Das Theater Rigiblick führte am Parktheater das halb-dokumentarische Stück «Maria Callas – Meisterklasse» von Terrence McNally auf.
«Terrence McNally bewunderte die Radikalität von Maria Callas’ Kunstauffassung», sagt Regisseur Klaus Henner Russius. «Er hat alles gelesen und sich alles angehört, was mit Callas zu tun hat». Es sei schade, dass die junge Generation Callas nicht mehr kenne, die 1977 gestorben ist. Sie, die damals «Primadonna assoluta» der Oper genannt wurde, war laut McNally auch absolut in ihren Ansprüchen an sich und andere Künstler.
Die absolute Hingabe an die Kunst ist das Kernthema des Stücks. Drei junge Opernsänger, zwei Frauen und ein Mann, werden in einem Meisterkurs mit Maria Callas konfrontiert. Callas steht am Ende ihrer Karriere, da ihre Stimme gelitten hat. Den Pianisten gibt Helmut Vogel, den Orchesterdiener der Regisseur Klaus Henner Russius.
McNally zeigt die älter gewordene Diva als egozentrische Frau, die die Schüler in ein Wechselbad von Demütigungen und falschen Komplimenten steckt, bis sie in Tränen aufgelöst sind. «Der Komponist ist ein Gott, Sie sind Dutzendware», schleudert Callas (brillant gespielt von Graziella Rossi) ihnen entgegen, und:
«Ihre Stimme ist hübsch, aber ich hatte nie eine hübsche Stimme.»
Derart gedemütigt und immer wieder schon nach dem ersten Ton kritisiert und unterbrochen, wird auch bei Callas immer mehr innere Gebrochenheit sichtbar. So stolz und aufrecht sie auch wirkt und so beeindruckend sie singt, hat man doch das Gefühl, dass mit dem Ende ihrer Karriere als Sängerin auch das Ende ihres Lebens erreicht ist. Kommt die erste Schülerin Sophie De Palma (gespielt von Anna Aki) schüchtern daher, wirkt der Tenor Antony Candolino (Nino Aurelio Gmünder, der den erkrankten Daniel Bentz ersetzte) selbstbewusst, und auch der zweite Sopran Sharon Graham (Olga Kharchenko) macht mit gewaltiger Stimme Eindruck. Dennoch scheint es zuerst, als hätten die Drei der Diva nichts entgegenzusetzen.
Doch als Sharon Graham Callas am Schluss entgegenhält, diese wolle ja nur, dass sie, Sharon, gleich werde wie Callas, schrumpft Callas in sich zusammen. Das Stück endet damit, dass Callas sich auch noch als Lehrerin in Frage stellt. Zuvor werden historische Aufnahmen der Callas’schen Glanzarien mit gesprochenen Reflexionen ihres Lebens überspielt. Darin ist unter anderem von einem ungeborenen Kind die Rede, das Callas (so heisst es in der Biografie von Arianna Stassiopoulos «Maria. Beyond the Callas Legend», erschienen 1980) als 43-Jährige abtreiben musste, weil Aristoteles Onassis, mit dem sie liiert war, dies so wollte. Callas hatte sich das Kind sehr gewünscht, aber Onassis hatte gedroht, sie zu verlassen, wenn sie es bekäme. So wird allmählich das Bild einer abhängigen Frau komplett, die unter einem Minderwertigkeitskomplex leidet und sich immer wieder selber als «fett» oder «hässlich» diffamiert. Sie sagt aber auch: «Wenn ich singe, bin ich nicht dick, nicht die Frau eines alten Mannes.»
Der schwerreiche Onassis, wie Callas ein Grieche, sagt im Stück:
«Ich gebe dir alles ausser Liebe, denn ich brauche auch keine Liebe.»
Maria Callas gibt diese Kälte ans Publikum weiter, indem sie etwa zu ihren Schülern, die sie gerne als «Opfer» bezeichnet, sagt: «Wir müssen das Publikum in die Knie zwingen, denn wir haben immer recht.» Das Grenchner Publikum nahm die Aufführung mit warmem Applaus entgegen, wenn auch der Saal des Parktheaters nur zu einem Viertel besetzt war. Doch wie sagte Regisseur Hennings: «Ich habe das Stück an die 60 Mal gesehen und mich noch nie gelangweilt.»