Toller Beginn der Kleintheater-Saison: Multi-Talent Anet Corti nahm in Grenchen in ihrem Programm «Optimum» die digital befeuerte Leistungsgesellschaft unter die kabarettistische Lupe.
Die Zuschauenden in der sehr gut besetzten Aula des Schulhauses IV kamen in den Genuss eines kurzweiligen, äusserst amüsanten und temporeichen Abends mit einer energiegeladenen Darstellerin. Während zweier Stunden tanzte, sang, «akrobatisierte», schrieb und schauspielerte Anet Corti, um eben das Maximum herauszuholen. Denn ihr Credo lautet: «Mittelmass macht keinen Spass». Dabei geizte sie auch nicht mit feinen, spitzen Pointen, legte ihren satirischen Finger auf die Tücken, die unsere vielfältigen, digitalen und smarten, schon zum Alltag gehörenden Hilfsmittel eben auch beinhalten.
Anet Corti leidet unter einer Schreibblockade. Um ihrem Stück endlich etwas Schwung zu verleihen, googelt sie nur kurz ein Synonym zu «Optima» und tritt dabei eine digitale Lawine los, der nur schwer zu entrinnen ist. Nicht gerade hilfreich ist dabei ihre Freundin Flurina, die sich immer wieder via Skype über den Fortschritt ihres Projektes informiert. Diese Flurina ist die Selbst-Optimiererin in Person, die ihren Wohnort nach dem besten «Lifestyle-Steuerfuss-Asylanten-Verhältnis» ausgesucht, ihren Sohn der besseren Chancen wegen in Dotcom umgetauft hat und sich schon mal rabiat gegen eine steinreiche, mitkonkurrierende Mutter («Oligarchen-Schnepfe», «Russenzopf») zur Wehr setzt.
Des Weiteren treten auf: Die ultraschnelle Hoverboard-bewehrte Postbotin Dodo als Inkarnation von Big Data, die selbst die Geheimnisse des Publikums kennt, Internet-Queen Delia Denzler, die mit branchenüblichen Kniffs das YouTube-Filmchen der unbedarften Betty Böhni zu einem Renner macht und schliesslich Designerin Jenny Jive, die partnersuchende Frauen mit dem iMan 0815 versorgt. Selbstredend verkörpert Anet Corti diese Figuren alle selber.
Echte Hilfe verspricht schliesslich der mit einem 3D-Drucker versehene Roboter Takashi.01. Endlich kann sich Anet Corti dem Kreativen zuwenden, die lästigen, alltäglichen Aufgaben ihrem maschinellen Sekretär überlassen. Aber oha lätz. Dieser analysiert nicht nur ungeniert die Schwächen der unter Dauerstress stehenden Schreibwilligen, sondern schmeichelt sich beim Publikum auch noch mit einem digitalen Kabarettprogramm ein. Noch schlimmer: Die «menschliche Biomasse» dankt es ihm mit Applaus.
Das ist der Protagonistin dann des Schlechten doch zu viel. Takashi.01 wird vorübergehend kaltgestellt, die eigenen musischen Fähigkeiten wiederentdeckt, und das Stück soll auf der guten alten Alp geschrieben werden. Nur noch ein letzter Tweet, um sich von der Community zu verabschieden. Allein, die (digitalen) Geister, die sie rief, wird sie so schnell nicht mehr los.
In einem furiosen und symbolträchtigen Finale gipfelt der an sich harmlose Tweet unverhofft in einer ungemein witzigen, shitstorm-ähnlichen Kontroverse, in welche sich unter anderem der Papst, Donald Trump, Barack Obama, der Tierschutz, diverse Medien, Grenchens Stapi und sein ehemaliger Herausforderer sowie Christian Constantin einmischen.