Flughafen Grenchen
«Tunnel wäre unverhältnissmässig»: Kanton sieht kaum Risiken für Autofahrer

Wie hoch ist das Unfallrisiko für die Verkehrsteilnehmer auf der Archstrasse neben dem Grenchner Flughafen? Die Risikoanlayse des Kantons meint «vernachlässigbar». Eine Untertunnelung wird wegen der hohen Kosten deshalb als unverhältnismässig angesehen.

Andreas Toggweiler
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Für den Kanton wäre eine Untertunnelung des Autobahnzubringers nicht verhältnismässig. (Archiv)

Für den Kanton wäre eine Untertunnelung des Autobahnzubringers nicht verhältnismässig. (Archiv)

Hanspeter Bärtschi

Das westliche Pistenende des Flughafens wird in nur wenigen Meter Entfernung von der Kantonsstrasse gequert. «Wie hoch ist das Unfallrisiko für die Verkehrsteilnehmer aufgrund des Flugbetriebes?» Diese Frage liess der Kanton klären. «Vernachlässigbar», lautet die Antwort in der Risikoanalyse. Eine Untertunnelung der Strasse zwecks Risiko-Minimierung wäre wegen der hohen Kosten deshalb unverhältnismässig.

Ein vom Kantonsrat überwiesener Vorstoss von Peter Brotschi (CVP, Grenchen) verlangte, Abklärungen zur Verbesserung der Sicherheit und Verkehrssituation auf der Archstrasse. Insbesondere sollte eine Tieferlegung der Strasse im Bereich der Anflug- und Abflugachse des Flughafens, also eine Untertunnelung, geprüft werden.

Verkehrszahlen

Die Archstrasse wird jährlich von rund 51 000 Flugzeugen überflogen. Dies entspricht werktags im Winter zirka 120 und im Sommer rund 190 Überflügen pro Tag. Aufgrund der Lage der Pisten besteht die Möglichkeit, dass ein Flugzeug mit Fahrzeugen auf der Archstrasse kollidiert. Dies entweder wegen eines zu tiefen Landeanflugs von Westen oder eines Überrollens der Pisten aus Richtung Osten. Die Archstrasse weist im Bereich des Regionalflughafens Grenchen ein durchschnittliches tägliches Verkehrsaufkommen von 21 500 Fahrzeugen auf. Während der Hauptverkehrszeiten fliesst der Verkehr nur stockend und es kommt regelmässig zu Staus.

Mit einer Untertunnelung sollten allfällige Risiken, welche durch den Flugbetrieb für die Strassenverkehrsteilnehmer entstehen, reduziert werden. Immerhin haben die Blaulichtorganisationen schon vor einigen Jahren den Ernstfall geprobt, wenn beispielsweise ein startendes Flugzeug nicht früh genug Höhe gewinnt und – schlimmstenfalls – mit einem Bus kollidiert (vgl. Kasten).

«Unfallrisiko gering – Investitionskosten enorm»

Der Kanton hat auf Brotschis Vorstoss hin ein im Bereich des Risikomanagements spezialisiertes Ingenieurbüro mit einer Risikoanalyse beauftragt. Dieses sollte die Zweck- und Verhältnismässigkeit einer Untertunnelung prüfen. «Die Analyse kommt zum Schluss, dass das Risiko für die Verkehrsteilnehmer auf der Archstrasse, welches sich aus dem Flugbetrieb ergibt, bereits heute deutlich unter den einzuhaltenden Schwellenwerten liegt», teilte der Kanton jetzt mit.

Demgegenüber würden für eine Untertunnelung Investitionskosten in der Höhe von zirka 76 Millionen Franken stehen. «Diese Kosten – alleine zur Reduktion eines sehr kleinen Risikos – wären somit unverhältnismässig hoch. Umso mehr da der Regionalflughafen Grenchen sämtliche Sicherheitsvorgaben bereits heute erfüllt», schreibt der Kanton. Die Nähe einer öffentlichen Strasse zu einem Flugplatz respektive Flughafen sei im Übrigen nicht ungewöhnlich und komme in der Praxis häufig vor.

Eine Naturgefahr?

Nach welchen Kriterien wurde dieser Schwellenwert ermittelt? Und warum kostet ein Tunnel von einigen hundert Meter Länge so viel? Markus Spring, Leiter Spezialprojekt im kantonalen Amt für Tiefbau, präzisiert, die Untersuchung benutze als Grundlage das Risikokonzept «Naturgefahren auf Nationalstrassen». Der Schwellenwert liege bei einem Risiko von 1:100 000 für den Verlust eines Menschenlebens pro Jahr. Grundsätzlich sei bei der Pistenquerung eine ähnliche Fremdeinwirkung gegeben wie bei abschätzbaren Risiken durch Felsstürze oder Ähnliches, begründet Spring die Verwendung dieser Grundlagen. Andere anwendbare Kriterien existierten gar nicht.

«Bei der Situation am Flughafen Grenchen beträgt dieses Risiko laut der Studie 1:480 000. Es ist also fast fünfmal kleiner als der Grenzwert», so Spring.

Die hohen Tunnelkosten habe man nochmals plausibilisiert. Sie werden vor allem in der nötigen Grundwasserabsenkung, wie sie bereits beim Wititunnel angewandt wurde, begründet. Eine Solche sei nötig, weil das betroffene Gebiet mit Schadstoffen (CKW, Kohlenwasserstoffe) belastet sei. Bereits als die Pistenverlängerung nach Westen diskutiert wurde, war man auf einen Betrag in dieser Grössenordnung gekommen.

Spuren für Rechtsabbieger

Dennoch kündigt der Kanton Massnahmen an, um die Verkehrssituation, insbesondere wegen Staus, auf der Archstrasse und bei der Autobahnausfahrt zu entschärfen. «Für die Verbesserung der allgemeinen Verkehrssituation auf der Archstrasse sowie im Bereich des Autobahnanschlusses Grenchen in unmittelbarer Nähe wurde zusätzlich eine Verkehrsanalyse durchgeführt», so der Kanton in der Mitteilung weiter. Dabei steht die Verflüssigung des Verkehrs im Zentrum.

«Wir prüfen etwa, ob man beim Breitling-Kreisel Richtung Flughafenstrasse und bei der Autobahnausfahrt von Richtung Solothurn eine zusätzliche Spur für Rechtsabbieger einführen könnte», erklärt Spring. Die Lösungsansätze zur Reduktion der bestehenden Stausituation wurden auch dem für den Autobahnanschluss zuständigen Bundesamt für Strassen (Astra) zur Stellungnahme eingereicht. Eine entsprechende Antwort steht laut Angaben des Kantons noch aus. Dem Stau in der Gegenrichtung am Abend wäre mit diesen Massnahmen aber nicht beizukommen.

Die Flugzeuge fliegen nicht weit über die Strasse.

Die Flugzeuge fliegen nicht weit über die Strasse.

Felix Gerber