Startseite
Solothurn
Grenchen
Das Grenchner Fotofachgeschäft Fotoryf hat die Schwierigkeiten eines sich rasch verändernden Marktes erfolgreich gemeistert. Teil 2 unserer Sommerserie.
Nicole Biedert ist seit nunmehr sechs Jahren die Inhaberin des Fotofachgeschäfts an der Bettlachstrasse. Das Geschäft selber hat eine über 50-jährige Geschichte und gehört quasi zum Inventar in der Grenchner Gewerbewelt. Seit der Übernahme der Firma zusammen mit ihrem Gatten bildet die Mutter zweier mittlerweile erwachsenen Söhne immer zwei Lehrlinge aus. Biedert arbeitet zu 100 Prozent für und in ihrem Geschäft.
Das Thema Gewerbe und Einkaufen im Grenchner Stadtzentrum ist ein Politikum. Ob der Diskussion über die leeren Schaufenster geht rasch vergessen, dass es noch etliche Fachgeschäfte gibt, die sich seit Jahren behaupten. Einige haben wir besucht und mit ihnen über ihre Erfolgsrezepte, aber auch die aktuellen Herausforderungen gesprochen. Fazit: Der Detailhandel in Grenchens Zentrum lebt, wie wir in unserer Serie zeigen können.
Bereits erschienen ist ein Bericht über die drei Grenchner Bäckereien Back Caffee, Egli Beck und Gassler. Heute stellen wir mit «fotoryf» ein Fachgeschäft mit langer Tradition vor. (rrg.)
Dass das Fotofachgeschäft aber überhaupt noch existiert, ist nicht zuletzt dem Willen der Inhaberin und ihren innovativen Ideen zu verdanken. Denn kaum eine Branche durchlief in den letzten fünf, sechs Jahren einen derart tiefgreifenden Wandel wie die Fotobranche. Da war zunächst der Wechsel von der analogen zur digitalen Fotografie. «Als ich und unser Laborant vor etwa 30 Jahren im elterlichen Betrieb mithalfen, schoben wir oft Nachtschichten im Labor, entwickelten Tausende Filme und machten Abzüge im Akkord. Damals konnte man noch richtig Geld verdienen», erzählt Nicole Biedert.
Die digitalen Fotokameras wurden immer besser und schon bald erschwinglich für jedermann. Sie verdrängten die analogen Geräte fast vollständig und heute gibt es nur eine kleine Anzahl von Fotografen, die immer noch den Film einem Chip vorziehen. Grosse Namen bei den Filmherstellern wie Kodak oder Ilford verschwanden fast ganz oder komplett. Das Sortiment an Filmen ist verschwindend gering, verglichen mit früher. Aber die Möglichkeiten, am eigenen Heimcomputer Bilder zu bearbeiten, wuchsen stetig.
Die Geschichte von Ryf geht zurück ins Jahr 1965, als Bernhard Ryf das Unternehmen gründete. Nur ein Jahr später kam Hans Ryf dazu. Sie handelten mit Mikroskopen und optischen Instrumenten, gründeten das Fotofachgeschäft. 1999 trat Daniel Ryf ins elterliche Unternehmen ein und 2001 wurde die Ryf AG mit dem Solothurner Unternehmerpreis ausgezeichnet.
Im Oktober 2011 wurde der Bereich «Fotofachhandel» aus dem Unternehmen herausgelöst. Nicole Biedert-Ryf, damals schon über 20 Jahre im elterlichen Betrieb tätig und seit 10 Jahren Abteilungsleiterin und Geschäftsführerin des Bereichs Foto, gründete zusammen mit ihrem Mann Thomas Biedert die Firma «fotoryf GmbH». Der Bereich Foto lief damals sehr gut, man konnte auf eine grosse Stammkundschaft zählen, sowohl im professionellen Bereich wie im Amateurbereich.
Das Geschäft brummte, man dachte zeitweise sogar an eine Vergrösserung, beispielsweise eine zusätzliche Filiale in Solothurn zu eröffnen. Aber die Entwicklung im Markt machte diesen Schritt unmöglich. (om)
Auch die Kamerahersteller änderten ihre Taktik: Die grossen Marken, Nikon, Canon, Leica und andere unterhielten bis vor ein paar Jahren eigene Profiabteilungen und Fotoryf war beispielsweise Premium Partner von Nikon. Ein Partner, in dem Profifotografen und ambitionierte Amateure von einem erstklassigen Service und einem riesigen Sortiment an Kameramodellen und -objektiven profitieren konnten. «Wir hatten damals einen sehr grossen Lagerbestand», so Biedert.
Aber die Hersteller setzten mehr und mehr auf den Verkauf im Internet, sei es durch Zwischenhändler oder direkt. «Für uns gab es keine Verkaufsvorteile mehr, auch keine Vorab-Informationen mehr, wann beispielsweise neue Modelle auf den Markt kommen etc. Als Wiederverkäufer bezahlen wir inzwischen gleich viel, wie jedermann, der im Internet selber eine Kamera oder ein Objektiv bestellt.» Der Anteil des Geschäftsumsatzes aus dem Verkauf von Fotoartikeln verringerte sich um sage und schreibe 80 Prozent innerhalb von wenigen Jahren.
Not macht erfinderisch, sagt man. Bei Fotoryf bedeutete dies, neue Geschäftsfelder zu entwickeln. «Wir haben unsere Dienstleistungen massiv ausgebaut», erklärt die Geschäftsfrau. Nebst den obligaten Fotobüchern, Postern und Abzügen, die alle inhouse gefertigt werden, bietet Fotoryf auch Heftchen, Broschüren und andere Printprodukte an, die individuell gestaltet werden.
Fotoryf verfügt immer noch über ein eigenes Labor, es ist mittlerweile etwa das vierte, wie Nicole Biedert sagt, «und das mit Abstand teuerste. Wir sind dafür technisch auf dem neusten Stand». Das Fotofachgeschäft arbeitet aber auch noch immer mit einer klassischen Entwicklungsmaschine, in der Farbfilme und Schwarz-Weis-Filme im
C-41-Prozess verarbeitet werden können. Die Abzüge allerdings werden dann digital gefertigt. Die Bildbearbeitung wird ebenfalls im Hause gemacht. «Wir erledigen auch digitale Bearbeitungen und Montagen, die nicht so einfach zu bewerkstelligen sind.»
Die Digitalisierung alter Medien, also beispielsweise von Mini-DV, Hi-8, Fotos, Dias und anderen Speichermedien, nehme einen grossen Platz ein, sagt Nicole Biedert. Fotoryf bietet nebst Dienstleistungen wie Sensorreinigung und Beratung auch eine grosse Anzahl an Kursen an, sei es Grundkurse in Fotografie oder individuelle Kurse und Schulungen zu bestimmten Themen oder zu Bildbearbeitungssoftware. «In letzter Zeit war ich aber auch selber wieder viel mit der Kamera unterwegs, um Aufträge zu fotografieren. Sei es Industriefotografie, Firmenporträts oder People-Anlässe.»
Bei Fotoryf kann man sich im gut eingerichteten Fotostudio ablichten lassen. Sei es für Passfotos, Bewerbungsfotos oder Fotos, die dann auf T-Shirts, Kissen, Tassen, Handyhüllen, Ess-Lätzli, Znüni-Boxen oder ähnliches gedruckt werden. «Das Geschäft mit den Pass- und Bewerbungsfotos läuft sehr gut. Wir haben auch immer mehr Leute aus Biel und Solothurn, weil dort ein solches Angebot fehlt oder nur rudimentär vorhanden ist.»
Und mit den Fotodrucken auf die erwähnten Gegenstände – die übrigens innert Tagesfrist bei einer Grenchner Partnerfirma erstellt werden – habe sie eine neue, junge Stammkundschaft gewinnen können, darunter auch viele ausländische Mitbewohner, denen diese Art der Fotopräsentation ausserordentlich gut gefalle. «Und nicht zuletzt darf ich auf eine sehr treue Stammkundschaft zählen, die es immer noch vorzieht, ihre Fotoausrüstung bei mir zu beziehen.»
«Nach drei, vier schwierigen Jahren geht es jetzt seit etwa zwei Jahren wieder bergauf», sagt Nicole Biedert erleichtert. Sie sei bereit, auch neuen Herausforderungen mit cleveren Ideen zu begegnen.