Ein weiteres Kapitel in der Geschichte um die Misere des Gewerbes in Grenchen wurde letzten Sonntag geschrieben. Viele Gewerbler und Ladenbesitzer klagen darüber, dass der Sonntagsverkauf nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat.
Brigitte Gürber, Präsidentin des Gewerbevereins, kann es sich nicht erklären. Der Aufwand, den man im Vorfeld betrieben habe, stehe in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Freitag und Samstag seien eigentlich recht viele Leute in die Stadt gekommen, aber der Sonntag sei sehr bescheiden gewesen. Sie habe auch entsprechende Rückmeldungen verschiedener Geschäfte erhalten.
Erfolgreiche Würfelaktion
Die Aktion «Roter Teppich», bei dem die Kunden um Prozente würfeln konnten, sei allerdings auf grosses Echo gestossen und habe die Kunden sehr erfreut. Einer der Hauptgründe für die zum Teil miserablen Kundenfrequenzen am Sonntag sei vermutlich, dass beide Grossverteiler, Coop und Migros, beschlossen hätten, an keinem der beiden offiziellen Sonntagsverkäufe ihre Verkaufsgeschäfte zu öffnen, meint Gürber.
Und damit fehle automatisch Laufkundschaft. Biel und Solothurn seien ja fast aus den Nähten geplatzt, und wahrscheinlich seien sehr viele Grenchner eben dorthin gefahren, um ihre Weihnachtseinkäufe zu tätigen.
Dies bestätigt auch Agnes Mülchi von der Team-Papeterie an der Bettlachstrasse. «Als es die EPA noch gab vor ein paar Jahren, da haben wir beim Sonntagsverkauf eingepackt – kassiert – eingepackt – kassiert – und plötzlich war es 17 Uhr.» Letzten Sonntag habe sie fast Däumchen drehen müssen. Sie betreibe den Laden jetzt schon 12 Jahre, aber so schlimm sei es noch nie gewesen.
Marktplatz nicht attraktiv
Die Hauptursache sieht auch sie bei den Grossverteilern. «Wir Kleinen können nicht mit einem guten Geschäft rechnen, wenn die beiden grössten Läden nicht mitziehen», die Leute gingen dann eher nach Solothurn, Biel, Bern oder Luzern an den Sonntagsverkauf.
Es sei halt von Anfang an viel falsch gelaufen in Grenchen: Der Marktplatz lade nicht gerade zum Verweilen ein, es fehlten Cafés und Bistros. Der Wegfall der EPA sei entscheidend gewesen für die kleinen Gewerbler, meint Mülchi. Die Aktion mit Würfeln letzten Sonntag sei sehr erfolgreich gewesen, sie hätten im Laden grosse Würfel verwendet und die Kunden hätten grossen Spass gehabt. Aber angesichts der flauen Umsätze werde die Team-Papeterie nächsten Sonntag auf keinen Fall öffnen.
Nicht alle sind gleicher Meinung
Andere Geschäftsinhaber, wie Fritz Wirth von Intersport Wirth, sind nicht gleicher Meinung und haben andere Erfahrungen gemacht. «Wir haben Umsätze wie im letzten Jahr gemacht und können sehr zufrieden sein.» Er habe seine Kunden persönlich eingeladen, und viele seien der Einladung gefolgt. «Ich muss einfach Schnee haben», meint Wirth, dann laufe das Geschäft mit Wintersportartikeln.
Er ziehe die Sonntagsverkäufe den Abendverkäufen vor. Das Grundproblem sieht Wirth anderswo: «Wir schaffen es einfach nicht, an einem Strick zu ziehen». Letztes Jahr hätten er und die anderen Geschäfte an der Marktstrasse eine konzentrierte Aktion durchgeführt und vor allem am zweiten Sonntag sensationell gut gearbeitet.
Alle hätten ihre Kunden persönlich eingeladen und er verstehe nicht, dass nun dieses Jahr einige der Geschäfte an der Marktstrasse nicht mehr mitmachen wollen. Man müsse einen gemeinsamen Nenner finden, dann klappe es auch mit den Umsätzen. Er könne es nicht verstehen, dass einige jetzt die Flinte ins Korn werfen wollten.
Glühwein floss in Strömen
Markus Arnold, verantwortlich für den Weihnachtsmarkt, zieht eine positive Bilanz: Freitag, Samstag und Sonntag sei der Weihnachtsmarkt sehr gut besucht gewesen und, gemessen am verkauften Glühwein und den verkauften Weihnachtskugeln, könne man von einem Erfolg sprechen. Vor allem das neue Konzept des Marktes sei bei der 14. Auflage gut beim Publikum angekommen. «Einige Standbetreiber haben über Nacht noch nachproduzieren müssen, weil sie ausverkauft waren.»
Er selber habe in seiner Drogerie eine ansprechende Frequenz verzeichnet und sei zufrieden. Aber, so vermutet Arnold, das Problem liege woanders: Die Leute hätten mehr Gelegenheit, ihre Weihnachtseinkäufe an anderen Tagen zu tätigen und nähmen den Sonntagsverkauf eher zum Anlass, zu flanieren und ein wenig zu «schnöiggen».
Nächsten Sonntag werden rund fünf bis sieben Geschäfte geöffnet sein, einige machen regelrechte Kundenanlässe aus dem Sonntagsverkauf, besonders jene, welche eine grosse Stammkundschaft auch von ausserhalb haben.
Die Grossverteiler begründen
Pascal Schütz von der Medienstelle von Coop begründet den Entscheid, die beiden Sonntagsverkäufe dieses Jahr nicht durchzuführen, wie folgt: Erstens seien die Daten, auf welche die Festtage fallen, für eine Filiale, die fast ausschliesslich Lebensmittel im Angebot habe, äusserst ungünstig. «Die Kunden kaufen nicht schon am 12. oder 19. Dezember die Lebensmittel ein, wenn sie das auch noch in der Woche vor Weihnachten machen können.»
Zweitens sei es auch ein pragmatischer Entscheid, der von Grösse und Angebot der jeweiligen Filiale abhängig sei. Folglich seien an besagten Sonntagen die Mega-Stores in Biel und Bern geöffnet, die ein grösseres Angebot an Non-Food führten, nicht aber Filialen von der Grösse Grenchens.
Thomas Bornhauser, Medienverantwortlicher bei Migros Aare, meint dazu, man habe vor Jahren einen Sonntagsverkauf durchgeführt und in puncto Kundenfrequenz schlechte Erfahrungen gemacht. Da viele Kunden eher dazu tendieren, das Migros-Ladendorf in Langendorf zu frequentieren, habe man beschlossen, dort zwei Sonntagsverkäufe durchzuführen. «Es macht keinen Sinn, wenn das Personal in Grenchen Däumchen dreht.»