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Das Instrument der thematischen Stadtführung wurde in Grenchen in letzter Zeit forciert. Thematische Anlässe mit «Action» kommen beim Publikum an.
Im Vergleich zu Solothurn fristen die Stadtführungen in Grenchen nach wie vor ein Schattendasein. Das Wakkerpreis-Jubiläum und das Grenchner Fest brachten aber neue Impulse.
So war letzte Woche eine rund 15-köpfige Gruppe des Bundes Schweizer Architekten (BSA) im Stadtzentrum unterwegs. Die Sektion Bern-Solothurn-Oberwallis Freiburg hielt ihre Mitgliederversammlung in Grenchen ab und kombinierte dies mit einem Augenschein der Nachkriegsarchitektur in Grenchen, welche seit der Verleihung des Wakkerpreises an die Stadt im Jahr 2008 eine gewisse Bekanntheit erlangt hat. (vgl. Kasten)
Der Rundgang des Bundes Schweizer Architekten durch das bauliche Erbe der Stadt Grenchen begann beim Kunsthaus, wo Jürg Stäubli (Solothurn), Architekt der Kunsthaus-Erweiterung vor 10 Jahren seinen markanten Bau erläuterte. Nach der berechtigen Frage der Fachleute, wie eigentlich dieser Platz beim Museum genutzt wird - er wird praktisch nicht genutzt - gings unter der Führung von Daniele di Giacinto vom Bieler Büros mlzd weiter über das Hôtel de Ville, die ehemalige Certina/Kurth Frères, das ehemalige Kaufhaus an der Bielstrasse 1 und das Postgebäude zum Luterbacherhof am Marktplatz, ein typisches Wohn- und Geschäftshaus der 1950er-Jahre von Albert Straumann. Am Marktplatz erläuterte dessen Architekt Jürg Barth zusammen mit dem damaligen Stadtbaumeister Claude Barbey die radikale Umgestaltung der Innenstadt mit dem grossen Platz und dem Stadtdach. Zuletzt besuchten die Architekten das Parktheater von Ernst Gisel aus dem Jahr 1955. Schon das erste grösseren Werk des damals jungen Zürcher Architekten hat nationale Berühmtheit erlangt und steht heute unter Denkmalschutz. Vom 20. Oktober bis 2. November wird dort eine Ausstellung stattfinden, welche dem Werk des bedeutenden Schweizer Nachkriegsarchitekten gewidmet ist. (at.)
Doch auch Grenchen Tourismus oder das Kultur-Historische Museum und zuletzt auch das Standortmarketing-Projekt «Jurasonnenseite» haben das Instrument der thematischen Stadtführung in letzter Zeit forciert und damit auch Erfolge erzielt. So waren beispielsweise die Stadtführungen während des Grenchner Festes sehr gut besucht, wie Museumsleiterin Angela Kummer bestätigt. «Wir möchten den Leuten auch ausserhalb der Museumsmauern etwas bieten und da eignet sich die Stadtführung sehr gut», meint sie. Es könne damit auch eine gewisse Schwellenangst überwunden werden.
Als speziell erfolgreich bezeichnet sie die Führungen, welche auch etwas «Action» beinhalten. Dies leistet meistens eine Schauspielerin oder ein Schauspieler, welche in die Rolle einer für das entsprechende Thema relevante Person schlüpft. So zum Beispiel in diejenige einer Hausfrau in den 1950er-Jahren.
Aus historischer Sicht ist 2018 für Grenchen ein ergiebiges Jahr, gedenkt man doch des Generalstreiks vor 100 Jahren, der in Grenchen eskalierte und drei Todesopfer forderte. Schon seit einiger Zeit ist auf dem Zytplatz eine Gedenktafel in den Boden eingelassen. Thematische Stadtführungen führen zu den Orten des Geschehens in der Stadt. Auch hier sind im November, dem Monat des Ereignisses, noch zwei szenische Führungen anberaumt.
Dieses Jahr habe man bereits 35 solche bestellte Führungen zusammen mit Grenchen Tourismus organisiert, erklärt Angela Kummer weiter. Man kann dafür auf eine Handvoll Stadtführerinnen- und -führer zurückgreifen, für welche auch bebilderte Dokumentationen zur Verfügung stehen.
Natürlich könne man nicht mit Tourismusmagneten wie Solothurn konkurrieren, wo jährlich weit über 1000 Führungen organisiert werden. «Dafür können wir für fast alle Bedürfnisse massgeschneiderte Lösungen anbieten, meint Kummer.
Auch Wirtschaftsförderin Karin Heimann hat dieses Jahr zusammen mit Christoph Siegrist von Grenchen Tourismus erstmals im Rahmen des Standortmarketingprojekts «Jurasonnenseite» thematische Stadtführungen angeboten. «Das Interesse war je nach Thema unterschiedlich», erklärt Heimann. So umfasste die Gruppe auf den Spuren der Uhrenindustrie 26 Personen und auch die Tour auf die Grenchenberge war gut besucht, während das Interesse an der «Sportstadt» offenbar nicht vorhanden war.
«Wir müssen diesbezüglich noch Wege finden, die Arbeitspendler anzusprechen, welche sich beispielsweise über Mittag sportlich betätigen möchten», meint die Wirtschaftsförderin, welche kurz vor Ende der Saison eine insgesamt positive Bilanz des neuen Angebots zieht. Man werde nächste Woche zusammensitzen und über das kommende Jahr diskutieren, wie es weitergehen soll und unter welcher Trägerschaft und Finanzierung. Die Führungen waren bis jetzt nämlich gratis. Am 20. Oktober gibts noch einen letzten Anlass mit der Schauspielerin Sandra Sieber, welch dem Publikum die Kulturstadt Grenchen zeigt.
Manchmal zeitigen die Stadtführungen auch ganz unerwartete Folgen. So habe sich aus der ersten Führung zum Thema Einkaufen in Grenchen eine «Ladies Night» im Restaurant Grenchner Hof entwickelt, wo sich seither eine Gruppe Frauen regelmässig zur Weindegustation trifft.