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Nach genau 40 Jahren schliesst Martin Schneider am 31. Dezember seine Bäckerei in Pieterlen und geht in Pension. Nach einer kurzen Umbauzeit führt die Filiale der Grenchner Gassler Beck weiter.
«Erst einmal etwas ausruhen und dann die Backstube räumen», sind die nächsten Vorhaben von Martin Schneider, wenn er heute seine Bäckerei schliesst und nicht mehr täglich am Kneten, Rühren, Bestreichen, Verzieren und Backen ist. Das war sein Leben, die Berufung von Martin Schneider.
Von Montag bis Samstag klingelte um halb zwei der Wecker, am Sonntag um halb vier, und eine halbe Stunde später gingen das Licht und bald darauf die Knetmaschine in der Backstube an. In seiner langjährigen Karriere hat er nur drei Mal verschlafen. Ferien machte der junge Bäckermeister in den ersten 15 Jahren, nachdem er 1980 den Betrieb vom Vater übernommen hatte, keine. Nur am 2. Januar und am Pfingstmontag blieben die Öfen jeweils kalt.
Später schloss er in den Sommerferien das Geschäft und erholte sich in Italien oder in den Schweizer Bergen. Abwechslung und Kontakte ausserhalb der Bäckerei fand der unverheiratet gebliebene Fussballliebhaber als Trainer beim FC-Pieterlen, beim Pistolenschiessen und bei der Wassergymnastik. Er bildete Lehrlinge aus und engagierte sich als Experte bei Abschlussprüfungen. Einige Zeit amtete er als Präsident des Bieler und später Seeländer Bäckerei- und Confiseurie-Verbandes. Gegen Ende seines Berufslebens, welches offiziell bereits im September 2019 stattfand, mehrten sich die gesundheitlichen Probleme. Er liess es sich aber nicht nehmen, die 40 Jahre Dorfbeck unter seiner Regie noch zu vollenden.
Dort wo die Haupt- zur Bielstrasse wird, liessen die Eltern von Martin Schneider 1954 das Haus inklusive Backstube und Verkaufsladen erbauen. Zuvor betrieben sie eine Bäckerei vis à vis im Anbau des Sternenrestaurants, welches sich im Familienbesitz befand. «Die räumlichen Verhältnisse dort waren sehr eng. Wenn man die Ladentür zu weit öffnete, stiess sie an die dahinterstehende Knetmaschine», meinte Martin Schneider, der als Jüngster von vier Geschwistern dies nicht mehr miterlebte.
Von Geburt an, war das neue Haus mit dem markanten Erker sein daheim. In diesem ist das Lebensmotto der Familie Schneider eingraviert: «Schaffen und Streben ist Gottes Gebot. Arbeit ist Leben, Nichtstun der Tod». Schon als Schulkind transportierte er mit einem Anhänger jeden Tag bis zu 10 Kilogramm Brot zur Ziegelei, welche sich südlich vom Dorf befindet. Dort waren viele, aus Italien stammende Arbeiter tätig. Diese und die Italiener, welche bei der ETA angestellt waren, waren die besten Kunden der Bäckerei. «Sie haben immer viel Brot gegessen», meinte Martin Schneider.
Mit den Veränderungen im Dorf und der Bevölkerung gab es auch Wechsel in den Kaufgewohnheiten der Kunden. Von ursprünglich vier Bäckereien blieb dann nur noch der Sternenbeck, welcher nach dem Verkauf des Restaurants Sternen in den neunziger Jahren zum Dorfbeck wurde. Nach Schliessung von Molkerei und Metzgerei, existierte nur noch Martin Schneiders Laden als kleines Handwerksgeschäft im Dorf. Es hat ihm wehgetan, mit ansehen zu müssen, wie die kleinen Geschäfte im Dorf verschwanden.
Die Buttergipferli und feinen Speckzüpfe sowie auch die Früchtetorte und das beliebte Hüttenbrot werden den Kunden fehlen. Besonders am Wochenende waren die fünf Kilogramm schweren Butter- und Speckzöpfe am Meter beliebt. Für diese kam in den letzten Jahren extra der Bruder von Martin Schneider zur Hilfe, um sie in den Ofen zu schieben.
Der Bäckermeister ist dankbar für jegliche Unterstützung, welche er in den vergangenen 40 Jahren erfahren durfte, besonders aber auch für die Mitarbeiterinnen, welche den Verkaufsladen führten. Froh war er auch über Grossabnehmer wie dem Altersheim Schlössli und die Stiftung Wildermeth. Die Unterstützung der Vereine und Behörden des Dorfes erlebte er immer wieder, wenn für Anlässe sein spezielles Partybrot oder andere Backwaren bestellt wurden.
Seit rund einem Jahr arbeitet Martin Schneider mit der Äss-Bar in Biel zusammen, in welcher Backwaren «von gestern» verkauft werden. «So landeten verwertbare, noch geniessbare Reste nicht mehr im Säukübel», meint er erleichtert.
Lange bemühte sich Martin Schneider darum, eine Nachfolge für seine Bäckerei zu finden. Leider klappte dies nicht und nun ist klar, dass im Januar, nach einer Umbauzeit im Laden, eine Filiale der Gassler Beck AG aus Grenchen einziehen wird. Es wird ihm fehlen, wenn es nicht mehr nach frisch gebackenem Brot im und ums Haus herum riecht. Genüsslich atmet Martin Schneider durch die Nase ein. «Bis Montag», sagte er zu einer Angestellten, was wahrscheinlich auch das letzte Mal ihr gegenüber so tönte. Zu Silvester, dem letzten Arbeitstag, ist eigentlich nichts Besonderes geplant. Nur nach Ladenschluss möchte Martin Schneider mit den Angestellten angestossen und ihnen für ihre langjährige Mitarbeit und Treue danken.