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Die Weltelite der Sportschützen rüstet sich mit Grenchner Schiessbrillen aus. Auch Olympia-MedaillengewinnerinHeidi Diethelm Gerber trägt in Rio eine solche Brille. Wir haben die Firma Champion besucht.
Die erste Olympiamedaille einer Schweizer Schützin wurde mit einer Schiessbrille aus Grenchen geholt. Heidi Diethelm Gerber (47), welche sich in der Nacht auf Mittwoch im Olympiawettkampf mit der Pistole über 25 Meter gegen die chinesische Weltranglisten-Erste durchsetzen konnte und Bronze für die Schweiz holte, vertraut auf Schiessbrillen des Herstellers Champion. Die Produkte werden schon seit Jahren in Grenchen entwickelt und hergestellt.
Die Brille der Besten
«Wir sind weltweiter Marktführer bei den Eliteschützen», sagt der Grenchner Manfred Rüefli von der Firma Champion. Und er freut sich mit der sympathischen Ostschweizerin, welche mit dem speziell für die Olymiapafarben von Rio angepassten Modell erfolgreich war.
Doch das ist eigentlich ein Detail, denn auch die Olympiasiegerin Anna Korakaki (GR) und die zweitplatzierte Deutsche Monika Karsch trugen die Schiessbrillen aus Grenchen. Genau genommen waren es fünf Wettkämpferinnen der ersten acht.
Woher rührt diese Dominanz? «Wir stellen Schiessbrillen her, die in allen Achsen verstellbar sind, und dies zum Teil auch ohne Schraubenzieher. Höhe, Seite, Drehung und Neigung der Zieleinheit sind einzeln einstellbar und auch absolut fixierbar», umschreibt Rüefli die patentierten Eigenschaften der Champion Schiessbrillen. Dies mache die Produkte im Handling einzigartig.
Nahezu alles verstellbar
Sie wurden 1979 vom Zuger Rudolf Baumann zusammen mit Spitzenschützen entwickelt und auf den Markt gebracht. Für die Produktion setzte Baumann auf die Grenchner Firma Madec von Manfred Rüefli. Im Rahmen einer Nachfolgeregelung übernahm Rüefli vor vier Jahren Baumanns Firma, die ihren juristischen Sitz (wohl aus steuerlichen Gründen) nach wie vor im Kanton Zug hat.
«Das war naheliegend, denn seit Jahren werden die Brillen hier in Grenchen hergestellt und auch weiterentwickelt», erklärt Rüefli.
Inzwischen gibt es viele Modelle, vom Einsteigermodell für 200 Fr. bis zur Ausführung für Perfektionisten, die gut und gerne hundert Teile umfasst.
Nahezu alles ist daran verstellbar: von den Bügeln für die anatomische Passgenauigkeit, dem aus der Achse drehbaren Nasensteg über die bewegliche Optik bis zu Irisblenden, Augenblenden, Seitenblenden usw. Je nach Umgebungslicht können auch verschiedene Farbfilter oder andere Zusatzlinsen montiert werden. Die Blenden können lichtundurchlässig oder semi-transparent sein, je nach Vorliebe des Schützen.
Ein Sportgerät
Am wichtigsten ist dabei die genau rechtwinklige Ausrichtung der Optik auf Kimme und Korn. Nur dann entstehen keine Verzerrungen durch Parallaxen.
Mit den Champion Brillen erhalte jeder Schütze und jede Schützin ein optimales Hilfsmittel für Spitzenleistungen, meint Rüefli. Das spricht sich immer mehr herum.
Die jährliche Produktion umfasse zwischen 6000 und 8000 Stück. An der Herstellung sind auch weitere regionale Firmen beteiligt, so werden beispielsweise die eloxierten Aluteile für die Brillen von der Grenchner Firma GHG Hofmann bezogen.
Die Abnehmer finden sich auf der ganzen Welt. «Man merkt jeweils, wenn in einem Land ein wichtiger Wettkampf ansteht, dann mehren sich die Bestellungen.» Ein Fixtermin sei der jährliche Weltcup in München, wo Champion jeweils einen Verkaufs- und Servicestand einrichtet.
Die Brillen werden vor Ort angepasst, die Gläser bei einem Münchner Optiker geschliffen. «Ein serbischer Schütze hat bei uns eine Brille gekauft und wurde am nächsten Tag damit Weltcupsieger.»
«Wie eine Familie»
Beim Vertrieb setzt Rüefli ansonsten auf den internationalen Fachhandel. Es gibt sogar spezialisierte Optiker mit eigener Schiessanlage, wo sich Schützen ihre Schiessbrille anpassen können. Und natürlich auf die Mund zu Mund Propaganda. «Die Schützen sind wie eine grosse Familie, man duzt sich und hilft sich gegenseitig aus. Es gibt kaum Starallüren», so seine Erfahrungen.
Er selber schiesst nicht. Dafür kennt er viele nationale und internationale Schiesssportcracks, die bei besonderen Bedürfnissen in Grenchen anrufen und ihre Anliegen vorbringen. Mitunter gibts für sie gratis Ersatzteile, dafür kann Rüefli mit ihnen Werbung machen.
Das Verhältnis ist manchmal sogar herzlich. «Der französische Junioren-Schütze Emilien Chassat hat mir kurzerhand seine Silbermedaille aus der nationalen Meisterschaft geschenkt», erzählt Rüefli und zeigt den französischen «Plämpu». Selbstredend ist Champion auch offizieller Ausrüster des Schweizer National- und Olympiakaders.
Es wird farbig
Viele Schiesssportler legen inzwischen Wert auf zeitgemässes Outfit. Sie können ihre Schiessbrille mit farbigen Teilen ausstatten lassen. Auch Sonderanfertigungen mit Swarowski-Steinen hat Rüefli für eine Schützin schon gemacht.
Der Fantasie scheinen kaum Grenzen gesetzt – bis auf die Vorgaben an gewisse Teile, die reglementiert sind. Augen- und Seitenblenden dürfen beispielsweise nur eine gewisse Grösse haben.
Nach den drei Medaillen vom Dienstag rechnet Rüefli noch mit weiterem Edelmetall an den Olympischen Spielen. Ein Blick in die Homepage des internationalen Schiessportverbands zeigt, dass diese Hoffnung berechtigt ist. Viele Weltklasseschützen tragen die Grenchner Schiessbrille.