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Eine Woche lang werden Grenchner Oberstufenschüler praktisch und theoretisch geschult, welche Gefahren im Strassenverkehr oder zuhause lauern können. Den Jugendlichen wird aufgezeigt, wie sie sich in vermeintlich harmlosen Situationen richtig verhalten.
«Eines Morgens habe ich bemerkt, dass von meinem Instagram-Account aus Werbung aufgeschaltet wurde, und das, obwohl ich nichts gemacht habe.» Er habe dann die Werbung gelöscht und sein Passwort geändert, erzählt ein Schüler während der Theoriestunde im oberen Stock des BGU-Betriebsgebäudes. Etwas, das Marc Hauser, Fachverantwortlicher des Jugenddienstes der Polizei Stadt Grenchen, nicht zum ersten Mal hört.
Während einer Stunde klärt er die anwesenden Jugendlichen über die Gefahren auf, die im unvorsichtigen Umgang mit dem Internet lauern, eigenen Posts, hochgeladenen Fotos und Informationen, die man einer riesigen Menge an Menschen zugänglich macht und die missbräuchlich verwendet werden können. Und eben auch Werbung, die sich selbstständig über den eigenen Account hochlädt, wenn man eine entsprechende Seite angeklickt oder geliked hat.
Die Klasse, die am Montag die Schulung beim Busbetrieb Grenchen und Umgebung BGU besucht, ist eine von rund 30 Oberstufenklassen der Grenchner Schulen, welche die Veranstaltung besuchen. «Vor drei Jahren haben wir diesen Anlass zum letzten Mal durchgeführt, und es hat sich gewaltig viel verändert», sagt Hugo Kohler, Polizeikommandant a.i. der Stadtpolizei Grenchen.
Die Entwicklung im Internet, neue Apps und auch neue Tendenzen erforderten eine ständige Anpassung, auch bei den Fachverantwortlichen. «Bilder verschwinden nicht einfach, wenn man sie löscht», erklärt Hauser. Am Beispiel von Snapchat, einer Social-Media-Plattform, auf der man Bilder verschicken kann, die dann beim Empfänger etwa 10 Sekunden zu sehen sind und danach vermeintlich gelöscht werden, zeigt Hauser auf, wie gefährlich es ist, sich irrtümlich in Sicherheit zu wiegen.
«Es gibt inzwischen Programme und Möglichkeiten, den Snapchat-Verlauf zu rekonstruieren und so an die vermeintlich gelöschten Bilder ranzukommen. Darum: Passt auf, was ihr postet, seid vorsichtig und glaubt nicht alles, was euch aufgetischt wird.» Wie auch Fake-Meldungen nur dazu dienten, die Benutzer auf andere Seiten zu locken, um dort Informationen und Daten zu sammeln, die dann weiterverkauft werden können, bekräftigt Hauser.
«Eure Daten sind ein wertvolles Gut, geht sorgsam damit um, gebt so wenig wie möglich persönliche Daten preis und leitet auch nichts weiter, von dem ihr nicht wisst, was es ist.» Also beispielsweise Videos, die man zuerst liken müsse, um sie anzuschauen. «Ihr geht ja schliesslich auch nicht ins Migros und kauft einen grauen Sack, ohne zu wissen, was drin ist.»
«Stellt euch vor, ihr sitzt hinten im Auto, ohne die Gurten anzulegen, die Eltern vorne, angeschnallt, weil bei den heutigen Autos das ‹Beep Beep› nervt. Ihr habt mit 30 Stundenkilometer einen Unfall. Bei 30 km/h verzwanzigfacht sich euer Gewicht. Und weil ihr hinten nicht angeschnallt seid, prallt da also etwa eine Tonne von hinten auf Mutter oder Vater. Das ist unter Umständen tödlich für sie. Oder ihr sitzt in der Mitte, dann fliegt ihr direkt vorne durch die Windschutzscheibe und eure Hirnmasse läuft dann auf der Strasse aus Ohren und Nase.»
Marco Regolos drastisches Beispiel macht der kleinen Gruppe Jugendlicher im hinteren Teil der Montagehalle der BGU sichtlich Eindruck. Die 15-jährige Vera Statovci jedenfalls meint etwas später, sie habe sich bis jetzt nie angeschnallt hinten, aber das werde sie künftig immer tun. «Das hätte ich nie gedacht.» Wie sie hatten etliche der Jugendlichen anfangs zugegeben, dass sie sich hinten nicht oder nur auf längeren Strecken angurten. Gerade dies sei verhängnisvoll, weil die Aufmerksamkeit auf kurzen Strecken in der Regel weniger gross sei, als auf Ferienfahrten, so Regolo.
Dass sich das eigene Gewicht schon bei geringen Geschwindigkeiten vervielfacht, können die Mädchen und Jungen anschliessend selber auf einem Crash-Simulator erleben – bei Geschwindigkeiten von nur gerade 3 und 7 km/h.
Eine andere Gruppe steht bei einem Lastwagen. Jörg Wangeler, Leiter Dienststelle Verkehrstechnik und Fahrzeuge, zeigt den Jugendlichen am praktischen Beispiel, wo der Lastwagenchauffeur sie sehen kann, wenn sie mit dem Fahrrad hinter, neben oder vor dem Fahrzeug stehen oder unvermittelt vor einem Lastwagen die Strasse überqueren. Der Blick aus der Fahrerkabine verdeutlicht das Ganze und zeigt auf, dass es rund um einen Lastwagen mehrere tote Winkel gibt.
Draussen quietschen Reifen. Daniel Nikles von der Sicherheitspolizei brettert mit einem BMW um die Kurve, vorbei an drei mit Tüchern behängten Gittern. Dahinter ein Schüler, der einen Gummiwürfel vor den Wagen wirft und Nikles zu einer Vollbremsung zwingt. Die Schüler erleben auch als Mitfahrer die Situation und stellen fest, dass in drei von vier Fällen der Würfel überfahren wird. Nicht auszudenken, der Gummiwürfel wäre ein Kind, das unvermittelt auf die Strasse rennt: Es wäre wohl schwer verletzt oder tot.
Stefan Zybach, Verkehrs- und Sicherheitsinstruktor bei der Stadtpolizei, hatte den Jugendlichen vorher die Anhaltestrecke erklärt, die sich aus Reaktionszeit und Bremsweg zusammensetzt. Auf einem grossen Plakat zeigt er ihnen eine ganze Reihe von tödlichen Unfällen, bei denen Fussgänger auf Fussgängerstreifen angefahren wurden.
«Wir wollen auch bewirken, dass die Jugendlichen auf Fussgängerstreifen den Blickkontakt zu den Automobilisten suchen», erklärt Zybach. Denn nur so könnten solche Unfälle vermieden werden. «Verzichtet lieber auf euren Vortritt, wenn ihr nicht sicher seid, dass euch der Autofahrer gesehen hat. »