Dafür hat jeder seine eigenen Rezepte. Mein Vater begibt sich per E-Bike oder Pedes in die Natur, um der Schöpfung nahe zu sein; für mich ist die Musik ein «Himmelstor». Und ein musikalischer Blick in den Himmel hat dieses Jahr auch meine Fastenzeit geprägt. Seit dem 19. Februar studiere ich als eine von über 80 Sängerinnen und Sängern des Leberberger Konzertchors Charles Gounods «Cäcilienmesse» ein. In den himmlischen Klängen des zarten «Kyrie» und des herrlichen «Gloria», im triumphalen «Credo», im majestätischen «Sanctus» und im lieblichen «Agnus Dei» wird die zentrale Geschichte des Christentums in dieser zeitlosen Musik erfahr- und berührbar. Ich garantiere spätestens im «Credo» jedem geneigten Zuhörer ein paar Ostergefühle.
«Himmlische Musik», fürwahr!