Stadtbummel Grenchen
Visitenkarten – schöne und andere

Roger Rossier
Roger Rossier
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Littering am Bahnhof Süd in Grenchen.

Littering am Bahnhof Süd in Grenchen.

Andreas Kaufmann

Strassen oder Bahnhöfe gehören zur Visitenkarte einer Ortschaft und hinterlassen bei Fremden einen bleibenden Eindruck. So blieben mir die Strassen in Luxemburg in bester Erinnerung, als sich vor Jahren auf der Strecke zwischen Frankreich und Belgien mein Auto für einen kurzen Moment vom Schüttelbecher zum still vor sich hingleitenden Fahrzeug verwandelte. Die Autobahn des Grossherzogtums war kein Vergleich zu den mit Schlaglöchern und Fahrrinnen übersäten Strassen der angrenzenden Länder.

In Sachen Strassenunterhalt ist auch in Grenchen viel los. Zum Beispiel der neu verlegte Flüsterbelag der Kirchstrasse. Bedauern hatte ich mit den Strassenarbeitern, die bei Temperaturen von über dreissig Grad schaufeln, graben oder heissen Teer verarbeiten mussten. Dank des Flüsterbelags an der Kirchstrasse ist der Strassenverkehr heute leiser. Im Gegenzug hört man die Kirchenglocken noch besser, denn «Flüsterglocken» gibt es noch nicht ...

Waren Sie kürzlich mit dem Zug unterwegs und sind aus Solothurn kommend im Bahnhof Süd auf Perron zwei ausgestiegen? Ein Blick auf die südliche Umgebung vermittelt einem das Gefühl, hier hätte gerade der einstige Revolverheld Billy the Kid aus dem 19. Jahrhundert seinen Colt geschwungen. Auf dem für Personenverkehr nicht mehr benutzten dritten Gleis liegen leere Flaschen und das Unkraut wuchert. Südlich davon, auf der anderen Seite der Strasse, blickt man auf das ehemalige Gaswerkareal, wo hinter einem hohen Maschendrahtzaun eine Mischung aus verwildertem Naturgarten und stillgelegtem Steinbruch dem Besucher einen ersten, nicht einladenden Eindruck von Grenchen vermittelt wird.

Erreicht man auf dem Perron 2 nach gefühlten zweihundert Metern den Weg zur Unterführung, sieht man rechts die Hinweistafel «Stadtzentrum», während auf der linken Seite der Wegweiser mit «Riedern» beschriftet ist. Vergeblich sucht man einen Hinweis Richtung Sportzentrum, Flughafen, Berufs- oder Höhere Fachschule. Kaum ein Fremder oder eine Fremde wird jemals wissen wollen, wo sich in Grenchen «Riedern» befindet. Angesichts der ca. 1000 Lernenden und Studenten, die wöchentlich diesen Weg gehen, sind die fehlenden Hinweise auf die diversen Institutionen südlich des Bahnhofs nicht nachvollziehbar. Nachdem Olten und Solothurn eine Erneuerung der Bahnhöfe erfahren durften, würde es den SBB gut anstehen, den Bahnhof Süd nicht als Wild-West-Station verkommen zu lassen. Weiter liesse sich auch das ehemalige Gaswerkareal hinter dem Werbebanner «Herzlich willkommen auf der Jura Sonnenseite» gut verbergen.

Die letzten Telefonzellen verschwinden dieser Tage und damit ein weiteres Überbleibsel des letzten Jahrhunderts. Ich erinnere mich, wie aufgeregt ich war, als bei uns zuhause das Telefon installiert wurde. Natürlich handelte es sich bei dem im Flur montierten Wandtelefon mit Wählscheibe um das PTT-Modell 50 der Autophon. Und wie nervte ich mich, als ich im Teenageralter mit meinen Freunden telefonierte, die ganze Familie mithorchte und der Vater demonstrativ auf die Uhr schauend unzählige Male an mir vorbeilief. Wenigstens von diesen Unannehmlichkeiten bleibt die heutige Jugend verschont, denn ein privates Telefongespräch war damals nur möglich, wenn man in die nächstgelegene Telefonzelle flüchtete. Leb wohl, alte geliebte Telefonkabine.