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Das Berufsbildungszentrum Grenchen putzt sich heraus. Nach den Sommerferien soll die letzte verwilderte Ecke beim Berufsbildungszentrum der Erweiterung des Schulgartens Platz machen.
Seit die dreijährige Lehre EFZ für Gärtner und Gartenbauer 2016 von Solothurn nach Grenchen umgezogen ist, hat sich an der Sportstrasse 2 viel getan. Mit den Retensionsbecken für das Meteorwasser westlich und östlich des Gebäudes, war die Anlage bei ihrem Bau vor 30 Jahren visionär in Sachen «Bildungsarchitektur». Weil die angehenden Gärtner hier domiziliert sind, hat die Anlage seit vier Jahren eine zusätzliche Attraktion: Berufsschüler und Spaziergänger freuen sich nun gleichermassen an der Farbenpracht rund um das Haus. Während zehn Monaten pro Jahr blüht es hier.
Auf der Nordwestseite finden Interessierte 230 beschilderte Pflanzenarten, von der Steinanlage auf dem Niveau der Strasse bis hoch zum Moorbeet rechts neben dem Haupteingang. Bäume und grössere Sträucher schliessen die Lücke bis zum Zaun des westlichen Wasserbeckens.
Südlich des Gebäudes wurde ein Beispielgarten angelegt. So könnte eine harmonische Bepflanzung bei einem Kunden aussehen. Verwendet wurden nur Pflanzen der Ausbildungsliste, 50 Gattungen, Arten und Sorten. Neben der passenden Verwendung des Standorts, wurde auch die Nützlichkeit in die Überlegungen einbezogen. So befinden sich hier Küchenkräuter für die Mensa.
Viele der mehrjährigen Pflanzen hat Bärtschi von Solothurn, wo er seit 2007 für die Aussenanlage zuständig war, nach Grenchen gezügelt. Er hat die Anordnung des Schulgartens geplant und gezeichnet. Ausgeführt wurde das Konzept von einer lokalen Gartenbaufirma. Auch für das Jäten und Setzen neuer Pflanzen wird er von einer solchen Firma unterstützt, um die Bewässerung kümmert sich der Hausdienst.
Bärtschi investiert auch einen Teil seiner Freizeit in den Schulgarten. Er erklärt: «Ich setze mich für die Gärtner und Gartenbauer ein. Ganz besonders liegt es mir am Herzen, dass unsere Ausbildungen ein gutes Niveau haben und dafür ist ein gepflegter Schulgarten das A und O.»
Der Schulgarten ist mehr als ein lebendiges Pflanzenlexikon. «Hier können sich die Lernenden nicht nur das Aussehen und die Namen, lateinisch und deutsch, einprägen, sondern auch viel lernen über den passenden Standort für jede Pflanze», sagt Bärtschi. Dabei stehen die Pflanzen mit den gelben Schildern im ersten Lehrjahr auf dem Programm, diejenigen mit den weissen im zweiten. Vereinzelte blaue Schilder zeigen an, dass die zugehörige Pflanze nicht zum Pflichtprogramm der 410 der Branche gehören. Weitere Farben zeigen unterschiedliche Pflanzengruppen an. Übrigens sind neben einheimischen Pflanzen auch Exoten anzutreffen, die von Schweizer Gartenfreunden geschätzt werden – «allerdings keine invasiven Neophyten», wie Bärtschi betont.
«Die Natur zeigt uns, wo eine Pflanze gedeiht», sagt der Fachlehrer. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle: Sonne, Schatten, Feuchtigkeit, Bodenbeschaffenheit, die Nachbarschaft anderer Pflanzen, um nur einige zu nennen. Bärtschi ist überzeugt: «Diese Kenntnisse machen einen guten Gärtner aus. Sie können durch spezialisierte Apps ergänzt, aber nicht ersetzt werden.» Auf die Frage nach seiner Lieblingspflanze schüttelt der Gärtner lachend den Kopf: «Mich fasziniert jede Pflanze – und etwas von dieser Faszination möchte ich den Lernenden mitgeben für ihre berufliche Laufbahn.»
Auch während des Lockdowns war Bärtschi alle paar Tage im Schulgarten. Da fiel ihm vor zwei Monaten auf, dass ein Landschaftsgestalter auf den Plan getreten war, den niemand eingeladen hatte: Ein Biber hat sich im Teich westlich des Gebäudes häuslich niedergelassen, ein junges Männchen, wie die Vertreter der Berufsfachschule annehmen. Der wachsende Asthaufen legt Zeugnis ab von der nächtlichen Aktivität des scheuen Tieres.
Gekommen ist der Biber vermutlich durch die Hecke an der Archstrasse, obwohl auch der Zaun zum Schulgarten für ihn kein Hindernis darstellt. Im Rahmen des Rundgangs stellt Bärtschi nämlich fest, dass der Nager den Thuja-Strauch zum Objekt seiner Begierde erklärt hat. «Vorerst haben wir viel Freude an unserem Biber. Doch wenn er eine Familie aufzieht, könnte es mit den Schäden problematisch werden.» Die weissen Seerosen im Teich habe das Tier bereits restlos verputzt. Offenbar schmecken weisse Seerosen besser als rote, denn diese blühen noch zahlreich.
Einzig an der nordöstlichen Ecke der Anlage stört kniehohes «Gjätt» die Ästhetik. Diesen Streifen von 75 Quadratmetern will Bärtschi nach den Sommerferien für die Neugestaltung in Angriff nehmen. Unter anderem sollen hier Rankengewächse, wie Weinstöcke, ihre Heimat finden. «Daran lassen sich dann zum Beispiel Dinge lernen wie der fachgerechte Schnitt», sagt er.
Bis zum Jahresende soll der Schulgarten fertig bestückt sein. Dann werden nördlich und südlich des Gebäudes je zirka 150 Quadratmeter gemäss dem aktuellen Gärtnerei-Lehrplan bepflanzt sein, mit gesamthaft 395 der 410 Pflichtpflanzen. Bei den fehlenden 15 handelt es sich mehrheitlich um Bäume, die der Berufsschule allzu schnell über den Kopf wachsen würden, wie Fichte, Platane und Tulpenbaum.
«Auch bei denjenigen Bäumen, die wir gesetzt haben, muss ich dafür sorgen, dass sie nicht zu gross werden.» Bärtschi deutet auf einen Setzling, der das Zeug zum Gigantismus hat, allerdings erst in einigen Jahrzehnten: «Das ist ein Urweltmammutbaum, ein lebendes Fossil.» Bleibt zu hoffen, dass der Biber Respekt zeigt vor der Weltgeschichte und den Mammutbaum stehen lässt.