Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass viele Leute Grenchen nicht objektiv begegnen können – oder wollen? In den einschlägigen Facebookseiten wird die Stadt entweder über den grünen Klee gelobt als einzigartige Perle am Jurasüdfuss, als süsse Heimat mit der schönsten Witi, dem schönsten Berg, der schönsten Badi, dem besten Tschutticlub und der interessantesten Autobahnausfahrt.
Oder dann schlechtgeredet als hässliche Industriestadt mit egozentrischen Einwohnern, die einander die Butter auf dem Brot missgönnen. Und das grösste Problem scheint zu sein, dass man für die Entsorgung des Kartons zahlen muss, wenn man nicht auf die monatliche Gratissammlung warten will. Auch ich ertappe mich mitunter beim gedanklichen hin- und hertorkeln zwischen diesen beiden Extremen. Wenn ich auf dem Heimweg an einer wilden Abfalldeponie in einem Wohnquartier vorbei muss, welche die notabene grösste Immobilienbesitzerin der Schweiz seit Wochen duldet, ohne einen Finger zu rühren, dann gerate ich nolens volens in letztere Haltung hinein. Würden die so was in Zürich auch zulassen?
Doch das Elend dauert meist nur kurze Zeit. Bald kommt wieder ein Strahl durch den Nebel des Selbstmitleids und zieht mich auf die Jurasonnenseite. Man muss nur wissen, wo man die Selbstvergewisserung holen kann, die jede Kleinstadt in einem bestimmten Ausmass nötig hat. Und erst recht ihre Bewohner.
Nehmen wir die Uhrenindustrie: Sie hat in Grenchen zugleich eine rühmliche und eine unrühmliche Geschichte. Welche Seite der Medaille wir ins Schaufenster stellen, bleibt uns selber überlassen. In den letzten Tagen musste Grenchen wieder mal von aussen der Spiegel vorgehalten werden. Achtung Spoiler: denken Sie jetzt nur nicht, es komme etwas Negatives. Erstens mit dem Solothurner Unternehmerpreis an die Uhrenfirma Breitling und das Team um Georges Kern, welche das bisweilen etwas verstaubte «Uhregrübler»-Image Grenchens durch reichlich Glamour ersetzt, der in die Welt hinausstrahlt.
Zweitens: Über Weihnachten sorgte eine Industrie-Groteske für Schlagzeilen, welche die grösste Grenchner Firma schlagartig ins nationale Scheinwerferlicht zerrte. Liebe Grenchnerinnen und Grenchner, lasst Euch das mal auf der Zunge zergehen: Weil die ETA industriell und in Sachen Know-how und Technologie der Konkurrenz dermassen haushoch überlegen ist, dass sie die besten Uhrwerke zum mit Abstand günstigsten Preis herstellen kann, sah sich eine mächtige Kommission gezwungen, einzugreifen. Auch wenn das etwas vereinfacht ist, sollten wir uns diese Grenchner Lesart der Vorkommnisse vor Augen führen. Und damit definitiv stolz sein auf die Uhrenstadt.