Die Oberstufenklassen, die nach den Sommerferien neu gebildet wurden, erhalten Unterstützung für einen guten Klassengeist. Am Beispiel einer Schiffsreise erarbeiten die Grenchner Schulsozialarbeiterinnen mit den Schülern ein verträgliches Miteinander
«Jetzt spielen wir Fangis», sagt Schulsozialarbeiterin Kathrin Vogler. Die Schülerinnen und Schüler der Sekundarklasse 1c im Haldenschulhaus können ihr Glück kaum fassen. Zum Auftakt des Schultages sind sie offiziell aufgerufen, herumzurennen und sich gegenseitig zu schubsen. Was könnte es Schöneres geben? «Wir spielen ganz ohne Regeln», peppt Vogler das Vorhaben sogar noch auf. Scheinbar. Drei Minuten genügen, bis die meisten Jugendlichen ratlos auf dem Pausenplatz herumstehen. Der Rest hat sich auf die Treppe geflüchtet. Vor allem Mädchen war das Getümmel zu gross. «Ohne Fänger ist das uncool.» Mit dieser Aussage hat ein Schüler den Finger genau auf den wunden Punkt gelegt. Wenn nicht klar ist, wer angreifen und wer ausweichen soll, ist das ganze Spiel sinnlos.
Fehlende Regeln, verdorbenes Spiel
Mit dieser Erkenntnis setzt sich die Klasse von Daniel Knuchel wieder ans Pult. Geleitet von ein paar Fragen der Schulsozialarbeiterin, merken die Schüler, dass Regeln nicht dazu da sind, Leute zu schikanieren. Die Erkenntnis der Klasse ist simpel: Ohne Regeln funktioniert kein Spiel, und das gilt für den Verkehr ebenso wie für Manieren am Tisch.
Seit Beginn des Schuljahres besuchen die beiden Schulsozialarbeiterinnen Kathrin Vogler und Yolanda Andreoli die ersten Klassen von Sek, Oberschule und Werkklasse. Mit Spielen und Gruppenarbeiten wollen sie dafür sorgen, dass schlechte Gruppenprozesse in den neuen Klassenverbänden keine Chance haben. Während dreimal zwei Lektionen nehmen sie die Jugendlichen mit auf eine virtuelle Schiffsreise. Da gilt es zu entdecken, dass nicht jeder Kapitän sein kann, aber auch, dass ein Steuermann das Steuerruder einmal jemand anderem überlassen darf. Die Klassen machen sich Gedanken darüber, wohin sie steuern wollen und welches Verhalten Wind ins Segel bringt. «Was man selbst erarbeitet, das bleibt einem eher», erklärt Vogler den Sinn der Spiele. Andreoli ergänzt: «Auf diese Weise lernen die Schüler, wie sie anständig Kritik geben können. Die Lösungen, die ihnen einfallen, sind kreativ.»
Auffälliges Verhalten früh erkennen
Die Präventionskampagne in der Oberstufe ist auf das erste Quartal bis zu den Herbstferien angelegt. Anschliessend werten die Schulsozialarbeiterinnen mit den Klassenlehrern aus, was erreicht wurde. Die Standortbestimmung hilft ihnen, Schüler mit problematischem Sozialverhalten frühzeitig zu erkennen und Massnahmen zur Verbesserung zu planen.
Inspiration für das Projekt haben sich Andreoli und Vogler in anderen Gemeinden geholt, zum Beispiel in Solothurn und Bettlach. Für einzelne Spiele gibt es Anleitungen. Damit alles für die Grenchner Bedürfnisse passt, mussten die Schulsozialarbeiterinnen auch selbst kreativ werden. Aufgebaut sind die Doppellektionen folgendermassen: Erstens das Ziel bestimmen, fördernde und hemmende Faktoren erkennen, zweitens den Wert von Regeln würdigen, den Umgang mit Konflikten reflektieren und drittens die Gruppendynamik bestimmen, indem Rollen angenommen, gespielt und wieder aufgegeben werden können.
Heisse Phasen im «Labor» abkühlen
Die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften erleben die Schulsozialarbeiterinnen als sehr gut. Die Lehrer sind in diesen Prozessen voll drin. «Sie erleben die heissen Phasen im Umgang mit Konflikten», sagt Andreoli. «Bei uns ist alles wie eine Laborsituation.» Damit will sie nicht sagen, dass die Schüler zu wenig mitmachen. Andreoli und Vogler sind sich einig, dass die meisten Jugendlichen sehr motiviert sind. «Aber dennoch ist die Sache nicht ganz real. Es ist ein Training, das in der Realität umgesetzt werden muss.» Unterschiede sehen die Schulsozialarbeiterinnen innerhalb der Klassen, aber nicht zwischen den Schulhäusern.