Windpark Grenchenberg
Verbände verpassten Frist - damit sind Beschwerden gegen Windpark vom Tisch

Das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn tritt nicht auf die Beschwerden von vier grossen Verbänden gegen den auf dem Grenchenberg geplanten Windpark ein. Grund: die Beschwerdenführer haben eine Frist nicht eingehalten.

Oliver Menge
Drucken
Blick der Wandfluh entlang zum Standort der ersten der geplanten Windanlagen.

Blick der Wandfluh entlang zum Standort der ersten der geplanten Windanlagen.

Oliver Menge

Das Bau- und Justizdepartement des Kantons Solothurn tritt auf die Einsprachen der Stiftung Landschaftsschutz, von Helvetia Nostra, Pro Natura – Schweizerischer Bund für Naturschutz und Pro Natura Solothurn – Solothurnerischer Naturschutzverband gegen das Projekt Windpark auf dem Grenchenberg nicht ein. So beschlossen und verfügt am 15. September 2015.

Was für manche wie ein Witz klingen mag, ist keiner. Tatsächlich sind die vier wohl aussichtsreichsten Einsprecher gegen den einstimmigen Entscheid des Grenchner Gemeinderats in Sachen Projekt Windpark, kläglich abgeblitzt. Und wieso? Weil der Kostenvorschuss für das Verfahren viel zu spät und nicht fristgerecht bezahlt wurde (siehe Kasten).

Ein gewaltiger Bock

Ein Anwalt, der nicht namentlich genannt werden will, meinte gegenüber dieser Zeitung: «Das ist wohl das Allerschlimmste und Peinlichste, das einem Anwalt passieren kann – eine Frist zu verpassen, was dann solche Konsequenzen nach sich zieht.» Es sei oberste Pflicht eines jeden Anwalts, dafür zu sorgen, dass gerade solche Kostenvorschüsse rechtzeitig bezahlt werden, weil sonst das ganze Verfahren und die ganze Vorarbeit, die ja Tausende von Franken gekostet haben kann, «für die Katz gewesen ist». Da sei ein gewaltiger Bock passiert und diese Fürsprecherin müsse sich wohl jetzt ziemlich warm anziehen. «Das könnte sogar ein Schadenersatzverfahren nach sich ziehen, und je nachdem, wie das Gericht dann entscheidet, wird das sehr teuer.»

Tatsächlich sind die Beschwerden der vier Umwelt- und Naturschutzverbände jetzt vom Tisch, und zwar ganz. Zwar haben die Beschwerdeführer noch bis heute 18.00 Uhr Zeit, gegen die Verfügung des Bau- und Justizdepartements beim Regierungsrat Beschwerde einzureichen, aber der Regierungsrat müsste sozusagen das Verwaltungsrechtspflegegesetz ausser Kraft setzen, meint der Fachmann. Und Pascale von Roll, die stellvertretende Staatsschreiberin, bestätigt auf Anfrage, dass bis gestern noch kein entsprechendes Schreiben der Beschwerdeführer eingegangen sei.

Beschwerde wäre chancenlos

Nicole Hirt, Präsidentin von Pro Natura Solothurn, einem der Verbände, die Beschwerde eingelegt haben, räumt ein, dass da ein grosser Fehler passiert sei. Aber: «Wer arbeitet, der macht Fehler.» Die Fürsprecherin habe das Schreiben des Bau- und Justizdepartements, bevor sie selber in die Ferien gefahren sei, an die Beschwerdeparteien, also die vier Verbände weitergeleitet, aber die Verantwortlichen seien selber in den Ferien gewesen und so seien die Schreiben mit der Zahlungsaufforderung liegengeblieben. «Das ist wirklich dumm gelaufen, aber bei diesen Verbänden handelt es sich auch nicht um Profi-Organisationen, da kann so etwas passieren.»

Man verzichte darauf, beim Regierungsrat gegen die Verfügung Beschwerde einzulegen, denn die Aussichten auf Erfolg seien minimal, so Hirt. Stattdessen werde man sich wohl nun bei anderen Einsprechern, wie dem Schweizerischen Vogelschutz und der Vereinigung Pro-Grenchen, der 152 Einzeleinsprachen vertritt, anhängen und versuchen, dort die Interessen der Natur- und Umweltschutzverbände wahrzunehmen.

Per Just, Geschäftsleiter der SWG, welche das Projekt Windpark verantwortet, freut sich zwar irgendwie über den Lapsus, der da passierte, denn «jede Einsprache, die wegfällt, ist gut fürs Gemüt», wie er sagt. Was das Ganze inhaltlich bedeute, könne er schlecht beurteilen, er gehe aber davon aus, dass es trotz des Wegfalls der «prominenten» Beschwerden nicht zu einer Abkürzung des Verfahrens komme, da die Gegnerschaft ja angekündigt habe, den Fall wenn nötig bis vor Bundesgericht zu ziehen.

Damit gemeint ist an erster Stelle die Vereinigung ProGrenchen, die daraus nie ein Geheimnis gemacht hat. «Wie kann so etwas nur passieren?!», Jürg Allemann, Vize-Präsident der Vereinigung ProGrenchen ist bestürzt. Er persönlich hätte gegen die Verfügung Beschwerde eingelegt und jede Möglichkeit bis zuletzt ausgeschöpft. Glücklicherweise seien die Beschwerden der Umweltverbände sozusagen deckungsgleich mit der von ProGrenchen, betont er. «Wir werden unsere Strategie nicht verändern und weiterfahren, wie bisher.» ProGrenchen stehe im Kontakt mit den Verbänden und diese wollten nun verstärkt auf Information setzen, um aufzuzeigen, was der Bau von Windkraftanlagen für Auswirkungen auf Mensch und Umwelt hätten.

Das letzte Kapitel über das Projekt Windpark Grenchen ist also noch nicht geschrieben.

Chronik eines Debakels

Rückblende: Am 30. Juni 2015 bewilligte der Gemeinderat den Teilzonen- und Gestaltungsplan mit Sonderbauvorschriften des Projekts Windpark Grenchen einstimmig zuhanden des Regierungsrates und wies alle Einsprachen ab. Manche aufgrund der fehlenden Legitimation, bei den Umwelt- und Naturschutzverbänden war man nicht einverstanden mit deren Argumentation.

Gegen diesen Entscheid reichte die Fürsprecherin eines Berner Advokaturbüros (Namen der Redaktion bekannt) am 15. Juli im Namen der genannten vier Verbände beim Regierungsrat Beschwerde ein.

Verfügung bis 20.August

Am 31. Juli verfügte das Bau- und Justizdepartement «in Anwendung von Artikel 38, Absatz 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen und Artikel 5 des Gebürentarifes» per eingeschriebenen Brief, «dass die Beschwerdeführer bis zum 20. August einen Kostenvorschuss von 1500 Franken an die Staatskasse des Kantons Solothurn zu bezahlen haben.» Das Geld musste bis dato auf der Staatskasse eingetroffen sein. Die Anwältin der Beschwerdeführer leitete das Schreiben vor ihren Ferien an die Verbände weiter, doch die dort Verantwortlichen waren auch schon in die Ferien gefahren und das Schreiben blieb liegen.

Am 2. September informierte das Bau- und Justizdepartement nämlich die Beschwerdeführerin darüber, dass das Geld NICHT fristgerecht bei der Staatskasse eingetroffen sei und man deshalb in einer separaten Verfügung das Nicht-Eintreten erlassen werde.

Das veranlasste die Beschwerdeführer einerseits, den fehlenden Betrag umgehend am 7. September – 17 Tage nach der Frist – zu bezahlen und andererseits am 8. September ein Schreiben hinterherzuschicken, in dem eine «kurze Nachfrist zur Leistung des Kostenvorschusses» beantragt und dieser Antrag auch begründet wurde. Die Fürsprecherin berief sich dabei auf die beim Bundesgericht und im Zivilrecht gängige Praxis, dass, falls eine Frist zur Zahlung von Gerichtskostenvorschüssen ungenutzt verstreiche, eine Nachfrist gewährt wird. Erst wenn auch innerhalb dieser Frist nicht bezahlt werde, sei ein Nicht-Eintretensentscheid zu fällen.

Des Weiteren argumentierte sie mit dem «wichtigen Interesse der Umweltschutzverbände an der Behandlung der Beschwerde» und verlangte, dass man auf die angedrohte Verfügung verzichte, insbesondere, weil die verspätete Zahlung keine Verfahrensverzögerung nach sich ziehe und man ohnehin schon im Vorfeld wenig Zeit zur Stellungnahme gehabt habe.

Streng nach Gesetz

Das Bau- und Justizdepartement hatte dafür kein Gehör. Am 15. September erliess es die Verfügung zum Nicht-Eintreten und begründete seinen Entscheid mit der verspäteten Zahlung gemäss Verwaltungsrechtspflegegesetz. Des Weiteren habe der Hinweis auf bundes- und zivilrechtliche Regelungen keinen Einfluss, und eine Nachfrist im vorliegenden kantonalen Verfahren sei nicht erforderlich. Die Beschwerdeführer seien in der Verfügung zum Kostenvorschuss über die Folgen einer Nichteinhaltung der Frist informiert worden und es spiele auch keine Rolle, ob es sich hier um Umweltverbände handle oder nicht. «Von überspitztem Formalismus», wie es die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben genannt hatte, könne nicht gesprochen werden. Die 1500 Fr. abzüglich der Verfahrenskosten von 100 Fr. werden zurückerstattet. (om)