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Der Gemeinderat Bettlach hat am Dienstag beschlossen, die Einsprache der Einwohnergemeinde gegen das Projekt Windkraft der SWG Grenchen auf dem Grenchenberg zurückzuziehen. Ein Experte zeigte auf, dass das Bettlacher Trinkwasser nicht gefährdet ist.
Am 4. November 2014 hatte der Gemeinderat beschlossen, gegen das Projekt des Grenchner Energieversorgers SWG, auf dem Grenchenberg einen Windpark zu errichten, Einsprache einzureichen. Die Begründung: Man befürchtete, dass im Laufe der Bauarbeiten auf dem Berg die Quellen der Bettlacher Trinkwasserversorgung verschmutzt werden oder sogar versiegen könnten (wir berichteten). Allen voran war FDP-Gemeinderat Aquil Briggen der Meinung, dass durch die Einspritzung von Beton in das fragile Karstsystem auf dem Berg Kanäle verstopft und sogenanntes «Betonwasser» bis in die Quellen Bettlachs gelangen könnten. Nun lag die Antwort der Gegenpartei vor und der Gemeinderat musste entscheiden, ob er an der Einsprache festhalten will oder nicht.
Gemeindepräsidentin Barbara Leibundgut liess einen Experten kommen, der die Verhältnisse auf dem Berg, die Geologie und die unterirdischen Wasserläufe bestens kennt: Der Bettlacher Pieter Ouwehand, Geologe bei der Wanner AG Solothurn, der auch im Rahmen der Vorabklärungen für die SWG tätig gewesen war – den Umstand, gerade diesen Experten einzuladen, bezeichnete SVP-Gemeinderat Leonz Walker denn auch als fragwürdig.
Der Experte zeigte sich durch diese Unterstellung einer Befangenheit unbeeindruckt und erklärte anhand diverser Abbildungen, um welche Gesteinsformationen es sich im fraglichen Gebiet handelt und inwieweit sie zusammenhängen. Laut seiner Expertenmeinung und den Ergebnissen diverser Studien – Wasseruntersuchungen und Färbversuche - sei eindeutig, dass kein Zusammenhang und keine unterirdische Verbindung zwischen den Bauplätzen auf dem Berg und den Quellfassungen auf Bettlacher Boden bestehe. Die Geologie des Grenchenbergs sei eine völlig andere als die im Bereich der Bettlacher Quellen, die aus ihrer jeweiligen unmittelbaren Umgebung gespeist würden.
Der Grenchenberg besteht aus verkarstungsfähigem Kalkfelsen, also Gestein mit Spalten, Höhlen und Rissen, durch die das Wasser nach unten fliesst. Die Bettlacher Quellen hingegen liegen auf Abbruchmaterial, lockerem Felsgestein Geröll, das oberhalb des Grundwasserspiegels im Grenchenberg liegt. Und selbst in einem sehr unwahrscheinlichen Fall, dass doch verschmutztes Wasser in Richtung Bettlacher Quellen fliessen würde, müsste es mehr als einen Kilometer unterirdisch durch Kies und Geröll fliessen. Schon nach rund 150 Metern sei aber Betonwasser auf natürliche Weise komplett gereinigt, meinte der Experte.
«Geht Bettlach nichts an»
CVP-Gemeinderat Enrico Sansoni brachte es schliesslich auf den Punkt: Bettlach mache hier eine Einsprache gegen etwas, das Bettlach eigentlich nichts angehe. Vielmehr müssten die Grenchner sensibilisiert werden, die ihr Wasser aus Quellen beziehen, die direkt mit den zukünftigen Bauplätzen auf dem Berg verbunden seien. Ein Weiterzug der Einsprache münde nur in Juristerei, die die Gemeinde viel koste. SVP-Gemeinderat Patrick Gfeller – er ist neu im Vorstand des Gegnerkomitees Pro Grenchen – wies darauf hin, dass die Errichtung der Windräder bis zu 180 Meter tiefe Pfählungen erfordere, was vom Experten aber vehement verneint wurde: Es gebe an fünf der sechs Standorte ein Massenfundament von etwa drei bis vier Meter Tiefe ohne Pfählungen. Am sechsten Standort seien eventuell einige Kurznägel in den Fels nötig, aber 100 oder gar 180 Meter tiefe Verankerungen seien nicht vorgesehen.
Nach einem Ausflug in nationale Energiepolitik und einer eher heftigen Grundsatzdiskussion über die Position der SVP in Sachen Energiepolitik zwischen Heinz Randegger von der FDP und Leonz Walker von der SVP, betonte Aquil Briggen, dass die Einsprache die letzte und einzige Möglichkeit sei, bei diesem Vorhaben mitreden zu können. Zumal die Möglichkeit, die Einsprache nachträglich zu erweitern, wohl nicht existiert. Walker indes meinte, Grenchen sei ideologisch von links verblendet. Mit einer Investition der 36 Millionen Franken in Gebäuden in der Stadt würde man laut Walker in puncto Energieeffizienz viermal mehr erreichen. Er sei grundsätzlich nicht gegen Windkraft, jeder solle machen, was er wolle, aber er sei gegen die Wettbewerbsverzerrung, weil Windkraft nur aufgrund der kostendeckenden Einspeisevergütung wirtschaftlich rentiere. Mathias Stricker von der SP entgegnete, dass bei Atomkraft auch nie alle Gestehungskosten gerechnet würden und es sonst auch ganz anders aussehen würde. Windkraft sei sinnvoll, ein Schritt in die richtige Richtung und darum plädiere die SP für einen Rückzug der Einsprache.
Ein Antrag Briggens, die Einwohnergemeinde solle dem Gegnerkomitee Pro Grenchen beitreten, wurde mit 8 zu 2 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Der Gemeinderat beschloss schliesslich überraschend deutlich mit 10 zu 1 Stimmen, die Einsprache zurückzuziehen.