Grenchen
Tiere sind immer am kürzeren Hebel

Das Tierheim Aarebrüggli hat im letzten Jahr vergrössert - auf Rosen gebettet sind die Betreiber aber trotzdem nicht.

Oliver Menge
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Ivan Schmid, Geschäftsführer des Aarebrüggli, auf Tuchfühlung mit einem seiner Feriengäste. om

Ivan Schmid, Geschäftsführer des Aarebrüggli, auf Tuchfühlung mit einem seiner Feriengäste. om

Solothurner Zeitung

Das Aarebrüggli Grenchen hat ein bewegtes Jahr hinter sich. Zum einen hat die Familie Schmid, die das Tierheim betreibt, einige Vergrösserungen vorgenommen, um mehr Tiere aufnehmen zu können und mit Ferienplätzen die finanzielle Situation zu verbessern. Zum anderen hat die Zahl der abgegebenen und ausgesetzten Tiere zugenommen. Die Wirtschaftskrise habe man deutlich verspürt, sagt Ivan Schmid, Geschäftsführer des Tierheims.

Viele Halter hätten das Geld nicht mehr, um ihre Katzen kastrieren zu lassen und so seien viele Ungewollte geboren worden. Das letzte Jahr sei ein wahres Katzenjahr gewesen. 2010 seien rund 80 junge Büsi ins Aarebrüggli gebracht worden, die meisten im Juli und August. Alleine die Kosten für Tierarzt und Medikamente seien auf das Dreifache angestiegen, sagt Schmid.

Ein Teil der Kosten werde nebst den Feriengästen durch die Neuplatzierung von Tieren gedeckt. «Wir geben keine Tiere gratis ab, die neuen Besitzer müssen für ein Büsi etwa 200 Franken bezahlen, für einen Hund etwa 400 Franken. Damit erreichen wir einerseits, dass unsere Unkosten einigermassen gedeckt sind und andererseits, dass sich die neuen Besitzer auch darüber klar werden, dass sie etwas Wertvolles anschaffen.»

Ein Tier zu platzieren kostet

Aber auch ein Tier zur Platzierung zu bringen, kostet den Besitzer etwas. «Die Geschichten, die wir von Leuten zu hören bekommen, sind oft abenteuerlich.» Die Gründe, weshalb sie ihre Haustiere nicht behalten könnten, seien vielfältig: Allergien, die plötzlich auftreten, Vermieter, die keine Haustiere dulden und Ähnliches. Immer öfter würden auch Scheidungen als Grund angegeben, die Leute können sich nicht entscheiden, wer für das oder die Tiere zukünftig verantwortlich sein soll.

In der Regel seien es aber die sozialen Umstände, die es den Haltern schwer mache, sich um ein Tier zu kümmern. «Die richtige Haltung eines Haustiers ist teuer. Viele Leute können sich das nicht mehr leisten, oder das soziale Umfeld stimmt auch sonst nicht.»

Schmid erzählt die Geschichte einer englischen Bulldogge, die Ende September letzten Jahres ins Aarebrüggli gebracht wurde. Die Besitzerin hatte den Hund mit der Begründung abgegeben, sie plane umzuziehen und wolle ihn für eine kurze Zeit in Obhut geben. Allerdings kam sie nicht zurück, um den Hund abzuholen und die Rechnung zu begleichen. Schmid stellte fest, dass die Registration des Hundes auf eine andere Person ausgestellt war, nämlich auf den Ex-Partner der Frau. Dieser Mann wollte mit dem Hund aber nichts zu tun haben. Er sei eben aus der U-Haft entlassen worden und habe kein Interesse an dem Tier, das gehöre ohnehin seiner Exfrau, lautete die Begründung.

Besagte Frau war lange unauffindbar und die zuständige Stelle beim Kanton konnte und wollte auch keine Unterstützung bieten, sagt Schmid. Den Hund konnte das Aarebrüggli auch nicht neu platzieren, denn nach schweizerischer und kantonaler Gesetzgebung gehören Haustiere dem Halter. Und ohne eine Verzichtserklärung oder einem Gerichtsentscheid darf man ein Tier nicht einem neuen Halter geben.

Die Frau sei dann irgendwann wieder aufgetaucht, habe behauptet, die Leute vom Aarebrüggli hätten den Hund schlecht behandelt und sie habe den Hund ursprünglich mit der Absicht hierher gebracht, ihn fremdzuplatzieren. Die aufgelaufenen Kosten werde sie natürlich übernehmen und abstottern. Allerdings sei bis jetzt noch kein Franken beglichen worden, sagt Schmid.

Der Kanton sei in solchen Fällen nicht besonders hilfreich. «Es wäre nur recht, dass der Kanton eine technische und auch finanzielle Unterstützung bieten würde, denn so ein Tier kostet uns ziemlich viel Geld.»

Verantwortung wird abgeschoben

Oft gebe es Leute, die behaupteten, die Katze sei ihnen zugelaufen, wenn sie im Aarebrüggli auftauchen. Auf die Frage, ob sie denn kastriert sei, wüssten sie dann plötzlich die Antwort und verrieten sich selber. «Findeltiere kosten eben nichts, aber wenn jemand sein eigenes Tier bei uns abgeben will, dann kostet das zwischen 100 und 200 Franken.» Es habe auch Fälle gegeben, wo Besitzer weggezogen seien und einfach die Tiere zurückgelassen hätten. Fünf Katzen seien so im Aarebrüggli gelandet.

Nicht alle Geschichten enden glücklich. Auf einem Bauernhof in Staad seien letzten Sommer viele Katzen in schlechtem gesundheitlichen Zustand gefunden worden. Die Tiere seien ins Aarebrüggli gebracht worden, und man habe eine medizinische Erstversorgung durchgeführt, da die Tiere weder geimpft noch entwurmt oder kastriert waren.

Die Mehrzahl sei in einem derart schlechten Zustand gewesen, dass sie nicht überlebt hätten. Die anderen habe man nach Impfungen und Kastration wieder auf den Bauernhof gebracht.

Im Aarebrüggli wird mehr Platz benötigt. Im Moment sei man dabei, im obersten Stock drei weitere Katzenzimmer einzurichten und im rückwärtigen Bereich einen Auslauf-balkon zu bauen.