Den Zuschauer fieberten lautstark mit. Ihnen boten sich an der Schweizer Meisterschaft im Omnium spannende Rennen.
Auf beiden Seiten des Geländers war etwa gleich viel los: Auf der einen Seite hielt sich die Meute der Radrennfahrer vor dem Start im Grenchner Velodrome fest, auf der anderen schauten die vielen Zuschauer erwartungsfroh dem nächsten Rennen entgegen. Dann der Startschuss, und die Rennfahrer machen sich auf, das Oval möglichst rasant zu durchfahren, um Rangpunkte für die Schweizer Meisterschaften im Omnium zu ergattern.
Kraft, Ausdauer und Stehvermögen, Technik – wer in der Disziplin Omnium einen Blumentopf gewinnen will, der muss von allen Stärken ein gerüttelt Mass mitbringen. Omnium ist die Summe von sechs Rennen an zwei Abenden, und im Grenchner Velodrome Suisse wurden die Schweizer Meister in dieser Königsdisziplin des Bahnsports erkoren.
Manchmal ist Radsport aber auch eine einsame Sache. Bei der Einzelverfolgung sieht man seinen Gegner nicht, man muss trotz voller Anstrengung mit einem Blick auf die Uhr herausfinden, wie man im Rennen steht. «Man muss seinen Körper gut einschätzen können», sagt Frank Pasche, der Silbermedaillengewinner an den Europameisterschaften in der Mannschaftsverfolgung, zu seiner persönlichen Taktik.
«Ich darf nicht zu hektisch beginnen, sonst steigt der Lactatwert in den Muskeln rasch an und man steht das Rennen nicht durch. Ich werde mit jeder Runde etwas schneller und weiss ziemlich genau, wann der Moment kommt, von dem an ich alles geben darf.» Sagts und beugt sich über das Geländer der kleinen Rampe, die von der Rennbahn in den Innenraum führt. Mit beiden Händen hält sich der Neoprofi des Gerlafinger Teams Roth am Geländer fest und macht fast torkelnd einen kleinen Schritt nach dem anderen.
«Meine Beine sind total übersäuert», sagt Frank Pasche. Etwa zehn Minuten fährt er auf den Rollen aus, dann ist das Lactat abgebaut und er ist bereit für das nächste Rennen.
Kopf-an-Kopf-Rennen
Der Genfer Jonathan Ruga und der Ittiger Marc Hirschi lieferten sich bei den U19-Junioren ein packendes Duell nach dem anderen. «Eigentlich war die Bahn gar nicht mein Ding, aber in diesem Winter habe ich viel hier in Grenchen trainiert und Spass daran bekommen», beschreibt Hirschi, der U19-Schweizer-Meister auf der Strasse, seine Gefühle im Velodrome. «Ich bin selber überrascht von meinen guten Rennen», sagt das Riesentalent bescheiden, das ebenfalls für das Gerlafinger Team Roth fährt.
Die Ehrenrunde war für die Sieger der einzelnen Rennen ein Genuss. Die Bemühungen der Organisatoren, das Velodrome bekannter zu machen, beginnen sich auszuzahlen. Es hat zwar noch immer freie Sitze, aber es kamen viel mehr Leute als zum Beispiel noch bei den Schweizer Meisterschaften in der Mannschaftsverfolgung im vergangenen September. Das Publikum sorgte für eine gute Stimmung, und die jeweiligen Gewinner genossen den kräftigen Applaus in ihrer Ehrenrunde.
Und dann fühlt man sich im Velodrome plötzlich in die 1940er-Jahre zurückversetzt. Derny heissen die knatternden Motorräder im Design des Art Deco, die sich seit 75 Jahren äusserlich kaum verändert haben. «Allez, allez», schreien die Velorennfahrer im Windschatten am Hinterrad, wenn es ihnen zu wenig schnell geht. Exakt sieben PS leisten die Zweitaktmotoren der seltsamen Motorräder, die 1938 vom ehemaligen Radrennfahrer Roger Derny erfunden wurden. Der «Conducteur» kann in die Pedale treten, um die urtümliche Technik zu unterstützen.
Das kann dann aber auch ins Auge gehen. «Der Conductuer ist in der Kurve nach oben gezogen und hat weiter beschleunigt», erklärte Jonathan Ruda, warum er das Hinterrad seines Dernys verlor, als er eigentlich in dieser Disziplin auf dem Weg zum Sieg war. «Schade.» Der Ärger des vielversprechenden Bahnspezialisten war von kurzer Dauer. Ruga: «Es ist besser, die Energie ins nächste Rennen zu investieren. Noch ist der Schweizer-Meister-Titel möglich.»