Kirchenorgel
«Nur im Improvisieren hat man noch mehr Freiheiten als bei einer Toccata»

Der Organist Eric Nünlist stellte die berauschende Musikgattung Toccata an einem Workshop in der Zwinglikirche vor. Anhand dieser Musikgattung erklärte er seinem Publikum die Orgelinstrumente und gab zudem noch ein Konzert.

Nadine Schmid
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Interessiert beobachten Zuschauerinnen und Zuschauer die Bewegungen des Organisten Eric Nünlist.

Interessiert beobachten Zuschauerinnen und Zuschauer die Bewegungen des Organisten Eric Nünlist.

Nadine Schmid

«Die Toccata ist eine sehr spannende Gattung, sie führt von Ort zu Ort und lädt sowohl Zuhörer als auch den Organisten zum Entdecken ein», erklärt Eric Nünlist. Rund dreissig Zuschauer haben sich zu Beginn seines Workshops denn in der Zwinglikirche eingefunden. Der Anlass wurde von den Abendmusiken Grenchen organisiert.

Während im Workshop die Orgelinstrumente anhand der Musikgattung Toccata erklärt werden, gibt es daraufhin noch ein Konzert von Nünlist. Der begeisterte Toccata-Musiker fährt mit der Beschreibung fort: «Nur in der Improvisation hat der Musiker noch mehr Freiheiten als bei einer Toccata.» Toccare ist italienisch und heisst berühren. So gehe es darum, zu spüren, wie etwas ist.

Mehrere Melodien

Die Stücke, die Nünlist den Anwesenden vorstellt, spielt er alle auch am Konzert. «Wer am Workshop teilnimmt, wird das Konzert mit anderen Ohren hören», ist sich Nünlist sicher.

Als Erstes bringt er den Zuschauern Louis Couperins «Prélude non mesuré» aus dem 17. Jahrhundert näher, deren erster und dritter Teil ganz ohne Rhythmus notiert ist, was Raum für mehrere Interpretationen schafft. Nünlist lässt aus den gleichen Tönen ganz unterschiedliche Melodien auf dem Querspinett erklingen. Fröhliche, melancholische, kecke: Die Liste liesse sich ohne Weiteres verlängern. «Die eigene Stimmung ist ausschlaggebend, für welche Interpretation sich der Organist an einem Konzert entscheidet», erläutert Nünlist.

Die Toccaten bilden eine verrückte Welt. So jagt die «Toccata settima» (Michelangelo Rossi) musikalisch von einer Ecke zur anderen. Da das chromatische Stück auf einer mitteltönig gestimmten Baldachinorgel gespielt wird, entstehen abwechselnd reine und unreine Klänge. Was bei Michelangelo Rossi ebenfalls herausfordert, sind die rasch ändernden Melodien und Tonarten, die teilweise abrupt enden und in etwas vollkommen Neues übergehen.

Die Baldachinorgel, die bis ins 16. Jahrhundert gebaut wurde, kann als ein Unikat gelten: Heute existieren nur noch wenige Exemplare auf der Welt. «Baldachinorgeln wurden für höfische Musik und Fronleichnamsprozessionen verwendet», weiss Nünlist. Das Instrument erklingt eine Oktave zu hoch. War früher noch ein Kalkant dafür zuständig, Luft ins Innere des Instruments zu pumpen, kann der Organist hier die Blasebälge mit einer Treteinrichtung selbst bedienen.

Fasziniert von Bach

Mit Girolamo Frescobaldis «Toccata per l’Elevatione», Alessandro Scarlattis A-Dur- und Johann Sebastian Bachs F-Dur-Toccata kommt die grosse Orgel der Zwinglikirche zum Zuge. Die Zuschauer blicken Nünlist interessiert und fasziniert über die Schultern, wie er bei «l’Elevatione» mit der Orgel tiefe und nachdenkliche Engels- und Menschenstimmen erschafft.

Das letzte Stück, die Toccata in F-Dur, passt zu den anderen Kompositionen von Bach, einem Musiker, der sich an einer stark verändernden Musiktradition orientierte und sie so sehr aufblühen liess, wie es davor keinem gelang. «Bach hat eigentlich volkstümliche Musik gemacht, aber er hat diese so kunstvoll ausgeschmückt, dass sie den Zuhörern manchmal schwer erscheint», schliesst Nünlist ab.