Grenchen
Präsident des Künstlerarchivs hat gekündigt: «Es ist Zeit für mich, zu gehen»

Thomas Schärli, seit drei Jahren Präsident des Künstlerarchivs und seit 2007 in dessen Vorstand, hat demissioniert.

Oliver Menge
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Thomas Schärli, Präsident des Vereins Kunstarchiv Grenchen, anlässlich der Eröffnung der neuen Lokalität.

Thomas Schärli, Präsident des Vereins Kunstarchiv Grenchen, anlässlich der Eröffnung der neuen Lokalität.

Hanspeter Bärtschi

«Es ist Zeit, im Präsidium und im Vorstand Platz zu machen für die Nächsten, die sich fürs Kulturgut von Toni Brechbühl, das Künstlerarchiv Grenchen (KAG), einsetzen werden» – so beginnt das Demissionsschreiben des Mannes, der sich seit der Gründung des Künstlerarchivs im Jahr 2005 für dessen Öffentlichkeitsarbeit starkgemacht hatte. Verfasst hatte er das Schreiben schon Anfang Februar, seine Demission in die Tat umgesetzt am Dienstagabend an der ordentlichen Mitgliederversammlung des Künstlerarchivs im Restaurant Airport.

Öffentlichkeitsarbeit war sein Hauptanliegen

Thomas Schärli war von Anfang an dabei. Seine Frau Marie-Josée trat 2006 dem Vorstand bei, er selber ein Jahr später. Als Journalist kümmerte er sich um eines der Anliegen, die dem Gründer Toni Brechbühl besonders am Herzen lagen: das KAG sollte nicht bloss ein verstaubtes Archiv sein, sondern es sollte leben, genutzt werden und der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. «Öffentlichkeitsarbeit lag mir genauso am Herzen wie Toni. Es ist uns gelungen, der Bevölkerung ‹ein lebendiges Archiv› zu präsentieren.»

Gemeinsam seien einige sehr interessante Ausstellungen realisiert worden, resümiert Schärli. Er nennt beispielsweise die Exlibris-Ausstellung, die für den Grossteil des Publikums unbekanntes Terrain war, aber auf grosses Interesse stiess. Exlibris sind eine heute nur wenig gebräuchliche Form der Information über den Besitzer eines Buches, eingeklebt auf der ersten Seite eines Buches. Die Sammlung im Künstlerarchiv zählt rund 300 erfasste Exlibris, meist in Form eines Holzschnittes oder eines Stiches. Das älteste Exlibris der Sammlung entstand bereits im Jahr 1541.

Schärli erwähnt auch die gelungene Doppelausstellung mit Werken des Grenchner Künstlers Ferdinand Kaus im Grenchner Innovation und im Chutz in Solothurn und die 2011 erschienene Publikation zu den Ausstellungen, für die er verantwortlich zeichnete. Das Künstlerarchiv erhielt aus dem Nachlass von Max Brunner über 200 Ölbilder, Holz- und Linolschnitte und Skizzen. In einer Ausstellung im Kultur-Historischen Museum 2013 habe man einen interessanten Einblick in die wertvolle Sammlung ermöglicht. «Wir konnten zeigen, was wir haben, und dazu immer wieder an Anlässen wie dem Weihnachtsmarkt, dem Coffre Ouvert oder an Gewerbeausstellungen an die Öffentlichkeit treten. Das war das Ziel in all den Jahren, und das haben wir erreicht», so Schärli.

Höhepunkt – und gleichzeitig auch Abschluss – sei der Umzug in die neuen Räumlichkeiten südlich des Werkhofs gewesen. «Es war mir und meiner Frau wichtig, Toni in den letzten Jahren zur Seite zu stehen. Und ich bin froh darüber, dass er den neuen Standort sogar noch selber sehen konnte – wenn auch noch leer.» Den Umzug selber hat Toni Brechbühl bekanntlich nicht mehr selber erlebt und auch die Eröffnung nicht. «Aber er hätte grosse Freude daran gehabt», sagt Schärli.

Nicht zu vergessen auch der Anerkennungspreis der Stadt Grenchen, den das Künstlerarchiv diesen Frühling erhalten hat, so Schärli. «Es ist schön, damit abtreten zu können.»

Diverse Gründe bewegten zur Demission

Schärli und seine Frau leben schon seit einigen Jahren in Deutschland am Bodensee und haben dort ihren Lebensmittelpunkt. Das sei mit ein Grund für die Demissionen, auch Marie-Josée trat am Dienstag aus dem Vorstand aus. Weitere Vorstandsmitglieder haben ebenfalls demissioniert (siehe Artikel unten).

Doch es gab noch andere Gründe für die Demission, lässt Schärli durchblicken: «Über eine so lange Zeit kann es zwischen Vorstandsmitgliedern auch zu Meinungsverschiedenheiten und Differenzen kommen.» Tatsache ist, dass Schärli bereits vor etwa einem Jahr in einer Sitzung des Gremiums den Bettel hinwarf. Allerdings liess er sich dazu erweichen, das Präsidium doch noch weiterzuführen. Aber nach einem Jahr, das unter anderem auch durch Diskussionen über Kompetenzen und Zuständigkeiten geprägt war, fasste er den Entschluss, sein Engagement auf die nun erfolgte Mitgliederversammlung zu beenden.

Ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin sei nicht in Sicht, so Schärli, jedenfalls nicht, soweit er wisse. «Der Vorstand verfügt auch nach den Abgängen über eine ausreichende Zahl Mitglieder, sodass er sich auch selber konstituieren und einen Vorsitzenden ernennen kann, so wie das bei anderen Vereinen auch der Fall ist.» Seine anderen Tätigkeiten wie die Redaktionsleitung des Grenchner Jahrbuches und des Jahrbuchs des Kantons Solothurn will Schärli beibehalten, sagt er. «Dafür brauche ich nicht öfter in Grenchen präsent zu sein.»

Vorstand kann sich selber konstituieren

Noch-Präsident Thomas Schärli blickte in seinem Jahresbericht an der Mitgliederversammlung nochmals auf das ereignisreiche und erfolgreich abgeschlossene vergangene Vereinsjahr zurück (siehe Haupttext). Er bedankte sich bei allen Beteiligten, insbesondere bei der Baugruppe rund um die beiden Vorstandsmitglieder Hanspeter Crivelli und Roland Schwob,für die geleistete grosse Arbeit im Zusammenhang mit dem Umzug an die Lebernstrasse.

Er und seine Frau Marie-Josée demissionierten aus dem Vorstand, ebenso Beisitzer Silvan Granig und Revisor Franco Petrolo. Als neuer Revisor wurde Daniel Siegenthaler, Grenchen, per Akklamation der rund 20 anwesenden Mitglieder gewählt. Eine Nachfolge für das Präsidium ist nicht in Sicht, die Versammlung erteilte dem noch vierköpfigen Vorstand (Hanspeter Crivelli, Roland Schwob, Claude Desgrandchamps und Jürg Rüegsegger) aber die Kompetenz, neue Vorstandsmitglieder per sofort zu suchen und einzusetzen, ohne dass sie vorgängig durch die Mitgliederversammlung gewählt, sondern erst im nächsten Jahr bestätigt werden müssen. Der Vorstand kann sich also selber konstituieren.
Die Website soll in den nächsten Wochen aktualisiert und auf den neusten Stand gebracht werden, erklärte Roland Schwob.

Wie Kassier Claude Desgrandchamps ausführte, wurden fast 600 Stunden an Eigenleistungen beim Umzug in die neue Lokalität beim Werkhof geleistet – bei einem angenommenen Stundenlohn von 30 Franken ein ansehnlicher Betrag von über 17 000 Franken. Der Umzug belastete die Rechnung des KAG – wie im Vorfeld bereits erwartet worden war – mit Ausgaben von über 12'000 Franken. Das Eigenkapital schrumpfte von 15'473 Franken auf noch 3376 Franken. Rund 23'800 Franken an Spenden und Sponsorengeldern gingen für den Umzug in die neuen Lokalitäten ein, die Gesamtkosten beliefen sich auf insgesamt 47'000 Franken.
Das Budget für das kommende Jahr rechnet mit Einnahmen von 11'500 Franken, davon fallen 9000 Franken auf Mitgliederbeiträge. Auf der Ausgabenseite rechnet der Kassier mit Ausgaben von 11'500 Franken, eine schwarze Null soll übrig bleiben.
Das Künstlerarchiv zählte per 30. Juni 2019 168 Mitglieder, davon 82 Einzelmitglieder, 35 Ehepaare und 16 Firmen.