Grenchen
Repair Café: Etwas tun gegen Wegwerfgesellschaft

In Grenchen wird Ende Monat erstmals ein Repair Café durchgeführt: Hier kann man defekte Geräte vorbeibringen und sie gemeinsam mit Spezialisten vor Ort reparieren. Der neu gegründete Verein "Repair Café Grenchen" will dies zweimal jährlich ermöglichen.

Oliver Menge
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Verein Repair Café Grenchen

Verein Repair Café Grenchen

Oliver Menge

Elektrogeräte und Elektronik kosten heutzutage wenig. Das verleitet die meisten Leute dazu, ein Gerät einfach zu ersetzen, wenn es einmal kaputt geht und das alte wegzuwerfen. Reparaturen beim Fachhändler – sofern es den überhaupt noch gibt – lohnen sich kaum noch. Entweder gibt es die Ersatzteile nicht mehr oder eine Reparatur würde annähernd so teuer, wie ein neues Ersatzgerät. Und böse Zungen behaupten gar, dass es für die Hersteller nicht von wirtschaftlichem Interesse sei, langlebige, robuste und auch reparierfähige Geräte herzustellen, weil damit das Wachstum dieser Industrie gebremst würde. Also baut man solche, die möglichst kaputt gehen und sich nicht oder nur schlecht reparieren lassen (siehe auch separater Artikel).

Sascha Nussbaumer bei der Reparatur eines Geräts Sascha und Peter Nussbaumer, Repair Café Grenchen
4 Bilder
 Hat er den Fehler gefunden, ist er oft schnell zu beheben.
 Hier war eine defekte Lötstelle für den Ausfall verantwortlich
 Fertig. Das Gerät kann wieder zusammengesetzt werden.

Sascha Nussbaumer bei der Reparatur eines Geräts Sascha und Peter Nussbaumer, Repair Café Grenchen

Oliver Menge

Diese Wegwerf-Mentalität ist manchen ein Dorn im Auge: Anfang Februar wurde aus einer Initiative des Forums Grenchen der Verein Repair Café Grenchen gegründet, mit dem Hintergrund, eine nachhaltigere Lebensweise zu fördern. Der Verein wird am Samstag, 29. Juni erstmals ein Repair Café im Parktheater durchführen, wo Leute ihre kaputten Haushaltsgeräte oder Unterhaltungselektronik, die ausgestiegen ist, vorbeibringen und bei der Reparatur dabeisein können. Aber nicht nur elektrische oder elektronische Geräte werden repariert, auch mechanische Dinge, wie Spielsachen oder kaputte Textilien, bei denen man beispielsweise nur einen Flicken aufnähen muss.

«Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, die Leute für einen nachhaltigeren Umgang mit den Ressourcen zu sensibilisieren», erklärt Sascha Nussbaumer, Präsident des inzwischen 11 Mitglieder zählenden Vereins. «Pro Jahr fallen weltweit rund 50 Millionen Tonnen an Elektroschrott an, und nur gerade 20% werden rezykliert.» Dies, obwohl die Geräte Gold, Silber, Kupfer, Platin oder Palladium enthalten – wertvolle Rohstoffe, die schon in naher Zukunft knapp werden, wie diverse Studien zeigen (Kupfer, Zink, Gold und Silber, Zinn beispielsweise schon innerhalb der nächsten 10-30 Jahre). In der Schweiz sind es pro Jahr rund 129 000 Tonnen Elektroschrott, die jährlich entsorgt werden.

Vater und Sohn

Der 43-jährige Software-Entwickler, gelernte Elektroniker und als Bereichsleiter in einer Firma in Solothurn tätig, die Hardware und Software entwickelt, hat die Begeisterung fürs Reparieren verschiedenster Dinge von seinem Vater Peter Nussbaumer mitbekommen. Der 71-Jährige ist im Vorstand des Vereins und wird am Repair Café ebenso eine aktive Rolle spielen, wie die anderen Mitglieder des Vereins, alle mit ähnlichem Hintergrund und derselben Leidenschaft fürs Basteln und Tüfteln – Ingenieure, Elektrotechniker, Mechaniker und Modellbauer. Denn Peter Nussbaumer, der lange bei der EWG tätig war, hat sein Leben lang «herumgestromert», wie er sagt. Auch noch zu Zeiten, als Geräte nicht einfach weggeschmissen wurden, wenn sie einmal defekt waren. «Wir hatten damals ein riesiges Lager an Ersatzteilen, sei es für Bügeleisen, Staubsauger oder andere Elektro-Haushaltgeräte. Denn damals kosteten solche Geräte wesentlich mehr als heute, wo man Staubsauger für 39.90 Fr. kaufen kann. Also wurden sie geflickt, wenn sie nicht mehr liefen.»

Etwa fünf Vereinsmitglieder werden sich um die Reparatur von Elektrik und Elektronik kümmern, zwei um mechanische Reparaturen, zwei Frauen um Textilien. Die Reparaturen sind kostenlos, nur das zur Reparatur notwendige Material wird verrechnet.

Keine Konkurrenz fürs Gewerbe

Der Verein will dem Gewerbe nicht schaden: «Wir sehen ja meist schnell, ob etwas überhaupt innert nützlicher Frist zu reparieren ist, oder ob die Reparatur unsere Möglichkeiten übersteigt. Dann werden wir unsere Kunden zu einer Servicestelle des entsprechenden Herstellers schicken – oder aber wir sehen, dass sich etwas beim besten Wissen und Gewissen nicht reparieren lässt. Dann können wir dem Kunden mit gutem Gewissen empfehlen, das Gerät zu entsorgen.

Die bewusst beschränkte Lebensdauer von Geräten

Wer hat sich nicht auch schon darüber genervt, dass Geräte gerade dann kaputt gehen, wenn die Garantie abgelaufen ist, man ein neues Update installiert hat und danach etliche Funktionen nicht mehr normal funktionieren oder das ganze Gerät ausgewechselt werden muss. Oder die Meldung, die Tintenpatrone beim Drucker müsse ausgewechselt werden, weil sie leer sei – schneidet man das Teil auf, ist die Patrone noch zu einem guten Viertel voller Tinte. Aber auch andere Schäden an Geräten können ärgerlich sein: gebrochene Lötstellen bei schlecht verlöteten Kabeln, defekte Sicherungen, die man selber nicht so einfach ersetzen kann. Dafür sind die Repair Cafés da.

Man kennt sie in der Schweiz seit 2014. Die unabhängige Stiftung Konsumentenschutz SKS gründete damals das erste Repair Café in Bern als Reaktion auf die damals bekannt gewordene Strategie vieler Hersteller, dass Geräte nach einer bestimmten Zeit einfach so kaputt gehen, ohne ersichtlichen Grund. Bereits 2013 prangerte der Konsumentenschutz die sogenannte «geplante Obsoleszenz» an und veröffentlichte ein umfangreiches Dossier dazu. Aktuell gibt es in der Schweiz 120 dieser Repair Cafés, ab Ende Monat nun auch in Grenchen. (om)

Meist seien es kleinere Schäden, gelöste Lötstellen oder defekte Sicherungen, die ein Gerät dazu bringen, den Geist aufzugeben. Schäden, die man leicht reparieren könne, «sofern wir das Gerät überhaupt öffnen können», meint Sascha Nussbaumer schmunzelnd. Denn gerade bei moderneren Geräten sei oft die Krux, dass man zum Öffnen der Gehäuse schon fast Spezialwerkzeuge benötige. Aus diesem Grund wird man auch keine Handys oder TVs für eine Reparatur annehmen.

Kommt ein Besucher mit einem defekten Gerät an, muss er erst einmal einen Haftungsausschuss unterschreiben. «Auch wenn wir elektrische Geräte nach einer Reparatur einer strikten Prüfung streng nach Protokoll unterziehen, können wir keine Haftung für zukünftige Schäden übernehmen.» Geräte mit sicherheitsrelevanten Schäden werden nicht angenommen, also beispielsweise Mixer, bei denen die Befestigung der Messer defekt sei oder Toaster mit defekten Heizschlangen. «Solche Geräte müssen wir ablehnen.» In einer Triage begutachtet einer der Experten den Schaden und schätzt, wie lange die Reparatur wahrscheinlich dauert, welche Reparaturen gerade in Arbeit sind und wie lange der Kunde warten muss. «Da hat man dann Zeit, um im Restaurant Parktheater einen Kaffee zu trinken oder eine Kleinigkeit zu essen.»

Ist das kaputte Gerät an der Reihe, wird der Kunde gerufen und ist bei der Reparatur dabei. Er kann sogar selber mithelfen. «Wir wollen schliesslich nicht einfach nur flicken, sondern die Leute auch beraten und ihnen zeigen, wo der Fehler liegt.» Für schwierige Fälle könne man eventuell auch die Hilfe des Internets in Anspruch nehmen, sagt Nussbaumer: «Oft gibt es für spezifische Geräte Reparaturanleitungen auf Youtube, die wir zu Rate ziehen können».