Grenchen
Verliert Hubert Bläsi seinen GRK-Sitz, muss er über die Bücher

Die politische Zukunft des Grenchner Vize-Stadtpräsidenten Hubert Bläsi (FDP) ist ungewiss. Zunächst als nächster Stapi gehandelt, musste er François Scheidegger als Kandidaten Platz machen. Und jetzt erhebt die SP Anspruch auf seinen GRK-Sitz.

Andreas Toggweiler
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Lehrer und Vize-Stadtpräsident Hubert Bläsi im Werkunterricht mit einem Teil seiner Schulklasse.

Lehrer und Vize-Stadtpräsident Hubert Bläsi im Werkunterricht mit einem Teil seiner Schulklasse.

Andreas Toggweiler

Sie stehen am Ende eines etwa zwei Jahre dauernden Wahlkampfjahres, das für Sie eine Berg-und-Tal-Fahrt war. Wie fühlen Sie sich?

Hubert Bläsi: Momentan entspricht meine Gemütslage eher den kühleren Herbsttemperaturen. Dies nicht, weil die Belastung bei den diversen Wahlgängen zu hoch war. Es ist ja bekanntlich so, dass ich sowohl bei der Ausmarchung für den Kantons- wie auch für den Gemeinderat grossartige Ergebnisse zur Kenntnis nehmen durfte. Die Beklommenheit entspricht der Tatsache, dass ich betreffend meines Mandates als Vize-Stadtpräsident quasi ein Opfer der Situation geworden bin. Insofern bezieht sich die von Ihnen erwähnte Talfahrt auf einen Wahlgang, an welchem ich wegen der machtpolitischen Verhältnisse gar nicht teilnehmen werde.

Aber der Umstand, dass Sie von der eigenen Partei als Stapi-Kandidat quasi ausgewechselt wurden, ist Ihnen bestimmt nahe gegangen . . .

Ich bin nicht der Typ, der gerne jammert. Aber ja, da sind Verletzungen entstanden, die wehgetan haben und die mir zugesetzt haben. Auch wenn das äusserlich nicht so sichtbar war.

Auch jetzt noch ist Ihre politische Zukunft ungewiss. Die SP als stärkste Partei möchte zwei Sitze in der Gemeinderatskommission GRK. Im Visier ist explizit der zweite FDP- also Ihr Sitz. Warum möchten Sie in der GRK bleiben?

Das Gremium zieht Geschäfte in Beratung, welche aus meiner Sicht ein gehöriges Mass an Kenntnissen der lokalen Verhältnisse erfordert. Zudem ist für das Fällen von guten Entscheiden ein starker Erfahrungshintergrund von hohem Wert. Da ich ferner in der kantonalen Politik tätig bin, kann ich auch dieses Wissen einbringen. Zudem bin ich der Auffassung, ein Stadtpräsident sollte bei der Sitzungsleitung eine möglichst neutrale Haltung einnehmen und nicht vorrangig eine Parteilinie vertreten müssen.

Haben Sie die Unterstützung der eigenen Partei und der anderen Bürgerlichen für einen Verbleib in der GRK? Es gab ja Kreise, die haben Ihnen vorgeworfen, «zu gut» mit Boris Banga zusammenzuarbeiten . . .

Zurzeit gehe ich von einer Unterstützung aus. Beim zweiten Teil müsste ich fragen, wie man zu gut mit einem Vorgesetzten zusammenarbeiten kann? Über die gesamte Vize-Amtsdauer von acht Jahren habe ich versucht, die mir übertragenen Aufgaben mit hohem Verantwortlichkeitsgefühl anzugehen. In den schwierigen Zeiten hielt ich mich stets an die mit der GRK abgesprochenen Inhalte.

Zur Person

FDP-Politiker Hubert Bläsi (56) ist seit 1997 Gemeinderat und seit 8Jahren Vize-Stadtpräsident. Ende Jahr gibt er dieses Amt an Urs Wirth (SP) weiter. Anlässlich der Gemeinderatswahl hat der FDP-Fraktionschef das drittbeste Ergebnis hinter François Scheidegger und Boris Banga erzielt. Hubert Bläsi istverheiratet mit Esthi Bläsi (Lehrerin/Hausfrau). Sie sind Eltern von Céline (20, Studentin) und Joël (16, Gymnasiast). Seit 2001 ist Bläsi auch Kantonsrat und dort Mitglied des Ratsbüros. Als Hobby nennt Hubert Bläsi Sport, Geselligkeit und Technik. (at.)

Als Vize-Stadtpräsident und FDP-Vertreter standen Sie aber sozusagen zwischen den Fronten . . .

Es war meine Person, welche intern wie öffentlich den Stadtpräsidenten zu kritisieren hatte. Dies brachte uns sogar eine Rüge seitens des Kantons ein. Damals wünschte sich niemand, in meine Rolle schlüpfen zu müssen. Trotzdem gab es hohe Erwartungshaltungen, welche aus diversen Gründen weder für das eine noch für das andere Lager erfüllbar waren. Und jene Wissenden, welche einfache Lösungen offenbar so mir nichts, dir nichts umsetzen könnten, melden sich bekanntlich nicht für die entsprechenden Mandate oder, falls sie auf der Liste stehen, werden sie nicht gewählt. Ob dies schade ist, überlasse ich Ihrem Urteil . . .

Warum sind die Verhandlungen in der GRK eigentlich geheim?

In den meisten Fällen geht es um Geschäfte, welche nicht bereits in diesem Stadium öffentlich gemacht werden sollen. So wird ein Stimmungsbild aufgenommen oder es können allfällige Nachbesserungen vor der Beratung im GR erfolgen. Zudem sind Fragen aus verschiedenen Gebieten (z. B. Personal) mit Vorteil mit der nötigen Diskretion zu behandeln. Der Kompetenzbereich der GRK ist klar geregelt.

Nicht einmal Gemeinderäte erfahren, was da verhandelt wird. Ist das noch zeitgemäss?

Den Gemeinderats-Unterlagen liegen jeweils die GRK-Protokolle bei. Es bleiben dann nur einzelne Geschäfte, welche als «vertraulich» deklariert sind. Und mit den Erfahrungen der letzten Zeit habe ich das Gefühl, dass die Kernpunkte der Beratungen sehr wohl und schnell im Umlauf sind.

Das würde umso mehr gegen geheime Verhandlungen sprechen.

Ich persönlich wäre durchaus für Transparenz in den meisten Fällen. Aber die Spielregeln sind nun mal anders und es gibt tatsächlich etliche Geschäfte, wo Vertraulichkeit ihre Berechtigung hat.

Welche drei Probleme sollten die Grenchner Politiker jetzt am dringendsten anpacken?

Unsere Stadt soll mit der Steigerung der Wohnqualität (Sicherheit, Sport- und Freizeitangebot, Einkaufsmöglichkeiten, Imagepflege) noch attraktiver werden. Zweitens müssen im Bereich der Kostenexplosion im Sozialwesen müssen Lösungen gefunden werden, um das in diesem Rahmen nicht mehr finanzierbare Feld in den Griff zu bekommen. Und schliesslich muss ins Gesamtangebot Parktheater wieder ein öffentlicher Restaurationsbetrieb integriert werden.

Im Moment hat Grenchen einen geschäftsführenden und einen gewählten Stapi. Wie gehen Sie damit um?

Die Situation ist ja entstanden, weil der Stadtpräsident bei uns ein Vollamt ist und wir die Kündigungsfristen beachten. Ich gehe davon aus, dass sich François Scheidegger und Boris Banga untereinander absprechen. Ich selber merke insofern etwas, weil ich zurzeit etwas mehr Aufgaben wahrzunehmen habe als sonst.

Was machen Sie, falls Sie am 3. Dezember nicht in die GRK gewählt werden?

Jedem logisch Denkenden wird klar sein, dass ich dann über die Bücher muss. Konkrete Szenarien sind aber situationsabhängig und es wäre unseriös, jetzt bereits etwas auszusagen.