Startseite
Solothurn
Grenchen
Seit mehreren Jahren steht mitten in der Stadt Grenchen eine der letzten grossen Villen aus der Zeit der Uhrenbarone. Da niemand 8,9 Millionen bezahlen will, soll das Anwesen aufgeteilt werden.
Vor etwas mehr als zwei Jahren erschien in dieser Zeitung ein erster Artikel über die Villa an der Gibelstrasse, die schon damals seit längerem zum Verkauf ausgeschrieben war – allerdings war der Preis dato unbekannt. Eine spezielle 11-Zimmer-Villa mit einer speziellen Geschichte inmitten eines rund 14 000 Quadratmeter grossen Parks mit Wasserspielen, einem Bad aus Marmor und einem seltenen Baumbestand, umgeben von hohen Mauern, die den Einblick auf das Anwesen verunmöglichen.
Die Villa an der Gibelstrasse wurde 1928 vom Architekten Carl Burkhard für einen Grenchner Industriellen erbaut. Als dieser 1935 in Konkurs ging, erwarb Rudolf Schild-Comtesse, von 1932 bis 1971 Chef der Grenchner Uhrenfirma Eterna, die Villa und baute sie um. Nach dessen Tod 1978 nach einem Autounfall erbte sein Sohn Claude das Anwesen. Die Villa war in desolatem Zustand und weder Abriss und Neubau noch Sanierung und Umbau lohnten sich für den Erben. Also verkaufte er 1980 das Anwesen an Elias Salim Charbine, einen millionenschweren libanesischen Industriellen, der die Grenchnerin Evelyne Liechti geheiratet hatte, die Tochter eines Grenchner Messerfabrikanten.
Charbine baute die Villa luxuriös um und verbaute viel Gold und Marmor – der Grund für den Übernamen «Scheich-Villa». Er erwarb auch das Nachbargrundstück, auf dem das Fabrikantenhaus liegt. Dieses war um 1925–28 vom selben Architekten für einen Bezirksschullehrer gebaut worden und ging 1965 an die Gebrüder Kurth, Inhaber der Certina Gebr. Kurth AG, über. Charbine liess die hohen Mauern rund um das ganze Anwesen errichten und liess seltene Bäume für die Parkanlage einfliegen.
Der Libanese wurde zeit seines Lebens als Wohltäter bezeichnet. Er unterstützte Menschen in Armut, unabhängig von ihrer Konfession, im Libanon, an der Elfenbeinküste und anderswo. Er hatte diverse Wohnsitze, unter anderem New York, Abidjan und Genf, wo er 2011 starb. (om)
Im Volksmund ist das Anwesen unter dem Namen «Scheich-Villa» bekannt. Ein Übername, der offensichtlich nur in Grenchen bekannt ist und auch verstanden wird und der bei der mit dem Verkauf beauftragten Immobilienfirma aus Solothurn schon vor zwei Jahren für Unmut sorgte. Den Namen erhielt die Villa in den 80er-Jahren, als sie letztmals umgebaut wurde (siehe Artikel rechts).
Auf einer Immobilienplattform im Internet wird das Grundstück, zu dem nebst Park und Villa noch ein benachbartes Dreifamilienhaus und weitere Nebengebäude gehören, zum stolzen Preis von 8,9 Millionen angeboten. Ein Preis, den bis jetzt offenbar niemand bereit war zu bezahlen. Ursprünglich sollte das ganze Ensemble als Einheit verkauft werden, aber inzwischen seien die Eigentümer bereit, das Anwesen stückweise zu verkaufen, meinte Andreas Keller von Bracher und Partner AG auf Anfrage.
Konkret: Die Parkanlage ist in drei Grundstücke parzelliert, insgesamt rund 10 000 Quadratmeter Bauland an bester Lage. Dort könnten Ein- oder Mehrfamilienhäuser gebaut werden, zwei- bis dreigeschossig mit einer maximalen Höhe von 10,5 Metern und einer Fläche von maximal 12,5 x 12,5 Metern. Neubauten machten sich aufgrund der sehr guten Lage auf diesen Parzellen mit grosser Wahrscheinlichkeit bezahlt, heisst es im Immo-Inserat. Der Preis beträgt 470 Franken pro Quadratmeter, die Grösse der einzelnen Parzellen beträgt je nach Lage rund 560 Quadratmeter oder mehr.
Die Villa soll nicht dasselbe Schicksal erleiden, wie eine andere Schild-Villa aus einem anderen Zweig der Dynastie an der Moosstrasse, die vor drei Jahren abgerissen wurde und einer Neuüberbauung Platz machen musste. «Dafür ist die Villa in einem viel zu guten Zustand», erläutert Keller. Das Herrschaftshaus sei 1980 komplett saniert, angebaut und erweitert worden, heisst es auf Immoscout 24. Ein Lift führt vom Keller bis ins Dachgeschoss. Das Haus verfügt über eine Bodenheizung. Alles präsentiert sich in tadellosem, einwandfreiem und bezugsbereitem Zustand.
Zur sogenannten «Fabrikantenvilla», in Grenchen als «Certina-Haus» bekannt, heisst es, sie sei ebenso gut erhalten und gepflegt wie das Hauptgebäude und befinde sich in tadellosem Zustand. Genügend Parkmöglichkeiten und ein Garagentrakt für 3 bis 6 Fahrzeuge seien vorhanden. Das Grundstück von 1610 Quadratmetern ist ebenfalls parzelliert. Ob derzeit Interessenten für die Villa oder andere Teile des Grundstücks vorhanden sind, darüber wollte man keine Auskunft geben.