Terrassen öffnen wieder, obwohl die Pandemie noch lange nicht beseitigt ist. Blumen blühen, obwohl es noch schneit: Es herrschen paradoxe Zustände in Grenchen und in der Schweiz.
Die Angestellten des Kafi Bambi bauen bereits die Trennwände ihrer Terrasse wieder auf. Bei der Baracoa Bar steht die hölzerne, massive Bar auf der Strasse, die Whisky, Rum und Ginflaschen auf der Theke. Musik ertönt aus dem Inneren des Restaurants, das nach wie vor nur Take-away anbietet – vielleicht als Vorgeschmack dessen, was uns am Montag erwarten könnte.
Der Bundesrat hat es also beschlossen: Die Beizen können ihre Terrassen wieder aufstellen und Kunden draussen empfangen. In Grenchen haben Wirte offenbar keine Sekunde verloren, sich auf die lang ersehnte Wiedereröffnung vorzubereiten.
Die wenigen Anzeichen daran, dass es wieder losgeht, erinnern an ein Wiedererwachen des gesellschaftlichen Lebens nach einem langen Winterschlaf, wie erste Knospen auf den Hagebuchen den Frühling ankünden. Aber das Erwachen ist zögerlich. Wie nach einer durchzechten Nacht. Denn wie die Bise die blühenden Kirschbäume bedroht, so könnte die dritte Welle die Terrassen ganz schnell wieder aussterben lassen.
Es ist deshalb schwer, sich auf sonnige Nachmittage zu freuen – Tulpen blühen zwar um die Statue des Giuseppe Mazzini auf, doch es schneit, ein eiskalter Wind fegt über den Marktplatz, und irgendwie kann ich mich gar nicht so richtig darauf einstellen, dass am Montag Kafi, Bier und Wein an Sitzplätzen am Marktplatz und der Bettlachstrasse serviert werden.
Die Lockerung hat auch landesweit keine Euphorie ausgelöst: Für die Massnahmenkritiker ist sie ein längst überfälliger Schritt, der Anfang vom Ende der Tyrannei, für meine Journalisten-Twitter-Bubble ist der Bundesrat fast schon mörderisch verantwortungslos. Sogar die Gastrobranche ist skeptisch, da die Terrassen alleine die Beizen kaum über Wasser halten mögen.
Das langersehnte Ende der Coronakrise spiegelt sich in diesem nicht enden wollende Winter wieder: voller widersprüchlichen Signalen, vorzeitigen Aufblühen und wiederkehrenden Wellen. Und auch wenn ich mich darauf – zugegeben etwas schuldig – freue, ein kühles Bier an einer Terrasse wieder geniessen zu dürfen, frage ich mich, wie langfristig die Lockerung sein wird und ob ich mich nun wirklich darauf einstellen kann, dass nun endlich der Frühling gekommen ist.