Badi Grenchen
Um 16.30 Uhr heisst es Antreten zur Mutprobe

Zehn Meter sind hoch. Sehr hoch. Für viele Grenchner und Bettlacher Kids ist Springen vom Zehnmeter-Sprungbrett in der Badi Grenchen das höchste aller Gefühle.

Peter Brotschi
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Mutprobe: Sprung vom Zehnmeter
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Der Sprung vom 10-Meter-Turm in der Badi Grenchen
Das Zehnmeter scheint von unten schon ziemlich hoch.
Und dann erst von oben!!!

Mutprobe: Sprung vom Zehnmeter

Peter Brotschi

«Ja, ich möchte es mal ausprobieren», sagt Andreas. Der Junge schaut nach oben. Zehn Meter ragt der Sprungturm des Schwimmbades Grenchen in die Höhe. Sein Blick verrät eine Spur Unsicherheit, ob der Mut zum Sprung in die Leere dann reichen wird. Neben ihm viele weitere Knaben und ein paar Mädchen. Es sind schon Routiniers. Sie warten gespannt auf den Moment, wenn der Bademeister die Leiter zur obersten Sprungebene öffnet.

Das ist jeden Tag exakt um 16.30 Uhr der Fall. Zuerst werden aber die anderen Sprunghöhen gesperrt, also das Ein-, Drei- und Fünfmeter. «Das ist aus Sicherheitsgründen zwingend notwendig», sagt Chefbademeister Paul Joss. Für eine halbe Stunde gehört das Sprungbecken exklusiv den Mutigsten. Kaum gibt der Bademeister die Treppe frei, erstürmen die Kinder das Zehnmeter. Auf der Plattform ist die Rangordnung gegeben: Die Älteren vorne, die Jüngeren hinten. Es folgt der Blick in die Tiefe.

Mindestens das Doppelte

Von unten sind zehn Meter respektabel, von oben ist es gefühlt mindestens das Doppelte. Immerhin schaut man wirklich fast 15 Meter hinunter auf den Grund des himmelblau gestrichenen Sprungbeckens.
Ohne Mut geht nichts. Es gibt Kinder, die treten nach vorne, schauen in die Tiefe ins glitzernde Wasser und studieren. Studieren zu viel. Wieder zurück in die hintere Reihe. Andere treten nach vorne, kurzer Blick nach unten, ob das Becken frei ist - und ab geht der Flug ins Wasser. «Komm, wir machen die Grossmutter», sagt der eine zum anderen. Selbstverständlich ist das Grosi nicht oben auf dem Zehnmeter. «Grossmutter» ist eine Sprungart wie das «Känguru» oder das «Päckli», hingegen ist der «Blättler» aus dieser Höhe gefürchtet.

Nun lächeln zwei Knaben schelmisch, treten an den Rand, springen nacheinander mit einem weiten Satz Richtung Beckenrand und machen ihren Körper beim Eintauchen zu einem «Päckli». Gewaltiger Platsch. Meterhoch spritzt das Wasser und benetzt die Zuschauer. Aufschrei! Die kleinen Kinder kreischen und haben ihre helle Freude. Rund um das Sprungbecken finden sich immer mehr Schaulustige ein. Nicht nur Mamis und Papis, die ihre Zöglinge beim freien Fall beobachten, sondern auch viele andere Badibesucher: Das Zehnmeter-Springen ist eben an jedem Tag ein Spektakel.

Fürs Zehnmeter von Biel angereist

An diesem heissen Nachmittag drängen besonders viele zur obersten Plattform. Es ist auch eine Gruppe Kinder aus der Region Biel da, die für das Zehnmeter-Springen nach Grenchen gekommen sind. Paul Joss befindet sich vor der Treppe und schaut, dass nicht zu viele Mädchen und Buben auf einmal oben sind. Es bildet sich eine Warteschlange. Auf der gegenüberliegenden Seite des Sprungbeckens steht ein zweiter Bademeister und überwacht das Geschehen aus einer Position mit guter Übersicht. Doch nicht nur Kinder reihen sich beim Warten ein: Auch das bekannte Gesicht eines Erwachsenen ist zu entdecken: Daniel Wisard alias DJ Horse springt gerne vom Zehnmeter, wie er sagt, und dies seit der Bubenzeit.

Für Knaben und Mädchen aus der Region Grenchen ist das Zehnmeter tatsächlich ein Thema. Die ultimative Mutprobe eigentlich. «Bist du schon vom Zehnmeter gesprungen?», ist eine Frage, die oft zu hören ist. Aber es gilt auch zu respektieren, wenn ein Kind den Kick nicht erleben möchte und das Drei- oder Fünfmeter-Brett das höchste der «Sprung-Gefühle» bleibt. Der dreizehnjährige Livio aus Bettlach springt schon seit dem Kindergartenalter vom Zehnmeter: «Das Fliegen und das Eintauchen ins Wasser macht einfach Spass», hält er fest. Aber jeder Spass hat auch sein Ende: Exakt um 17 Uhr schliesst der Bademeister den Zugang zum Zehnmeter. Der Sprungturm gehört wieder jenen Kindern, die (noch) nicht von der obersten Plattform hüpfen. Sie sind vielleicht im nächsten oder übernächsten Jahr an der Reihe für die Mutprobe. Oder überhaupt nie im Leben.