Grenchen
Über 16 Millionen Franken: Velodrome Suisse wird teurer als erwartet

Das Projekt Velodrome Suisse ist auf gutem Weg, doch kommt einiges anders, als es ursprünglich angekündigt war. Kommunikationschefin Michèle Tanner und Projektleiter Zbingen im Interview.

Patrick Furrer
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Michele Tanner und Beat Zbinden im Gespräch.

Michele Tanner und Beat Zbinden im Gespräch.

Hanspeter Bärtschi

Im Frühling 2013 soll das Velodrome Suisse - Radsport-Kompetenzzentrum, Multifunktionshalle und Wirtschaftstreffpunkt - eröffnet werden. Das Projekt unter der Schirmherrschaft von Unternehmer Andy Rihs ist eine enorme Chance für Grenchen, aber auch mit Risiken verbunden. Kritik gab es immer, aber auch mit Versprechen seitens der Projektanten wurde nicht gespart. Ein paar Dinge kommen nun anders, als man erwartet hätte. Darüber, wie die Realisation vorankommt, geben die neue Kommunikationschefin Michèle Tanner und Projektleiter Beat Zbinden Auskunft.

Michèle Tanner, gemeinsam mit Peter Wirz haben sie am 1. September die Betriebsleitung übernommen. Hand aufs Herz. Die jährlichen Betriebskosten des Velodromes sollen dereinst 1,2 Millionen Franken betragen. Sorgen Sie sich nicht?

Michèle Tanner: Einfach wird es nicht, jedes Jahr so viel Geld zu erwirtschaften, aber es ist möglich. Betriebsleiter Peter Wirz arbeitet derzeit am detaillierten Budget, und dabei gehen wir vom Worst Case aus. Wir rechnen mit den schlechtesten Zahlen, damit wir später keine bösen Überraschungen erleben.

Gute Ideen kosten gutes Geld. Das ist auch bei der Projektrealisierung schon so. Beat Zbinden, wo steht das Projekt momentan?

Beat Zbinden: Vom Zeitplan her werden wir eine Punktlandung schaffen. Aufgrund der schwierigen Bodengrundverhältnisse, welche sich erst nach dem geologischen Gutachten offenbart haben, mussten wir pfählen, was uns Zeit gekostet hat. Das wird jetzt mit Überstunden und Samstagsarbeit wieder wettgemacht. Wir planen, im Mai 2013 zu eröffnen. Der Stiftungsrat musste aber aufgrund der Arbeitszeitenerweiterung mehr Geld sprechen.

Das Velodrome wird also teurer? Werden die 15 Millionen, die Andy Rihs immer als maximales Kostendach beworben hat, überschritten?

Ja, wir rechnen heute mit Gesamtkosten von 16,7 Millionen Franken statt 15 Millionen. Schuld sind eben zum einen die kostspielige Pfählung des Bauuntergrundes und die notwendigen Kanalisationsarbeiten, zum anderen die Arbeitszeitenerweiterung. Auch im Bereich der Gastronomie mussten wir umdenken.

Will heissen?

Wir hatten mit interessierten Gastronomen darüber verhandelt, wer den Innenausbau zahlen soll. Die Stiftung wollte das den zukünftigen Mietern überlassen, denen fehlt aber das nötige Kapital. Daher wurde beschlossen, dass das Velodrome Suisse den Ausbau von Hotel und Restaurant übernimmt und die Kosten über die Miete wieder amortisiert. Der Ausbau kostet allerdings 1 Million Franken.

Muss man Kredite aufnehmen?

Wir setzen alles daran, dass es nicht so weit kommt. Deshalb arbeiten wir auf Hochtouren, um weitere Sponsoren- und Gönnergelder zu generieren. Immerhin haben wir hochgerechnet rund 13,4 Millionen Franken zugesichert. Wir sollten es ohne Aufnahme von Fremdkapital schaffen.

Noch sind nicht alle Verträge unter Dach und Fach. Konnten Sie sich mit den Verantwortlichen der Mittelländer Ausstellung mia einigen?

Wir sind uns verhandlungseinig, und die mia findet 2013 mit Sicherheit im und ums Velodrome statt. In diesen Tagen erwarten wir die Antwort der Messeorganisatoren. Ebenso sollten wir in absehbarer Zeit kommunizieren können, wer den Hotel- und Gastronomiebereich übernimmt.

Ein Kritikpunkt bei der mia, aber auch bei den Sportvereinen, sind die zu hohen Hallenmietpreise. Die haben «Züri-Niveau».

Michèle Tanner

Michèle Tanner (Jg. 1982) aus Bolligen ist Kommunikationschefin und stv. Betriebsleiterin des Velodrome Suisse. Nach ihrem Master-Abschluss in Betriebswirtschaft ist sie beim Radhersteller BMC in Grenchen ins Marketing eingestiegen, wo sie unter anderem Projekte umsetzte, die PR-Arbeit und die internationalen Medienplanungen übernahm. Privat ist sie ledig, Triathletin und verfügt über ein grosses internationales Netzwerk. (fup)

Michèle Tanner: Wir haben moderate, anständige Preise. Und was die Sportverein anbelangt: Ich verstehe, dass für einen Verein auch kleine Beträge nicht einfach aufzutreiben sind. Wir sind aber ein privatwirtschaftliches Unternehmen und können keine Geschenke machen.

Das tönt anders als vor einem Jahr, als man nach den 2 Millionen Franken aus der Stadtkasse griff. Die Stiftung versprach, man könne eine für alle gute Lösung finden.

Beat Zbinden: Das hat die Stiftung Velodrome Suisse so bestimmt nicht offiziell gesagt.

Es kam aber so rüber. Und wenn es nicht die Stiftung als Ganzes war, dann waren es eben einzelne Mitglieder, die das gesagt haben.

Das mag sein, dann muss man das aber mit denen klären. Ich weiss nur, dass Gespräche zwischen der Stadt und den Vereinen stattgefunden haben, und die Stadt den Vereinen unter die Arme greifen sollte. Die Antwort der Behörden an die Vereine steht aber noch aus.

Klingt dennoch so, als hätte man im Vorfeld zu viel versprochen...

Wir haben nie Gratistrainingsmöglichkeiten versprochen, haben aber unsere Preise bereits angepasst und sind bei den Vereinen auf Verständnis gestossen. Weiter führende Hilfe muss von der Stadt kommen.

Auch vom Bund gibt es Geld. Welche Auswirkungen hat das auf das Projekt? Gibt es Auflagen?

Fast alle grösseren Geldbeträge sind mit Auflagen versehen. Eine der wichtigsten Vorgaben, die die Grenchner interessieren dürften, ist, dass wir zusätzlich noch eine BMX-Strecke in der Nähe des Velodromes realisieren werden. Wo kann ich noch nicht sagen.

Das kantonale Lehrlingsturnen soll künftig im Velodrome stattfindeen, zumindest dürfte der Kantonsrat dem noch zustimmen. Was gibt es sonst Neues zu berichten?

Michèle Tanner: Besonders freue ich mich, dass wir es geschafft haben, Grenchen als Etappenort der Tour de Romandie 2013 zu positionieren. Ein Organisationskomitee wird einen Event organisieren, der hoffentlich zum kleinen Volksfest wird. Das wird Ende April, kurz vor der offiziellen Eröffnung des Velodromes, sein.

Beat Zbinden: Wegweisend ist, dass wir im Januar 2014 in Grenchen ein Sechstagerennen veranstalten werden - als Ergänzung zu den Six-Days in Zürich-Oerlikon. Es gibt Potenzial, hier erfolgreich ein zweites Six-Day-Rennen durchführen zu können.

Neben dem Velodrome steht das Fussballstadion Brühl. Hier war die Rede davon, ein 10 Meter langes, überlappendes Dach zu bauen, damit der FC eine gedeckte Tribüne hat. Was ist daraus geworden?

Beat Zbinden

Der Zürcher Unternehmensberater Beat Zbinden (Jg. 1952) ist Projektleiter des Velodrome Suisse und Verwaltungsratspräsident der Betreibergesellschaft Velodrome Suisse AG. Als seit 2011 selbstständiger Firmenberater hat er über 30 Jahre Erfahrung mit Führungsaufgaben in verschiedenen KMU, davon 14 Jahre als CEO der Sihldruck AG Zürich. Beat Zbinden ist verheiratet und ausserdem selbst begeisterter Radfahrer. (fup)

Das Velodrome ist für Grenchen ein Jahrhundertprojekt. Worauf freuen Sie sich am meisten?

Beat Zbinden: Ich freue mich vor allem darauf, nach Vollendung des Projekts meine Aufgaben in geordnetem Zustand an die Velodrome Suisse AG abgeben zu können. Es war eine lange und fordernde Zeit. Und ich nehme es für mich in Anspruch, der erste zu sein, der auf der neuen Bahn seine Runden dreht.

Michèle Tanner: Meine Vorfreude gilt klar der Eröffnung. Die Halle wird leben - ob Katzenausstellung, mia-Messe, Bank-Generalversammlung, Handballmatch oder internationale Velo- rennen - Hauptsache, es geht etwas.

Beat Zbinden: Es ist unsere Vision, dass sich das Velodrome in fünf Jahren als Radsportzentrum etabliert hat. Es wird sich aber auch auszeichnen als Austragungsort für kleinere und mittlere Events. Es wird ganz klar ein Bedürfnis geben, nach einem Veranstaltungsort für Anlässe mit 2000 bis 4000 Gästen. Das Bedürfnis spüren wir jetzt schon.