Umsturz
Palastrevolution beim FC Grenchen - aber der "Kaiser" weiss von nichts

Offenbar fand beim FC Grenchen am Wochenende ein Umsturz statt: Paul Kocher wurde als Geschäftsleitungsvorsitzender abgewählt, was er allerdings dementiert. Ehemalige Vorstandsmitglieder haben ihre früheren Tätigkeiten wieder aufgenommen.

Oliver Menge
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Trainer Najib Melhli (links) und Alain Marie bleiben.

Trainer Najib Melhli (links) und Alain Marie bleiben.

Alexander Wagner

Am Seelandcup in Lyss belegte der FC Grenchen den 2. Platz hinter dem FC Münsingen. Das interessierte aber am Montag die wenigsten mitgereisten Grenchenfans. Denn schon am Nachmittag kursierten Gerüchte, es sei in der Führung zu einem Umsturz gekommen sei, schreibt das «Bieler Tagblatt» in seiner Ausgabe vom Dienstag.

Paul Kocher, der vom ehemaligen Präsidenten Rolf Bieri als Verantwortlicher für Organisation, Verwaltung und Controlling des Vereins eingesetzt worden war, habe den Hut nehmen müssen.

Tatsächlich: Letzten Freitag hat Paul Kocher eine Funktionärssitzung einberufen. An dieser Sitzung haben ihn seine drei Vorstandskollegen, Alain Marie, Darko Selkic und Cheftrainer Najib Mehli, als Geschäftsleitungsvorsitzenden abgewählt, was von Kocher allerdings dementiert wird (siehe Kasten).

Welche Version zum ungeliebten Geschäftsführer stimmt wirklich?

Kocher, der sich in Medienkreisen vor allem dadurch einen Namen machte, indem er wahllos Journalisten auf eine schwarze Liste setzte und allen mit dem FC Grenchen verbundenen Personen verbot, diesen Medienschaffenden irgendwelche Auskunft zu erteilen, musste auf Druck von langjährigen Donatoren und Sponsoren gehen. Schon länger war in der Stadt immer wieder zu vernehmen, dass Mitglieder des Club 200 beispielsweise ihr finanzielles Engagement infrage stellten, solange Kocher im Amt bleibe. Denn dieser habe mit allen Mitteln versucht, alle Macht an sich zu reissen und es gleichzeitig verpasst, das Nötigste zu erledigen. Ein Mitglied des Clubs 200, das anonym bleiben möchte, beschreibt die Situation als chaotisch. Das Beizli im Stadion sei von der Polizei geschlossen worden, weil Kocher es versäumt habe, die notwendigen Bewilligungen einzuholen. Die SWG habe mit dem Abstellen von Strom und Wasser drohen müssen, weil Rechnungen nicht bezahlt worden seien. Sponsoren seien von Kocher «angepfurrt» und vor den Kopf gestossen worden, mit den regionalen Medien habe sich Kocher in einem Masse verkracht, dass auch in der Bevölkerung der nötige Rückhalt gefehlt habe. Spielberechtigungen hätten gefehlt, weil Kocher die notwendigen Formalitäten nicht erledigt hatte, und so weiter. Kocher selber will von alledem nichts wissen. Es habe keine Sitzung gegeben am Freitag, meinte er auf Anfrage. Er habe weder bis zum jetzigen Zeitpunkt demissioniert noch sei er abgesetzt worden. Es sei auch nicht möglich, dass er abgewählt werde, denn das könne nur an einer einberufenen Vorstandssitzung geschehen. Und neue Vorstandsmitglieder könnten laut Statuten – die kenne anscheinend ausser ihm keiner so richtig – nur an einer GV gewählt werden. Da wollten nur einige ihre Intrige durchziehen. Er habe sich bis jetzt stets nur zum Wohl des FC Grenchen eingesetzt. Das hätten in der Vergangenheit nicht alle getan. Der FC Grenchen habe jahrzehntelang über seine Verhältnisse gelebt. Er habe jetzt massive Einsparungen machen können.
Laut Kocher bleibt also alles beim Alten. Wetten, dass da noch Rechtsstreitigkeiten auf den FC Grenchen zukommen? (om)

Ehemalige Vorstandsmitglieder – allen voran Lilo Dellsperger, die 14 Jahre lang Spiko und Sekretärin des FC Grenchen war und von Kocher Ende Juni rausgeworfen wurde – sind in die Bresche gesprungen und haben ihre alten Funktionen übernommen. Auch Nadia Aubry, die Nichte Bieris, welche angeblich aus Zeitgründen nur wenige Wochen nach ihrer Wahl in den Vorstand demissioniert hat, ist wieder mit an Bord. Die Chemie zwischen ihr und Kocher habe nicht gestimmt, sagen nahestehende Personen. Dies sei der wahre Grund für ihre Demission. Kassier Rolf Janz ist ebenfalls wieder mit von der Partie.

Die alten neuen Vorstandsmitglieder müssen allerdings noch gewählt werden. Zu diesem Zweck wird wohl in Kürze eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen – nicht die erste im laufenden Jahr, notabene.

Investoren gingen auf Distanz

Der in Pieterlen wohnhafte Franzose Alain Marie war im Mai als Vertreter der neuen Investorengruppe rund um den Franzosen Jean-Michel Pradeau, Direktor der Pharmaunternehmung «3APharmaSA» in Genf, in den Vorstand gewählt worden und ist verantwortlich für die Bereiche Marketing, Sponsoring und Events. «Wir waren etwas im Sandwich», erklärt er auf Anfrage. Zwar habe man zu Beginn gut mit Paul Kocher arbeiten können, aber es sei rasch klar geworden, dass Kocher sich mit diversen Personen innerhalb des Klubs schlecht verstanden habe. Und wichtige Geldgeber, bestehende und solche, die eine finanzielle Beteilung in Aussicht stellten, bestanden darauf, dass Kocher gehe, andernfalls sie ihre Unterstützung einstellen beziehungsweise nicht stattfinden lassen würden. «Wir waren überrascht über die vielen internen Konflikte im Klub. Das hat auch die Investorengruppe etwas verunsichert.»

Viel Administratives sei unter Kocher liegen geblieben. «Nichts hat mehr funktioniert, Strukturen waren keine mehr vorhanden.» So musste die neue Führungscrew zum Beispiel am Montagabend noch die letzten Unterschriften und Papiere der Spieler einholen und nach Bern bringen, damit fürs erste Meisterschaftsspiel überhaupt eine erste Mannschaft einlaufen kann. «Lilo Dellsperger ist genau die richtige Person dafür, schliesslich hat sie den Job als Spiko schon 14 Jahre lang sehr gut gemacht».

Man muss Vertrauen schaffen

Nun gehe es in erster Linie darum, das Vertrauen bei Donatoren, Sponsoren und der Investorengruppe wieder zu gewinnen, sagt Marie. «Ich bin zuversichtlich, dass die bestehenden Investoren wieder in den FC Grenchen investieren und man möglicherweise auch noch weitere finden wird, wenn die neue Crew ihre Arbeit aufnimmt. Sportlich sind wir zwar noch nicht am gewünschten Ziel, aber auf gutem Weg. Trainer Najib Mehli ist voll motiviert.»

Zwar seien vielleicht beim ersten Match der Meisterschaftsrunde einige Spieler noch spielberechtigt sein, weil die Formalitäten erst jetzt in letzter Minute erledigt wurden, aber man sei zu 90% bereit. Definitiv keine Rolle spiele übrigens in Zukunft der ehemalige Präsident Rolf Bieri, meinte Marie.