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Die Ausgrabung des römischen Gebäudes an der Jurastrasse wurde um ein paar Tage verlängert. Noch bestehen Unklarheiten, denn was die entdeckten Holzpflöcke bedeuteten, wissen die Archäologen nicht.
Eigentlich wollte man bis zum Montag graben und dann das Gelände den grossen Baggern überlassen. Doch die Grabungsarbeiten bei dem römischen Gebäude dauern ein paar Tage länger. «Wir haben in der Mitte der Mauer bis zu deren Fundament und noch etwas tiefer gegraben und sind auf so etwas wie einen Kanal gestossen, der in der Mitte durch die Mauer führt.
Vor und hinter der Mauer stecken Holzpflöcke im Boden, eine Art Gitter», erklärt Grabungsleiterin Simone Mayer. Es ist gut zu sehen, dass ein rund 30 Zentimeter langer Stein, grösser als die anderen Steine, über dem «Kanal» liegt. In der östlichen Ecke haben die Archäologen die Überreste eines Holzbalkens freigelegt, der wie ein Eckpfeiler im Boden steckt. Daneben sieht es ganz so aus, als ob auch hier so etwas wie ein Kanal durch die Mauer führt.
Um was es sich hier handelt, könne sie nicht sagen, erklärt Simone Mayer. «Wir haben über Sinn und Zweck diskutiert, es sieht fast so aus, wie ein Katzentürchen», meint sie lachend. Einen der Holzpflöcke vor dem mittleren Kanal habe sie entfernt, damit man ihn im Labor etwas genauer untersuchen könne. «Eine Altersbestimmung wird schwierig, weil das Stück zu klein ist, aber vielleicht können wir die Art des Holzes bestimmen.»
In einem Zug gebaut?
Inzwischen sind Pierre Harb, der Kantonsarchäologe, und Mirjam Wullschleger, die Leiterin der römischen Abteilung, auf dem Platz erschienen. Denn eines will man noch klären: Wurde dieses Gebäude auf den Überresten eines älteren Gebäudes gebaut? Wurde es in einem Zug gebaut oder in mehreren Phasen? Und vor allem: Was ist mit den seitlichen Mauern passiert, sofern es diese überhaupt gab?
Die südliche, gut erhaltene Mauer, ist an den Seiten klar abgegrenzt. Auf beiden Seiten schliesst sich ein Mauerwerk an, das man als Verstärkung betrachten könnte, eine Art Eckpfeiler. Für Simone Mayer liegt die Vermutung nahe, dass auf beiden Seiten Holzwände zu einem späteren Zeitpunkt mit Mauerwerk verstärkt wurden. Spuren, die nach hinten zur nördlichen Begrenzung führen, sprechen für sie ebenfalls für diese Theorie.
In der nördlichen Wand, der Böschung vor dem Block aus den Sechzigern, zeigt die Grabungsleiterin ihren beiden Chefs die Hinweise in den Erdschichten, die für sie für einen Bau in zwei Phasen sprechen.
Kantonsarchäologe Pierre Harb ist nicht ganz einverstanden, auch Mirjam Wullschleger äussert Zweifel. «Profile lassen sich verschieden deuten», sagt er. Aber Simone Mayer kann ihm in jeder Ecke der Grabungsstelle die entsprechenden Stellen zeigen, wo Verfärbungen auf die Überreste der Mauer hinweisen. Mirjam Wullschleger schlägt vor, die südwestliche Ecke der Mauer abzureissen und zu prüfen, wie tief und wie weit hier das Fundament reicht. So gewinne man unter Umständen noch genauere Erkenntnisse.
Einen Tag später dann ein schon fast spektakulärer Fund: In der südöstlichen Ecke graben die Archäologen einen etwa einen Meter langen, sehr gut erhaltenen Holzpfosten aus, der als zugespitzter Eckpfosten tief ins Erdreich gerammt worden war. «Es handelt sich meines Wissens um den ersten Holzfund mit einer respektablen Grösse in diesem Gebiet», sagt Archäologe Fabio Tortoli. Mithilfe der Dendrochronologie, der Wissenschaft der Altersbestimmung anhand der Baumringe, könne man jetzt unter Umständen das Alter bis auf 20 bis 30 Jahre genau festlegen.
Wasser war im Spiel
Welchen Zweck die Mauer, das Gebäude und der Kanal mitten durch die Mauer hatten, kann niemand mit Bestimmtheit sagen, auch nicht, ob es sich um ein Becken handelt, das über die Jahrtausende mit Schwemmmaterial aufgefüllt wurde. «Wir haben eher wenige Fundstücke gesichtet, so wie Knochen oder Metall, die auf ein Siedlungsgebäude hinweisen», so Tortoli. Die Bindemittel, also das Material zwischen den Steinen, im mittleren Teil der Mauer und an den Seiten, den «Eckpfeilern» unterscheiden sich deutlich in der Farbe.
Die Steine in der Mauer sind besser und genauer verbaut, als an der Seite. Gut möglich, dass ein wasserfester Bindestoff verwendet wurde und hier Wasser in irgendeiner Form gestaut und kontrolliert abgelassen wurde. Das ist aber nur die subjektive Beobachtung des Journalisten, der Vermutungen anstellt, hier könnte beispielsweise ein Fischteich gewesen sein, oder bei diesem Gebäude handle es sich um die Latrine oder einen Swimmingpool der Villa.
Ganz lösen wird man das Rätsel des beinahe 2000-jährigen Gebäudes wohl nicht, bevor die Bagger die Baugrube ausheben. Aber eines haben die Stippvisiten am Grabungsplatz gezeigt: Archäologie kann äusserst spannend sein.