Startseite
Solothurn
Grenchen
Seit Wochen wird in der Energiezentrale an der Lindenstrasse mit Heizöl geheizt statt mit Holzschnitzeln. Ist der tiefe Ölpreis der Grund?
Kaum wurde Grenchen als Energiestadt re-zertifiziert, ist aus gut unterrichteter Quelle zu vernehmen, dass seit Wochen in der Energiezentrale an der Lindenstrasse keine Holzschnitzel mehr angeliefert, geschweige denn verwertet wurden. Genau diese Anlage war aber mit ein Grund dafür, dass Grenchen das Label überhaupt erst erhielt, sollten doch städtische Gebäude mit Wärme versorgt werden. Wärme gewonnen aus Holzschnitzeln, geliefert von der Grenchner Bürgergemeinde. Aber diese Wärme wird nun offenbar vorwiegend aus Heizöl gewonnen. Im Obergeschoss der zweistöckigen Anlage wurde bei der Erstellung im Jahr 2012 nebst des Holzofens mit 550 Kilowatt Leistung auch ein Öl- und Gaskessel mit rund 2000 Kilowatt Leistung eingebaut, um kurzzeitige Spitzenbelastungen auffangen zu können. Und offenbar ist momentan nur dieser in Betrieb. Will da jemand auf Kosten des Umweltschutzes Geld sparen, weil Heizöl äusserst günstig ist? (Siehe separater Artikel unten)
Die EBM (Genossenschaft Elektra Birseck) ist ein Schweizer Energieversorgungs-Unternehmen mit Sitz in Münchenstein (BL). 1982 baute sie das erste Blockheizkraftwerk. Sie betreibt aktuell 216 Energiezentralen in der Schweiz, im Elsass und in Süddeutschland, die Nahwärme in Haushalte und öffentliche Gebäude bringen.
Seit mehreren Jahrzehnten ist die EBM auch in den Bereichen Stromerzeugung durch Photovoltaik und Windkraft tätig und betreibt zusammen mit anderen Schweizer Partnern grosse Windparks in Südspanien. (om)
Laut Joachim Krebs, Leiter Unternehmenskommunikation der Elektra Birseck Münchenstein EBM (siehe Infokasten links), welche die Anlage gebaut hat, unterhält, betreibt und mit der Stadt ein Contracting über 20 bis 25 Jahre abgeschlossen hat, ist nichts aussergewöhnlich an der Situation, ausser dem Defekt am Holzkessel. «Solche Anlagen werden in den Sommermonaten immer sukzessive runter- und im Herbst wieder hochgefahren. Ein Defekt am Holzkessel zwang uns einfach dazu, früher als vorgesehen den Betrieb einzustellen, was jedoch ohne Kostenfolge für die angeschlossenen Kunden bleibt.» Die Heizkessel sind mit Schamottsteinen ausgekleidet, die eine Lebensdauer von einigen Jahren haben. Sie dienen als Speicher und sind grossen Temperaturschwankungen unterworfen. Das führt dazu, dass sie nach einer gewissen Zeit kaputtgehen, Risse bekommen, eine völlig normale Sache. «Aber», so Krebs: «In Grenchen ist das früher eingetreten als erwartet. Und das erfordert eine genauere Abklärung des Schadenfalls, auch wegen eventueller Garantieleistungen. Also wurde die ganze Innenverkleidung des Holzkessels entfernt, und die Untersuchungen durch unsere Ingenieure sind noch am Laufen».
Momentan werden die Doppelturn- und Schwimmhalle, die Schulhäuser I bis III, die Liegenschaften des Kindergartens und des Kinderpsychologischen Dienstes sowie das Kultur-Historische Museum zuzüglich einer Privatliegenschaft mit Wärme aus dieser Energiezentrale beliefert. In einer zweiten Bauphase ist geplant, das Schulhaus IV sowie das Parktheater ebenfalls an den Wärmeverbund anzuschliessen. Dazu will man einen zweiten Holzofen mit 900 Kilowatt Leistung einbauen.
«Mit den erneuerbaren Energieträgern erbringt man eine Grundlast, ähnlich wie beim Strom mit der Wasserkraft. Leistungsspitzen werden dann mit Gas oder Öl abgedeckt», erklärt Krebs. Holzöfen eigneten sich aber nicht für einen Dauerbetrieb das ganze Jahr hindurch, denn im Sommer müsse man oft auf einen sogenannten Stop-and-go-Modus switchen, weil nicht ständig Wärme erzeugt werden müsse, und dafür seien die Öl- oder Gasfeuerungen besser geeignet. «Wir haben letztes Jahr in Grenchen den Versuch gemacht, das ganze Jahr mit Holz durchzufahren, und mussten feststellen, dass das nicht wirtschaftlich ist und der Betrieb wesentlich einfacher läuft, wenn man die kurzfristig benötigte Wärme mit dem fossilen Kessel erzeugt.» Aber auch dieser sei nicht auf Dauerbetrieb ausgelegt, präzisiert Krebs.
Entscheidend sei der Wirkungsgrad der verschiedenen Energieträger über längere Sicht, so Krebs. Die Anlage in Grenchen ist darauf ausgelegt, rund 80% ihrer Leistung aus erneuerbaren Energieträgern zu bringen, dies über die Dauer des Contractings. Die restlichen 20% werden eben durch die Gas- oder Ölfeuerung erzeugt. «Mit dem Contracting garantieren wir den Bau, den Betrieb und den Unterhalt der Anlagen. Ist der Ölpreis tief, nehmen wir das gerne mit, unsere Kalkulationen sind aber natürlich auf eine längere Zeitspanne ausgelegt und folglich haben wir auch höhere Erdölpreise eingerechnet.» Auf den Preis für die Wärme, der den Kunden verrechnet werde, habe das keinen Einfluss. Denn dieser ist vertraglich festgelegt und keinen Schwankungen unterworfen.
Vertraglich besteht eine Abnahmepflicht für Schnitzelholz der Bürgergemeinde Grenchen. 80 Prozent des Brennstoffbedarfs werden also mit Holzschnitzeln aus dem einheimischen Wald gedeckt. Im Endausbau werden jährlich rund 4 Millionen Kilowattstunden Wärme benötigt. Dafür müssen rund 5000 Kubikmeter Holzschnitzel bereitgestellt werden.
Beim Beschrieb der Anlage, noch bevor sie gebaut wurde, rechnete man damit, nach dem Endausbau jährlich 400 000 Liter Heizöl einzusparen, rund 1000 Tonnen weniger CO2 auszustossen und so einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz und zu nachhaltiger Energiegewinnung beitragen zu können. Die Heizölpreise sind aktuell tief im Keller. Fachleute sprechen von historischen Tiefstständen: Wer Ende März, Anfang April an der Börse Heizöl handelte, bezahlte zwischen 27 und 31 Franken für 100 Liter, aktuell liegt der Preis bei rund 36 Franken. Zum Vergleich: Mitte März 2012 lag der Preis bei 80 Franken, im Juni 2008 über 105 Franken. Der Preis für Holzschnitzel ist zwar in Jahresfrist ebenfalls gesunken, ist aber über die Jahre gesehen wesentlich weniger volatil als der Preis des Erdöls. (om)