Im Seeländer Dorf Müntschemier wird ein Theaterstück zur Reformation aufgeführt. Die kämpferischen Szenen zum berndeutschen Theater «Fluech u Säge» gehen unter die Haut.
Bärtige Männer, Frauen, Kinder, das «halbe» Dorf Müntschemier inszeniert mit dem Theaterverein Schicksale aus der Reformationszeit. Die kämpferischen Szenen zum berndeutschen Theater «Fluech u Säge» gehen unter die Haut.
Es ist noch früh am Abend, doch die Müntschemierer Laienschauspieler sind schon in Aktion. Geprobt wird das Theater «Fluech u Säge», und zwar die Szene, in der der Fiesling Brächt die Gunst der Stunde nutzen will, um Elsa, die verlassene Frau des Reisläufers Hans Glötzli, zu bedrängen. Höhnisch macht Brächt klar, dass sein Wort bis ins Chorgericht herauf Gewicht habe und gehört werde. Was gilt dagegen das Wort oder Sträuben einer Frau. Mit einem Holzscheit bewaffnet greift eines der Kinder ein, doch ein Schlag von Brächt fegt den Buben zu Boden. Die Szene, gespielt im kahlen Raum der Creabeton in Müntschemier, löst bei den Beobachtenden ängstliche Beklemmung und Hühnerhaut aus.
Regisseur Reto Lang, greift ein. Mit vollem Körpereinsatz drängt er Elsa auf den Tisch, dabei trieft seine Stimme vor Spott und Hohn. Schauspieler Brächt kontert: «Nein, so ist mir nicht wohl, ich muss mit der anderen Hand zupacken können». Theaterleiter Reto Lang hört zu, bespricht mit den Akteuren die Szene, zeigt mit ausladenden Gesten, wie er sich diesen Akt vorstellt. «Am Charakter wird bis zum Schluss gearbeitet. Ich hole ins Spiel, was unterschwellig schon vorhanden ist, bis die Tragik der Handlung in Fleisch und Blut übergeht.»
Der Dorfpfarrer und Autor Ueli Tobler beschäftigte sich seit einigen Jahren mit der Reformation, vor allem mit der spannenden Umbruchszeit, die sich bis ins Heute auswirkt. Als historische Quelle nutzte er die Chorgerichtsmanuale und Sittengerichtsprotokolle der Kirchgemeinde Ins.
Einst amteten Walter Hänni als Pfarrer in Ins und Peter Imhag als Landvogt in Erlach. Sie wollten das Volk zu Fleiss und Gottesfurcht erziehen. Dabei sollten die Männer des Chorgerichts helfen, doch ihre heimlichen Spione spielten ihr eigenes, fieses Spiel.
Im Mittelpunkt steht die Familie Glötzli, ein einstiges Müntschemierer Geschlecht. Vater Hans lässt sich zu einer verhängnisvollen Aussage und einem Fluch verleiten. Er tritt als Söldner in den französischen Kriegsdienst ein, wird in der Bartholomäusnacht in Paris in einen Kampf um Leben und Tod verwickelt. Die schlimmen Nachrichten, treffen in Müntschemier ein, doch umso mehr lähmt der Fluch von Vater Hans alle Betroffenen.
Hans-Werner Leibundgut, gewesener Präsident der reformierten Kirchgemeinden Ins, Brüttelen, Müntschemier und Treiten, regte an, die Schicksale aus den Chorgerichtsmanualen der Kirchgemeinde Ins zu bearbeiten. Als Präsident des Theatervereins Müntschemier und Produktionsleiter hat er alle organisatorischen Fäden in der Hand und spielt übrigens erstmals auch in zwei kleinen Rollen mit. Seit August 2016 wird geprobt, erst zweimal, jetzt viermal die Woche. «Freude, gepaart mit Disziplin und Ausdauer, verschweisst die Dorfbevölkerung. Praktisch alle helfen irgendwie, irgendwo, mit. Es gibt keine Stars, alle sind gleichwertig, Team Play ist das oberste Gebot».
Übrigens: Wem sind die vielen bärtigen Männer in Müntschemier aufgefallen? «Bis zu Beginn der Spielsaison, am Donnerstag, 20. April, werden alle Bärte die richtige Länge und Dichte haben», verspricht schmunzelnd Produktionsleiter Hans-Werner Leibundgut.
Aufführungen «Fluech u Säge»:Ab Donnerstag, 20. April, bis Sonntag, 23. April. Ab Mittwoch, 26. April bis Sonntag, 30. April, ab Mittwoch, 3. Mai bis Sonntag 7. Mai im Schulhaus Müntschemier. Vorstellungsbeginn: 19.30 Uhr, Sonntags um 17 Uhr.
Vorverkauf auf www.fluech-u-saege.ch Ticketino-Hotline: 0900 441 441; Abendkasse ab 17.30 Uhr