Strassenverkehr
Nur Ärzte sollen Senioren prüfen dürfen

Die Motorfahrzeugkontrolle wehrt sich gegen «fremde» Experten bei der ärztlicher Kontrolle von Senioren. In der ganzen Schweiz geht kein Strassenverkehrsamt mit solcher Vehemenz gegen so genannte Fahrberater vor.

Lucien Fluri
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Für die Motorfahrzeugkontrolle ist klar: Kontrollfahrten mit Senioren machen nur die eigenen Experten

Für die Motorfahrzeugkontrolle ist klar: Kontrollfahrten mit Senioren machen nur die eigenen Experten

Keystone

Dürfen Ärzte Kontrollfahrten mit einem Fahrlehrer veranlassen, wenn sie an der Fahrtauglichkeit eines Seniors zweifeln? Für die Solothurner Motorfahrzeugkontrolle (MFK) ist der Fall klar: «Fahrberater - Nein, im Interesse der Verkehrssicherheit» steht prominent auf ihrer Homepage. Mit dem Schreiben warnt die MFK die Solothurner Ärzte, bei Zweifeln an der Fahrfähigkeit eines Patienten Fahrberater hinzuzuziehen. Sie vertraut lieber nur auf die eigenen Experten.

«Einmalig diskriminierend» ist der Aufruf der MFK für Hansueli Bleiker von der Beratungsstelle für autofahrende Senioren. Dem 82-jährigen pensionierten Verkehrsberater ist das «Pamphlet» der Solothurner MFK ein Dorn im Auge. Fahrberater ist eine vom Fahrlehrerverband angebotene Weiterbildung für Fahrlehrer. Diese führen mit den Senioren Kontrollfahrten durch und geben Ärzten und Senioren eine Rückmeldung zur Fahrfähigkeit. Medizinische Kontrollen sind für über 70-jährige Automobilisten alle zwei Jahre obligatorisch.

Nirgends so viel Gegenwehr

In der ganzen Schweiz gehe kein Strassenverkehrsamt mit solcher Vehemenz gegen Fahrberater vor, sagt Hansueli Bleiker, der mit 82 selbst als Fahrberater tätig ist. Ob Zufall oder nicht: Im Kanton Solothurn gibt es weniger Fahrberater als etwa in der Ostschweiz.

Für Bleiker sind Fahrberater ein sinnvolles Instrument, das Ärzte in Zweifelsfällen hinzuziehen können: «Eine Probefahrt mit dem Fahrberater ist weniger stressig als mit den Experten der MFK.» Bleiker setzt sich schweizweit für Fahrberater ein. Mit SVP-Politikern wie Luzi Stamm oder Maximilian Reimann hat er Kontakt aufgenommen, um die Begehren autofahrender Senioren im Parlament einzubringen.

In «10 vor 10», der «Tagesschau» und anderen Sendungen des Schweizer Fernsehens hat er sein Anliegen vertreten. Unterstützt wird Bleikers Vorhaben von diversen Seniorenvereinigungen. Der Berufsverband Hausärzte Schweiz hat sich teilweise für Fahrberater ausgesprochen. Bei eingeschränkter Schulterbeweglichkeit nach einer Fraktur könne es sinnvoll sein, einen Fahrberater hinzuzuziehen. «Die dabei gewonnenen Beobachtungen geben Kenntnis, ob die Fahrkompetenz noch gegeben ist», schreibt der Verband in der Hauszeitschrift «Primary Care.»

«Verwässerung der Verantwortung»

«Bekannt» ist der Hansueli Bleiker auch bei Peter Gysin. Der Chef Führerzulassung der MFK hält wenig davon, wenn Ärzte Fahrberater hinzuziehen. Ärzte sollten beurteilen, ob ein Senior aus medizinischer Sicht fahrfähig sei, sagt Gysin. Gebe es Zweifel, hätten einzig die Experten der MFK die Kompetenz, eine Probefahrt durchzuführen. Private Fahrberater, die dem Arzt eine Empfehlung abgeben, sieht das Gesetz laut Gysin gar nicht vor: «Es ist eine Verwässerung der ärztlichen Verantwortung.» 94 Senioren hat die MFK 2010 zu Kontrollfahrten aufgeboten. In 32 Fällen wurde der Test nicht bestanden. Dagegen, dass Senioren freiwillig bei einem Fahrberater Lektionen nehmen, hat die MFK nichts.

«Die meisten Senioren kommen unabhängig von der ärztlichen Kontrolle», sagt ein Fahrberater. Nur in etwa drei Fällen pro Jahr schicke sie der Arzt. Gerade beim Verhältnis zwischen Arzt und Patient sieht Bleiker einen weiteren Vorteil des Fahrberaters. In vielen Fällen würden Senioren sonst einfach zu einem anderen Arzt gehen, wenn sie ihr Hausarzt nicht mehr als fahrtauglich einstuft.
Bald könnte sich in dieser Frage eine Lösung auf nationaler Ebene ergeben. Mit der Vorlage «via sicura» will der Bundesrat obligatorische Sehtests ab 50 und einen auf zwei Jahre befristeten Ausweis ab 70 einführen. Nur noch speziell ausgebildete Ärzte sollen die medizinische Kontrolle vornehmen. Für Hansueli Bleiker läuft es auf eine «Halbverstaatlichung der Untersuchung» hinaus. Bald kommt das Paket ins Parlament. Dies dürfte auch begründen, warum sich Hansueli Bleiker gerade jetzt meldet, obwohl die Aufforderung schon lange auf der Homepage der MFK steht.