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Die Astrogruppe der Jurasternwarte will die Lichtverschmutzung erstmals aus 36 Kilometern Höhe messen, mit einem Projekt nach wissenschaftlichen Massstäben. Nächstes Jahr soll der Stratosphärenballon «Dark Sky I» die ersten Resultate liefern.
Was tun Astronomen bei schlechtem Wetter? «Irgendwann sind die Teleskope alle geputzt, und da sind wir auf die Idee mit dem Stratosphären-Ballon gekommen», erzählt Sascha Nussbaumer von der Astrogruppe der Jurasternwarte Grenchen (Ajug). So wurde das Projekt «Dark Sky I» im Februar 2013 ins Leben gerufen. Zusammen mit Markus Herrmann und Stefan Mauerhofer, bildet Sascha Nussbaumer den harten Kern, der seither mindestens 500 Stunden in das Vorhaben investiert hat, mit Recherche, Tüfteln und Austausch.
«Wir ergänzen uns gut», sagt Nussbaumer. Er sei gelernter Elektroniker und arbeite als Software-Ingenieur, Mauerhofer habe Software-Ingenieur studiert und Herrmann sei Lehrer und Pilot.
Lichtverschmutzung lasse sich unten oder von oben messen. Von oben seien die Resultate genauer, sogar durch eine Wolkendecke hindurch, erklärt Nussbaumer. «Wir wollen nicht ein Spielzeug in den Himmel schiessen, sondern wir arbeiten nach wissenschaftlichen Massstäben, nach dem Vorbild der Nasa», betont er. Aus diesem Grund führt die Astrogruppe ein Forschungstagebuch, in dem alle Schritte des Projekts dokumentiert werden. Für die Software verwenden die Astronomen eine Open-Source-Lösung, wobei sie sich mit anderen Teams austauschen. Mit diesem Projekt möchte die Astrogruppe auch technisch interessierte Leute in der Region ansprechen und zum Mittüfteln einladen.
Zudem sei die Ajug bei Dark-Sky Switzerland beigetreten, der Fachgruppe gegen Lichtverschmutzung. Die Astronomen haben allen Grund, sich Sorgen zu machen. Die Lichtverschmutzung in der Schweiz habe zwischen 1994 und 2012 von 30 Watt pro Quadratmeter auf fast 80 Watt zugenommen. Verschärft wird das Problem durch die LED-Lampen. Anders als das herkömmliche gelbe Licht, könnten Astronomen das multispektrale LED-Licht beim Fotografieren des Nachthimmels nicht ausfiltern, erläutert Nussbaumer.
Was die Datenbasis angeht, so stützen sich die Tüftler auf die Auswertung amerikanischer Wetterdaten durch den Italiener Astronomen Pierantonio Cinzano. Stratosphärenballone seien recht verbreitet, aber nur für die Forschung bei Tag. «Einen Einsatz in der Nacht hat es, soweit wir wissen, in der Schweiz noch nie gegeben», erklärt Nussbaumer.
Die Unsichtbarkeit des Ballons ist denn auch eine der grossen Herausforderungen für das Team. Eine andere entsteht durch die gesetzlichen Vorgaben. So darf die Last am Ballon, bestehend aus Spezialkamera, Bordcomputer, GPS und Stabilisator höchstens zwei Kilo schwer sein. «Die Module, die wir bauen, sind auf eine Zweiwegkommunikation angelegt. Wir haben stets Zugriff auf die Telemetriedaten», erklärt Stefan Mauerhofer. Das heisst, dass der Ballon von der Bodenstation aus gesteuert werden kann. Zugleich funkt der Computer beim Aufstieg Daten an die Bodenstation, etwa zu Temperatur, Magnetfeld und Beschleunigung (linear und Rotation). Auch einzelne Bilder könnten so übertragen werden. Doch für die Gesamtheit der Bilder sei das Signal zu schwach. «Da müssen wir warten, bis das Gerät zurück auf dem Boden ist.»
Die Rückkehr geschieht an einem kleinen Fallschirm, nachdem der Ballon auf rund 36 Kilometern Höhe geborsten ist. «Auf dem Boden hat ein Stratosphärenballon ungefähr einen Meter Durchmesser», erläutert Sascha Nussbaumer, «auf der Zielhöhe ist er ungefähr so gross wie ein Einfamilienhaus.»
Ein wichtiges Zwischenziel hätten sie letztes Jahr im Sommer erreicht: Den Test des Funksignals zwischen Richtantenne und Bodenstation, erzählt Nussbaumer weiter. Zu diesem Zweck seien sie mit der Richtantenne nach Thun geflogen. Die Idee dahinter: Wenn das Signal die 62,3 Kilometer horizontal schafft, dann klappt auch die Verständigung über 36 Kilometer in die Höhe. «Und es hat geklappt, besser als wir gedacht hatten.»
Abgesehen von der laufenden Programmierung der Software zur automatischen Nachführung der Antenne, ist das nächste Zwischenziel der Stabilisator – eine runde Messingscheibe, die dafür sorgen soll, dass die Kamera scharfe Bilder liefert. «Vielleicht kann uns da das ZeitZentrum helfen», denken die drei Freunde laut: Die Präzisionswerkzeuge der Uhrmacherschule dürften garantieren, dass die kreisförmige Metallscheibe exakt rund wird und beim zweieinhalbstündigen Aufstieg nicht plötzlich eiert.
Läuft alles nach Plan, soll der erste Stratosphärenballon nächstes Jahr aufsteigen.
Weitere Infos: http://www.ajug.ch/projektarbeiten