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Zu steil und zu viel: Ein überparteiliches Postulat will die bestehenden 30er-Zonen überprüfen und sogar wieder aufheben. Besonders die Zonen rund um die Rebgasse, die Kastelsstrasse und die Schöneggstrasse sind den Unterzeichnern ein Dorn im Auge.
Das birgt Diskussionsstoff: Ein neues überparteiliches Postulat fordert die Aufhebung bestehender und den Stopp noch geplanter 30er-Zonen. Flächendeckende Tempo-30-Zonen würden eine falsche Sicherheit fördern, heisst es. Diese seien teilweise unverhältnismässig und durch bauliche Vorrichtungen wie Poller oder Inseln mehr teuer als gewinnbringend. «In Quartieren und an Strassen, wo es wirklich nötig ist, kann man Langsamzonen einführen», sagt Erstunterzeichner Marc Willemin (SVP), «aber nicht einfach flächendeckend und in einem Tempo, wie es bisher der Fall war. Sonst können wir gleich ein T-30-Schild an die Gemeindegrenzen stellen und die Stadt zur konsequenten 30er-Zone machen.» Man sei vom Ausmass der flächendeckenden Einführung überrascht worden.
Stadtbaumeister Claude Barbey sieht das anders: Man habe es mit der Einführung neuer Zonen nicht übertrieben. «Kleine Korrekturen kann man immer machen. Es wäre aber falsch, die Gesamtplanung, welche dem vom Gemeinderat beschlossenen Businessplan entspricht, infrage zu stellen. Grenchen wächst. Jährlich werden in der Stadt 100 neue Fahrzeuge immatrikuliert, und dieser Verkehr muss untergebracht werden.» In Hinblick auf die Förderung des Wohnstandortes brauche es Tempo-30-Zonen. «Es handelt sich um eine sehr kurzsichtige Forderung.»
Gemeinderäte direkt betroffen
Der Vorstoss kommt nicht zufällig gerade jetzt: Der Bereich Schöneggstrasse soll künftig in eine Tempo-30-Zone umfunktioniert werden, wogegen Anwohner Richard Aschberger (Präsident SVP Stadt Grenchen) im Frühling eine Beschwerde eingereicht hat, welche noch hängig ist. Mindestens drei Gemeinderäte, welche ihr Zeichen unter den Postulatstext gesetzt haben, wohnen ebenfalls in Gebieten, wo 30er-Zonen bestehen oder noch eingeführt werden sollen. Erstunterzeichner Marc Willemin: «Ich weiss daher sehr genau, dass es an der Schöneggstrasse keine solche Zone braucht. Es ist nicht wahr, dass die Sicherheit ansonsten nicht gegeben ist. Seit 25 Jahren hat es keinen nennenswerten Unfall gegeben, der durch eine T-30-Zone verhindert worden wäre.» Die SVP war immer skeptisch – schon 2009 stimmte sie dem weiteren Vorgehen nur zähneknirschend zu. 10 Gemeinderäte aller vier Parteien haben das Postulat unterschrieben. Ein paar sollen selber schon in Tempo-30-Zonen gebüsst worden sein, wird gemunkelt.
Sogar Führerscheinentzüge
Obwohl es der Vorstosstext nicht explizit erwähnt, geht es im Konkreten um die Aufhebung der Zonen an der Kastelsstrasse und der Rebgasse, die geplante an der Schöneggstrasse soll verhindert werden. Wie sich zeigt, keine haltlosen Überlegungen: Michael Herzog, Abteilungsleiter Verkehr Stadtpolizei Grenchen, findet es nicht falsch, dass die Politik bestehende Zonen nun überprüfen will. Nachkontrollen der Polizei hätten gezeigt, dass in gewissen Gebieten eine Tempo-30-Zone nicht geeignet ist – und zwar in solchen mit starkem Gefälle, wie Kastelsstrasse, Schöneggstrasse und teilweise Rebgasse. «Wo es steil ist, kann ein Autofahrer eine Tempolimite von 30 Stundenkilometern praktisch nicht einhalten. Da braucht es besser geeignete Lösungen, die man noch definieren müsste», sagt Herzog. So kam es an der Kastelsstrasse und der Rebgasse sogar schon zu Führerscheinentzügen.
Erstunterzeichner Willemin sieht das auch so: «Man darf es nicht übertreiben. Sonst verkommt die 30er-Zone zur Radarfalle.» Deshalb sind Zonen mit starken Steigungen und Gefällen im Vorstoss auch explizit erwähnt. Für Stadtbaumeister Claude Barbey ist dennoch klar: «Trotz allem Verständnis für den Unmut der Betroffenen: Wir dürfen nicht rumdökterlen. Es braucht eine übergeordnete, zusammenhängende Sichtweise zur Unterstützung der Wohnqualität. Alles andere bringt uns nicht weiter.»