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In Jugendjahren kauften Ueli und Vreni Hostettler einen alten Möbelwagen bauten ihn um, versahen ihn mit einer seitlichen Ladentheke mit Vitrine, bauten eine Kühlvorrichtung ein und beantragten die nötigen Bewilligungen: Der Fischwagen war geboren.
Am 29. November 1974 verkaufte das junge Ehepaar Hostettler auf dem Grenchner Markt zum ersten Mal frische Forellen. «Und die gingen weg wie ‹warme Weggli›», erzählt Ueli Hostettler, der zusammen mit seiner Frau seither sozusagen jeden Freitag auf dem Grenchner Markt anzutreffen ist.
Die Bach- und Regenbogenforellen stammten damals aus den ersten Weihern, die sein Vater noch als persönliches Hobby angelegt hatte, denn eigentlich führte die Familie Hostettler in Kräiligen bei Bätterkinden eine Schreinerei.
Zu dieser Zeit standen in vielen Restaurants noch Fischkästen mit lebenden Fischen, der Gast konnte sich seine persönliche Forelle aussuchen, die ihm dann wenig später auf einem Teller bleu oder meunière serviert wurde. Lebendfischverkauf machte den Hauptteil des Umsatzes aus, den Vater Hostettler mit seiner kleinen Hobby-Fischzucht erzielte. «Aber der Trend, in Restaurants lebende Fische zu halten, ging mehr und mehr zurück. Zudem kamen immer mehr Meerfische auf den Markt.»
Es begann mit einem Möbelwagen
Die Nachfrage der Gastronomen schrumpfte. Da aber auch in der Bauwirtschaft schwierige Zeiten herrschten und die Schreinerei nicht mehr besonders gut lief, beschloss Ueli Hostettler zusammen mit seiner jungen Frau Vreni, ganz auf Fisch zu setzen und auf Märkten frischen Fisch anzubieten.
Sie kauften einen alten Möbelwagen, bauten ihn um, versahen ihn mit einer seitlichen Ladentheke mit Vitrine, bauten eine Kühlvorrichtung ein und beantragten die nötigen Bewilligungen. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuss: Das Gesundheitsamt des Kantons Bern gab keine Bewilligungen für Fischverkäufer mehr heraus.
Das entsprechende Gesetz war empfindlich verschärft worden. Denn die meisten Fischverkäufer hatten ihre Ware bisher bloss an normalen Marktständen verkauft, auf dem Markt schwirrten Fliegen um die Fische, Hygiene war nicht oberstes Gebot.
Nicht so bei Hostettlers, die stur blieben und darauf beharrten, dass sie in ihrem umgebauten Möbelwagen ja eine eigene Kühlung eingebaut hatten. Die Fische wurden in Traiteurschalen auf Kühlplatten gekühlt, nicht offen auf Eis.
Das Gesundheitsamt willigte ein, Hostettlers eine provisorische Bewilligung als Versuchsbetrieb zu geben. Verkaufen durften sie ausschliesslich Forellen, es gab wöchentliche strenge Kontrollen durch den Lebensmittelkontrolleur.
Grenchner standen Schlange
Nach ein paar Jahren waren die Beamten überzeugt und das Gesetz wurde entsprechend abgeändert. Der Verkauf von frischem Fisch auf Märkten war mit der entsprechenden Kühlvorrichtung erlaubt. Das brachte auch weitere Fischverkäufer auf den Plan.
Hostettlers hatten weiterhin Erfolg: «An vielen Markttagen mussten wir manchmal noch Forellen nachliefern. Die Grenchner waren wirklich versessen darauf und standen Schlange, noch bevor wir da waren, weil es das nirgendwo sonst gab», so Vreni Hostettler. «Keiner der Grossverteiler führte damals frische Fische in seinem Sortiment, Fischstäbchen waren das Höchste aller Gefühle.»
Der Erfolg auf den Märkten – Hostettlers verkauften ihre Forellen auch in Bern, Burgdorf und Bätterkinden – erforderte einen Ausbau der Fischzuchtanlage. Grosse Teiche wurden ausgehoben und später eine professionelle Fischaufzucht in Utzenstorf gebaut.
Dort züchten Hostettlers, nebst den Fischen für die Teiche in Kräiligen, auch heute noch einen Teil der Forellen, die von Fischereivereinen der Region in offenen Gewässern ausgesetzt werden.
Filets statt ganze Fische
Vor rund 25 Jahren veränderte ein neuer Trend die Arbeit der Familie Hostettler von Grund auf: Die Kundschaft wollte mehr und mehr Fischfilets statt ganzer Fische. Ein Trend, der bis heute angehalten hat: Rund 80% der Kräiliger Fische werden verarbeitet: Filettiert, geräucht, geschnitten. Dazu kam ein Ausbau des Angebots mit Meerfischen. Von zwei Sorten Forellen zu Beginn ihrer Tätigkeit sind Hostettlers bei rund 25 bis 30 verschiedenen Sorten Fisch angelangt.
Das veränderte Kundenbedürfnis bedeutete auch: Mehr Arbeit, denn nach dem Fang aus dem Teich werden die Fische frisch verarbeitet, bevor man zum Markt fuhr. «Das heisst: An einem normalen Markttag beginnt die Arbeit schon morgens um 5 Uhr», sagt Ueli Hostettler.
«Die Sportfischerei, die wir am grossen Teich eingeführt haben, dauert normalerweise bis 19 Uhr, danach muss noch aufgeräumt und geputzt werden, also kann ein Arbeitstag locker 15 bis 16 Stunden dauern.»
Wie viele Fische genau in den grossen Teichen schwimmen, können sie nicht sagen, es seien gegen 100 000 Stück. Nur im Gegensatz zu Fischzuchten, die auf grossen Ertrag hin arbeiten, sind die Kräiliger Forellen, Saiblinge und Lachsforellen erst nach etwa zwei Jahren essreif.
«Das bedeutet, dass das Fleisch fester ist, als bei Fischen, die im Eiltempo grossgezogen werden. Wir betreiben eine traditionelle Fischzucht. Bei uns kriegen die Fische auch nicht täglich Futter, wie das in einer natürlichen Umgebung auch der Fall wäre.»
Natürliche Teiche
Hostettler erklärt auch, weshalb sie kein Bio-Label hätten: «Will man Bio produzieren, gelten Massstäbe, die man einhalten muss. Also müssten wir Betonweiher haben und nicht unsere natürlichen. Die Besatzdichte dürfte fünfmal höher sein, also fünfmal mehr Fisch in unseren Weihern, als wir aktuell haben. Wollen wir das? Unsere Fische leben gesünder und besser.»
Mittlerweile sind Vreni und Ueli Hostettler beide pensioniert. Aber ans Aufhören denken sie noch lange nicht. «Seit wir pensioniert sind, arbeiten wir nur noch 100 Prozent», meint Ueli Hostettler schmunzelnd. Im Jahr 200 gründeten Hostettlers mit ihrem Sohn Beat eine GmbH. Tochter Anita, welche in einem Architekturbüro als Hochbauzeichnerin arbeitet, setzt sich ebenfalls in ihrer Freizeit im elterlichen Betrieb ein.
Und Beats Lebenspartnerin ist seit zwei Jahren auch mit von der Partie in der Fischzucht. Sie sorgen zusammen mit Aushilfskräften für einen reibungslosen Betrieb bei der Fischzucht, beim Fischverkauf vor Ort und dem Bereitstellen der Ware für den Markt.
Stammkundschaft aufgebaut
Dort aber sind hauptsächlich Vreni und Ueli gefragt. Denn in Grenchen haben sie sich eine Stammkundschaft aufgebaut, die zu einem grossen Teil schon seit Jahrzehnten ihren Fisch kauft. «Ganz am Anfang waren wir beispielsweise eine Zeit lang auch in Solothurn, auf dem Fischmarkt, der nur am Donnerstag auf dem Klosterplatz stattfand, wie das ein altes Solothurner Gesetz vorschrieb – als einziger Verkaufsstand.
Eine Teilnahme am grossen Samstagsmarkt wurde uns mit Verweis auf dieses Gesetz verweigert.» Als es Jahre später geändert wurde, wurden Hostettlers von Solothurn angefragt, aber sie hätten zu Gunsten Grenchens verzichtet. «Hier haben wir eine so tolle und treue Kundschaft,das kam nicht infrage. Und beide Märkte abzudecken wäre nicht möglich gewesen.
Ueli und Vreni Hostettler werden also auch weiterhin, bei Sonne und Regen, meterhohem Schnee, Sturm und Kälte am Grenchner Freitagsmarkt ihre frischen Fische verkaufen. Denn das ist ihr Leben. Und solange der Fisch da ist, sind Hostettlers für ihn da.