An der Gemeindeversammlung von Pieterlen machte die Bevölkerung klar: Sie will keinen Transitplatz für Fahrende.
Seit vor wenigen Tagen bekannt wurde, dass der Kanton Bern plant, in Pieterlen und Meinisberg zwei Transitplätze für ausländische Fahrende zu erstellen, ist der Widerstand in der Bevölkerung schnell gewachsen. Das bekam der Berner SVP-Regierungsrat, Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektor Christoph Neuhaus an einer kurzfristig organisierten Informationsveranstaltung nach der sehr gut besuchten Pieterler Gemeindeversammlung deutlich zu hören.
Er hatte die undankbare Aufgabe, die Gründe für die Standortwahl darzulegen. Er war aber auch nach Pieterlen gekommen, um stichhaltige Argumente gegen den Standort im Dorf wieder mit nach Bern zu nehmen. Die rund 220 Anwesenden, darunter 180 Stimmberechtigte, machten ihrem Unmut deutlich Luft.
Gemeindepräsidentin Brigitte Sidler (FDP) machte klar: «Pieterlen will diesen Transitplatz nicht!» Er sei nicht am richtigen Ort und der Gemeinderat werde die Argumente sammeln, die gegen den Standort Pieterlen sprächen. Der Gemeinderat habe an seiner letzten Sitzung einen Transitplatz auf Pieterler Boden einstimmig abgelehnt. Noch nie habe sie eine solche Welle vereinter Empörung im Dorf erlebt. Dass an ihrer voraussichtlich letzten Gemeindeversammlung auch so viele Bürgerinnen und Bürger erschienen seien, sei doch ein deutliches Zeichen. Sidler erntete dafür grossen Applaus.
Neuhaus, der den Auftrag von der Regierung «gefasst habe», wie er sagte, machte deutlich, dass er Fakten brauche, die gegen eine Realisierung sprächen, nicht bloss Argumente. Er machte deutlich, dass sein Gang nach Pieterlen freiwillig sei und er geradesogut in Bern bleiben und dort über den Standort entscheiden könne. Aber er sei bereit, Fragen zu beantworten. Der Berner Regierungsrat erklärte den Anwesenden nochmals die Beweggründe des Kantons für das Vorhaben: Fahrende gälten in der Schweiz als anerkannte, nationale Minderheit und man müsse ihnen genügend Halteplätze zur Verfügung stellen.
Die Gemeinde Pieterlen ist Testgemeinde für das neue Rechnungslegungsmodell HRM2. Die Jahresrechnung 2014 wurde erstmals nach diesem neuen Modell erstellt.
Der Gesamthaushalt schliesst mit einem Ertragsüberschuss von 336 323 Franken ab. Budgetiert hatte man ein Defizit von 161 874 Franken. Auch die Rechnung 2013 schloss mit einem Defizit von 140 000 Franken ab.
Die grössten Abweichungen verglichen zum Budget sind bei folgenden Posten zu finden: Lehrergehälter von Primar- und Sekundarstufe fallen knapp 110 000 Franken tiefer aus als budgetiert. 23 327 Franken an Ergänzungsleistungen wurden weniger bezahlt und der Gemeindeanteil an den öffentlichen Verkehr war um 37 400 Franken tiefer als budgetiert.
Einen grossen Brocken machten auch Minderleistungen an die Sozialhilfe aus: inklusive Sozialdienst knapp 150 000 Franken.
Ebenfalls ging bei der Elektrizität der Umsatz im Netzbereich um mehr als 200 000 Franken zurück, dies, weil die Netztarife im Industriebereich stärker als im Haushaltsbereich reduziert wurden, der Verbrauch im Industriebereich aber stärker anstieg.
Der gesamte Steuerertrag betrug 7,9695 Mio. Fr. – 321 300 Franken mehr als budgetiert.
Bei den natürlichen Personen fiel der Steuerertrag leicht tiefer aus als budgetiert, bei den direkten Steuern und einem Budget von knapp 6 Mio. Fr. bedeutet die Abweichung um knapp 12 000 Franken aber sozusagen eine Punktlandung.
Anders bei den juristischen Personen. Erfreulicherweise fielen dort die Gewinnsteuern fast doppelt so hoch aus als budgetiert. Statt der budgetierten 552 000 Franken flossen 988 400 Franken in die Kasse.
2014 wurden Netto-Investitionen in der Höhe von 911 600 Franken vorgenommen. Budgetiert waren 1,8 Mio. Fr.. Der Selbstfinanzierungsgrad beträgt 145,1%.
Die Bilanz schliesst positiv, das Finanzvermögen stieg um 2,1 Mio. Fr. Das Pro-Kopf-Vermögen der Gemeinde beträgt netto 217 Franken.
Die Gemeindeversammlung genehmigte die Rechnung einstimmig. (om)
Weil nach Artikel 8 der Bundesverfassung ausländische Fahrende nicht diskriminiert werden dürfen, müssten auch für diese Halteplätze geschaffen werden und der Kanton Bern müsse hier seinen Teil leisten. «Es handelt sich um Fahrende aus Frankreich, Grossbritannien oder ähnlich, die in den letzten Jahren immer öfter die Schweiz durchqueren. Die kommen, bleiben wenige Tage bis maximal einen Monat lang und fahren dann weiter.»
Der Gemeinde entstünden durch den Transitplatz keine Kosten. Der Kanton trage die Planungs- und Baukosten. Für den Betrieb sei die Gemeinde zuständig. Die Fahrenden müssten für die Benutzung des Platzes aber eine kostendeckende Gebühr entrichten und ein Depot hinterlegen. «Die Fahrenden melden sich nicht bei der Gemeinde an, und ihre Kinder besuchen auch nicht die lokalen Schulen», betonte Neuhaus.
Man stehe zwar erst am Anfang der Planung, sei auf der Suche nach geeigneten Standorten aber nicht gerade verwöhnt: Von rund 4500 Parzellen, die dem Kanton gehören, erfülle kein Ort die Kriterien für einen Halteplatz – rund 3000 Quadratmeter gross, höchstens 5% Gefälle, Wasser- und Stromanschluss, in der Nähe von Transitachsen, siedlungsnah. Von bundeseigenen Grundstücken erfüllten deren elf entlang der A1 und A5 die Kriterien, alle im Besitz des Astra (Bundesamt für Strassen). Für das Astra kämen nur die zwei genannten in Pieterlen und Meinisberg infrage.
Die Parzelle in Pieterlen, knapp 6000 Quadratmeter gross, liegt südlich der Bahnlinie in einer Arbeitszone in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Quartier, einzelnen Gewerbebetrieben und dem Burgerwald. Diejenige in Meinisberg, unmittelbar bei der Autobahnausfahrt und keine 4 Kilometer von der Parzelle in Pieterlen entfernt, ist doppelt so gross, liegt aber in der Landwirtschaftszone und ist an einen Landwirt verpachtet.
Über eine Stunde lang bekam Neuhaus einiges zu hören. In einer emotionsgeladenen Atmosphäre äusserten viele Pieterler ihre mehr oder weniger berechtigten Ängste und Befürchtungen, Fragen wurden wenige gestellt. Die Ausführungen des Berner Regierungsrates stiessen auf wenig Zustimmung bei den Anwesenden. Insbesondere wurden das rasche Vorgehen des Kantons scharf kritisiert und die Tatsache, dass von 4500 Parzellen nur gerade diejenigen in Pieterlen und Meinisberg infrage kämen, wurde von vielen Pieterlern als unglaubwürdig bezeichnet. Die Gemeinde verliere an Attraktivität und alle Bemühungen, gute Steuerzahler ins Dorf zu holen, seien damit zunichtegemacht. Viele befürchteten eine erhöhte Kriminalität, was eigentlich einen zusätzlichen Polizeiposten erfordere, die Verbreitung von Krankheiten durch liegengelassenen Abfall und Fäkalien in den umliegenden Wiesen, Bettler vor Pieterlens Geschäften, der Verlust von Ruhe und eine akute Gefährdung der Kinder durch den Mehrverkehr mitten durch ein Wohnquartier. Auch wurde die Rolle Biels kritisiert – die Stadt hat angeboten, bei Kontrollen und Betrieb mitzuhelfen. Offensichtlich wolle die Stadt hier einfach ein Problem exportieren und es wäre besser, die Fahrenden irgendwo in Biel zu stationieren, wo sie eigentlich auch hingehörten.
Das Thema Sicherheit wurde immer wieder genannt, und die Beteuerungen Neuhaus’, die Kantonspolizei habe zugesichert, die notwendigen Kontrollen durchzuführen, stiessen bei den Anwesenden auf wenig Verständnis. Es brauche ein Sicherheitskonzept und der Kanton habe es sträflich versäumt, ein solches zu präsentieren. Hier handle es sich um eine erste Information, entgegnete Neuhaus. Ein Sicherheitskonzept werde erst zu einem späteren Zeitpunkt erstellt.
Neuhaus liess sich nicht aus der Ruhe bringen, nahm alle Fragen und Argumente auf und versprach, sie zu beantworten.
Die Gemeinden haben nun bis Ende Juni Zeit, die Argumentarien zusammenzustellen und dem Kanton die Gründe darzulegen, die gegen eine Realisierung sprechen. Der Regierungsrat werde Ende August entscheiden, wo der Transitplatz hinkommt, der Grosse Rat werde voraussichtlich Anfang 2016 über den Baukredit entscheiden. Bis 2017 spätestens soll der Transitplatz – entweder in Pieterlen oder in Meinisberg – realisiert werden, sofern keine Einsprachen erhoben werden.
Es ist allerdings damit zu rechnen, dass der Widerstand noch weiter wächst: Neuhaus wurde am Ende der Veranstaltung ein Couvert mit 1254 Unterschriften gegen den Transitplatz übergeben, die innerhalb von nur vier Tagen gesammelt worden waren.