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Im Rahmen der Ausstellung 100 Jahre Generalstreik referierte im Museum Grenchen eine Historikerin zum Frauenstimmrecht in der Schweiz. Kaum jemand hat das interessiert.
Viel mussten sich die Frauen einfallen lassen, um die Männerbastion «Stimmrecht» zu stürmen. Elisabeth Joris, Historikerin und Frauenrechtlerin, führte in ihrem Vortrag im Kultur-Historischen Museum durch die politischen Stationen seit dem Generalstreik 1918.
Leidenschaftlich engagiert präsentierte die Referentin wie in einem Krimi den Kampfgeist und die Kreativität der Frauen sowie die Absurditäten, aus heutiger Sicht gesehen, mit denen die Männer dagegenhielten. So gut kennt Joris die Materie, dass sie Namen, Zahlen und Zusammenhänge aus dem Gedächtnis präsentieren konnte. Ob wohl die Grenchnerinnen und Grenchner auch meinen zum Frauenstimmrecht alles zu wissen? Ausser dem Museumsteam gab es nämlich nur zwei Zuhörer.
Bis zum Ende der Sechzigerjahre schien den Frauen das Stimmrecht nie mehr so nahe wie 1918, als das Oltener Aktionskomitee es am Generalstreik postulierte und als die meisten umliegenden Staaten es einführten. «Nicht die Siegermächte, bei ihnen dauerte es bis zum Zweiten Weltkrieg», warf Elisabeth Joris ein Schlaglicht auf den Unterschied zwischen Besiegten und Siegern.
Auf der Leinwand zogen die Saffa-Schnecke der Frauenarbeitsausstellung von 1928 vorbei und die grosse Petition 1929, die ohne parlamentarische Behandlung schubladisiert wurde. 1944 gingen sogar die bis dahin ablehnend gesinnten katholischen Frauen auf die Barrikaden, als eine Rede des Papstes zugunsten des Frauenstimmrechts in der Schweizer Kirchenpresse unterdrückt werden sollte.
Frauen – und Männer, wie zum Beispiel der Walliser Peter von Roten – schöpften alle Mittel aus, die ihnen zur Verfügung standen. Sozialdemokratische, wie auch bürgerliche Frauenvertreterinnen schrieben sich die Finger wund, appellierten mit Telegrammen an die Regierung und gelangten ans Bundesgericht. Einige «freche» Gemeinden, weltbekannt wurde 1957 damit Unterbäch im Wallis, versuchten die Einführung auf eigene Faust. Vergeblich. Selbst die nationale Abstimmung 1959 habe man nur angesetzt, um das lästige Anliegen endgültig zu bodigen, so Elisabeth Joris.
Dann kamen die Jugendunruhen 1968, von denen auch Schweizer Städte ergriffen wurden. Auf einmal gingen die gesellschaftlichen Forderungen viel weiter. Gemessen am Kampfruf nach freier Liebe und dem Umsturz des Staates erkannte die Mehrheit das fehlende Frauenstimmrecht als Anachronismus. Im Februar 1971 sagten zwei Drittel der Schweizer Männer Ja dazu.
Wie es zu diesem Anachronismus kommen konnte, erklärte Elisabeth Joris unter anderem mit «ganz schwacher Menschenrechtspolitik» und einer beliebten Argumentation der Männer: Wehrdienst begründet Stimmrecht. Als die Idee aufkam, die Frauen per «Frauenspende» zur Kasse zu bitten und später, sie in einen obligatorischen Zivildienst einzugliedern, wehrten sie sich energisch. Ihre Argumentation, ebenfalls ein Leitmotiv in der Diskussion um das Frauenstimmrecht: keine Pflichten ohne Rechte.