Startseite
Solothurn
Grenchen
Der Verwaltungsrat der Städtischen Werke Grenchen SWG befindet sich im Clinch mit der Grenchner Politik. In den letzten Wochen ist ein Machtkampf entbrannt um das Primat der Politik.
Die Stimmung zwischen dem Grenchner Gemeinderat und der (gemeindeeigenen) Versorgungsfirma SWG ist angespannt. Gemeinderäte hatten bereits anlässlich der Gemeinderatssitzung vom November ihrem Ärger Luft gemacht darüber, dass keine SWG-Verwaltungsräte in den Fraktionen erschienen sind, als es um die Behandlung einer überparteilichen Interpellation zur SWG und ihrer Übernahme der Baufirma Panaiia & Crausaz ging. Die SWG-Vertreter hatten damals angeblich Terminprobleme geltend gemacht.
Doch jetzt zeigt sich: Es steckt mehr dahinter, als nur die Agenda. Denn die Retourkutsche des Gemeinderates kam alsbald, wie Recherchen dieser Zeitung zeigen. Der SWG-Verwaltungsrat hat nämlich die Gemeinderäte darauf zu einer Aussprache an einer gemeinsamen Sitzung am 9. Januar eingeladen. Dieser Einladung leistete der Gemeinderat keine Folge, denn für die Politiker ist klar: Wenn jemand einlädt, dann der Gemeinderat, der die Verwaltungsräte gewählt hat und dem sie auch Rechenschaft schuldig sind.
Mit dieser Gesprächsverweigerung wollte der Gemeinderat ein Zeichen setzen und demonstrieren, wer Herr im Haus ist. «Man muss diesen Herren möglicherweise mal erklären, wer sie eigentlich gewählt hat und dass sie nicht einfach den Gemeinderat zu einem Termin zitieren können», meint stellvertretend Vize-Stadtpräsident Remo Bill (SP). Er werde sich deshalb auch gut überlegen, ob er einer neuerlichen Einladung der SWG Folge leisten will.
Diese nimmt nämlich einen erneuten Anlauf und verschickte mit den Gemeinderatsunterlagen (die Medien wurden mit diesem Papier nicht bedient) eine weitere Einladung zu einem Gespräch. Dieses soll nach der Gemeinderatssitzung vom 26. Februar um 20 Uhr in einem Sitzungszimmer des Velodromes stattfinden.
«Das ist mein Geburtstag und da werde ich sicher nicht teilnehmen», meint Gemeinderat Robert Gerber lakonisch. Auch der FDP-Fraktionschef bringt damit zum Ausdruck, dass er sich nicht von der SWG zitieren lässt. Auch wenn die Einladung diesmal auf dem Briefpapier der Stadt daherkommt.
An der Gemeinderatssitzung vom kommenden Dienstag wird die Antwort des SWG-Verwaltungsrates auf einen Gemeinderatsbeschluss vom 5. Juni behandelt, als der Gemeinderat beschlossen hatte, die (Rück-)Übertragung von SWG Immobilien in das Eigentum der Stadt abklären zu lassen bzw. von Verkaufserlösen aus inzwischen von der SWG verkauften Immobilien (vgl. Kasten). Dies mit dem Ziel, eine einheitliche Immobilienstrategie betreiben zu können. Schon das wurde offenbar von einigen SWG-Verwaltungsräten als Affront empfunden. Warum, darüber lässt sich lediglich mutmassen. SWG-Vizepräsident Silvio Bertini verweist für Auskünfte an SWG-Verwaltungsratspräsident François Scheidegger.
Bei der Verselbstständigung der SWG 1996 übertrug die Stadt Grenchen sämtliche Bilanzwerte entschädigungslos an die SWG. Es wurde auch kein Dotationskapital definiert, das zu verzinsen ist. Die SWG liefert allerdings jährlich 750 000 Fr. Gewinn an die Stadt ab.
Zu den Bilanzwerten gehörten auch 32 Grundstücke, auf denen sich Pumpwerke, Reservoirs oder damals noch die Gaskugel befanden. Vier Grundstücke bzw. Gebäude wurden inzwischen verkauft, vier weitere werden von der SWG als nicht betriebsnotwendig bezeichnet. Die SWG signalisiert, dass sie bereit sei, über die Rückgabe von zwei Grundstücken (Reservoirs Burgweg 5 und Schmelzi) zu diskutieren. Das stillgelegte Unterwerk Brühl (das letztes Jahr von der Triennale genutzt wurde) will sie als strategische Landreserve behalten. Ebenso das Areal Brühl Nord, wo ein Projekt bereits «weit gediehen» sei. Gemeint ist die Ansiedlung des Ausbildungszentrums von Swissmechanic.
Auch dieses Projekt wird im Gemeinderat nicht nur mit Applaus aufgenommen. Dies, weil zwei SWG-Verwaltungsräte in einer Doppelrolle die Strippenzieher des Geschäfts sind: Swissmechanic-Präsident Heinz Müller und Swissmechanic- Geschäftsführer Enzo Armellino. (at.)
Dieser trägt aber als Stadtpräsident bekanntlich zwei Hüte. Auf Anfrage erklärt Scheidegger, dass er schon seit einiger Zeit versuche, dem SWG-Verwaltungsrat klarzumachen, «dass die Politik die erste Geige spielt». Und dass sich die Verwaltungsräte im Klaren sein sollten, wer sie gewählt hat. Auch seien die Verwaltungsratsmitglieder – es sind alles Männer – von den Parteien nominiert worden, ruft Scheidegger in Erinnerung. Bisher seien die lediglich zwei Gemeinderäte im Gremium – Scheidegger selber und Ivo von Büren (SVP) – im neunköpfigen SWG-Verwaltungsrat mit diesem «Sensibilisierungsanliegen» kaum durchgedrungen.
Der SWG-Verwaltungsrat will offenbar auch bei der Bodenstrategie das Heft in der Hand behalten und unterbreitet dem Gemeinderat jetzt einen Vorschlag: Er hat eine vierköpfige «Verhandlungsdelegation» bestimmt und fordert den Gemeinderat auf, dasselbe zu tun. Dies in der offensichtlichen Überzeugung, dass da zwei gleichberechtigte Partner etwas auszuhandeln haben.
Das dürfte beim Gemeinderat jetzt das Fass zum Überlaufen bringen. Für viele Gemeinderäte gebärdet sich der SWG-Verwaltungsrat allzu selbstherrlich. SP-Gemeinderat Remo Bill kündigt jedenfalls an, am Dienstag eine dringliche Motion einzureichen, damit die Politik die Lufthoheit über die SWG wieder erlangen kann.
Das Vorgehen wurde von der SP-Fraktion am Mittwochabend abgesegnet, wie SP-Fraktionschef Alex Kaufmann bestätigt. Kaufmann, der im Gemeinderat bisher stets eine SWG-freundliche Linie verfolgt hat, sieht diesmal auch «Klärungsbedarf». Er warnt aber davor, das Kind mit dem Bad auszuschütten. «Die SWG macht insgesamt einen guten Job und ich habe auch ein gewisses Verständnis dafür, dass der Verwaltungsrat misstrauisch wird, wenn sich der Gemeinderat nach jahrzehntelanger Funkstille nun plötzlich bemüssigt fühlt, der SWG am Zeug herumzuflicken.»
FDP-Fraktionschef Robert Gerber schlägt derweil vor, die SWG ganz zu verselbstständigen, beispielsweise durch die Gründung einer AG. Der Verwaltungsrat könnte dann auch nach fachlichen statt politischen Kriterien bestellt werden und die anstehenden Landgeschäfte könnten mit einem zu gründenden Dotationskapital verrechnet werden.