Die Dachorganisation von Zivilschutz, Rettungsdienst und Feuerwehr kommt nicht zur Ruhe: Der Kommandant soll sich selbst den Titel «Oberst» verliehen haben. Jetzt erhält er einen Mentor.
Das Jahr hat gar nicht gut begonnen für Schutz und Rettung Grenchen. Die Dachorganisation von Zivilschutz, Rettungsdienst und Feuerwehr steht unter politischem Beschuss. Drei Monate nach der Gründung forderte die SVP im Dezember wieder die Auflösung.
Das Budget des Zivilschutzes wurde an der Gemeindeversammlung zurückgewiesen. Die Gebäudeversicherung lehnte das neue Logo ab. Und mit dem Einsturz eines Unterstandes, der kurz vor Weihnachten die mobile Einsatzzentrale unter sich begrub, reihte sich ein weiterer Vorfall unter die Rubrik Pleiten, Pech und Pannen.
Gestern kam ein weiteres Detail hinzu: Der 41-jährige Kommandant Remo Schneider sorgte selbst für Schlagzeilen. Er soll sich eigenmächtig in den Rang eines Obersten gehievt haben, wie grenchen.net berichtete. Laut dem Internetportal wären eigentlich der Gemeinderat oder die Gemeinderatskommission für eine solche Beförderung zuständig.
Externe Aufsicht eingesetzt
Handlungsbedarf haben jetzt offenbar die Behörden gesehen. Denn neben den politischen Scharmützeln und den Betriebsunfällen hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Kommandanten und der Feuerwehr nicht klappt.
Auf Anfang Februar hat die Projektsteuerungsgruppe Schutz und Rettung Stadtpolizeikommandant Robert Gerber als Coach eingesetzt. Innerhalb von drei Monaten soll Gerber die Zusammenführung der drei Organisationen begleiten und prüfen – in Zusammenarbeit mit Kommandant Remo Schneider, Feuerwehrkommandant Bruno Bider und dem Leiter des Rettungsdienstes, Reinhard Grichting.
Gerüchteweise habe er von Zerwürfnissen zwischen der Feuerwehr und dem Zivilschutz gehört, sagte Gerber. Genauere Erkenntnisse seien aber erst nach einer Evaluation möglich. Wenig war gestern denn auch über Schneiders angebliche Eigenernennung zum Oberst zu erfahren. Zu den Vorwürfen Stellung nahm nicht Remo Schneider. Auskunftsperson war Robert Gerber. Zur Evaluation gehöre auch, dass ermittelt werde, was sich rund um die «Beförderung» abgespielt habe, sagte Gerber. Die Gradstrukturen würden überprüft und reglementiert.
«Solothurn» hat wenig Freude
Keine Gültigkeit hat Schneiders «Oberst»-Titel beim kantonalen Amt für Militär und Bevölkerungsschutz. Dort hat man erst inoffiziell Kenntnis vom Fall. «Der Titel gilt nur in
der Stadt Grenchen», sagt Amtschef Diego Ochsner. «Das ist eine alleinige Angelegenheit Grenchens.» Im Organigramm des Amtes für Militär und Bevölkerungsschutz bleibt Schneider wie bisher Oberstleutnant.
Kommt Schneider künftig also an eine Sitzung des kantonalen Zivilschutzstabes, muss er seine Oberstabzeichen entfernen und durch die bisherigen Oberstleutnantbatten ersetzen. Denn beim Kanton erhalten grundsätzlich nur drei Personen den Grad eines Oberst. Es sind dies der Kommandant der Kantonspolizei, der kantonale Feuerwehrinspektor und der Leiter des Zivilschutzes. «Der Kommandant einer regionalen Zivilschutzorganisation ist Oberstleutnant», stellt Ochsner klar.
Ob jemand innerhalb der Grenchner Stadtgrenzen den Oberst-Titel führt, kümmert das Amt weniger. Freude hat man dort aber nicht. «Die politische Sensibilität fehlt», sagt Diego Ochsner. Er fürchtet eine «Gradinflation».
SVP hält an Motion fest
Eine Diskussion in der Behörde ist laut grenchen.net von Stadtpräsident Boris Banga unterbunden worden. Bürgerliche Kreise deuten die angebliche Selbstbeförderung als Führungsschwäche des Stadtpräsidiums. Banga wollte gestern auf wiederholte Nachfrage keine Stellung nehmen.
Gemeinderat Richard Aschberger (SVP), der an der Gemeindeversammlung im Dezember in einer Motion die Auflösung von Schutz und Rettung forderte, hält trotz
der Evaluation an seiner Motion fest. Im Juni kommt diese vor die Gemeindeversammlung. Dass ein Mentor eingesetzt werden müsse, sei ein Zeichen für die angesprochenen Probleme, sagte Aschberger.