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In einer neuen Serie werden Landwirtschaftsbetriebe in Grenchen portraitiert. Auftakt zur Serie «Bauern in Grenchen» macht Daniela Affolter vom Bigler-Hof.
Melken, den Stall ausmisten, die Tiere füttern, mähen und dreschen. Etwas oberhalb von Grenchen am Ende der Allmendstrasse liegt der Bigler-Hof. Geführt wird dieser von Daniela Affolter.
Bereits seit mehreren Generationen befindet sich der Hof im Besitz ihrer Familie und sicher seit dem 18. Jahrhundert steht dort ein Bauernhaus. 1964 ist der Hof abgebrannt, damals gab es mehrere Brände, so unter anderem auch im Kino Rosengarten.
«Es war vermutlich Brandstiftung. Man hatte jemanden in Verdacht, aber man konnte es nicht nachweisen», erklärte Affolter. Das Bauernhaus wurde wieder aufgebaut und von ihrem Vater und ihrem Onkel gemeinsam bewirtschaftet. «Schliesslich übernahm ihn mein Cousin Alfred. Als er 2013 in Pension ging, trat ich an seine Stelle.» Bigler hilft nach wie vor tatkräftig mit, ebenso der Vater Walter Bigler, wie auch andere Verwandte.
Die Verwandtschaft ist gross. Affolter, die der gleichen Generation wie Alfred Bigler angehört, ist einundzwanzig Jahre jünger als ihr ältester Bruder.
Vor 150 Jahren war Grenchen bekanntlich ein Bauerndorf. Heute gibt es in der Stadt noch immer 25 Landwirtschaftsbetriebe. Davon erreichen 19 die Gewerbegrösse (Beschäftigungsgrad von 75 Prozent einer landwirtschaftlichen Standard-Arbeitskraft SAK). In einer Serie porträtieren wir einige Grenchner Landwirte.
Im ersten Teil unserer Serie sind wir auf dem Bigler-Hof bei Daniela Affolter. (rrg)
Zum Besitz gehören 38 Kühe und Jungvieh. Im Sommer werden diese wegen der Hitze in der Nacht auf die Weide gelassen. Alle zwei Tage kommt der Milchlastwagen am frühen Morgen, der auch die Milch von den anderen acht Milchproduzenten in Grenchen, inklusive dem Stierenberg und Obergrenchenberg abholt.
Es wird Getreide gesät: Weizen für Brot, Gerste und Triticale für Tierfutter. Ihr eigenes Land umfasst rund 10 Hektaren, dazu kommt noch rund 15 Hektaren Pachtland, unter anderem in der Witi. Das am weitesten entfernte Landstück befindet sich in der Nähe der Grenze zu Lengnau.
Fragt man Affolter nach der diesjährigen Ernte, so kommt auch von ihr der gleiche Tenor wie von allen anderen Bauern in diesem Jahr: «Es war katastrophal. Nur das Getreide von einem Feld hatte genügend gute Qualität für die Brotherstellung. Der Rest wird für Futter verwendet.» Auch das Heu hat gelitten und weist einen niedrigen Nährgehalt auf. «Normalerweise holen wir es Ende Mai ein, doch wegen des andauernden Regens konnten wir die Arbeit erst Mitte Juli beenden.»
Affolter hat eine Gärtnerlehre abgeschlossen und später Teilzeit bei der Stallarbeit auf einem Hof mitgeholfen. Sie liebt es, in der Natur zu arbeiten. «Hier oben ist es praktisch: Wir sind nicht zu weit weg von Grenchen und sind so lokalisiert, dass wir die Tiere nicht durch ein Dorf treiben müssen.»
Ihr Sohn Mario, der erst vor einigen Wochen seine Lehre als Landwirt in Attiswil angetreten und davor beim Familienbetrieb mitgeholfen hat, müsse dies auf jenem Hof machen. «Etwas mühsam ist hingegen, dass wir die Ernte jeweils durch die Stadt chauffieren müssen.»
Die Viehwirtschaft ist heutzutage ein Existenzkampf. Affolter beschreibt sie als ein stetiges Auf und Ab. «Das grösste Problem ist der ständig wechselnde Preis auf dem Milchmarkt, in jedem Monat gibt es einen neuen Milchpreis.»
So könne nicht vorausgeplant werden, was fatal sei. «Eine Kuh gibt erst Milch, wenn sie kalbt, und bis eine Kuh das erste Mal kalbt, dauert es zweieinhalb Jahre.» Vor zehn oder sogar fünf Jahren waren die Preisschwankungen noch nicht so extrem. Zurzeit ist der Milchpreis extrem tief. Und auch der wechselnde Fleischpreis bereitet Mühe.
In der Land- und Viehwirtschaft gehört ebenso die Bürokratisierung längstens dazu. «Man muss das ganze Leben einer Kuh dokumentieren», beschreibt Affolter. «Wann sie den Stall verlässt, wann sie zurückkehrt, was sie isst, welche Arzneimittel sie bei Krankheit bekommt.» Es gäbe mehrere Kontrollen im Jahr.
Als Schlachttier müsse das Rind an jedem Ohr eine Marke tragen. Ebenso müsse jeweils das Wasser ihrer Quelle, die sie für den Eigenverbrauch nutzen, untersucht werden, weil damit der Milchtank gewaschen wird.
«Die Büroarbeit ist eine extrem aufwendige Arbeit», so Affolter. «Aber zum Glück überwiegt die Zeit, die man draussen verbringen kann», lacht sie. Zum Beispiel im eigenen Garten. Auf dem Hof wird für den Eigengebrauch Gemüse und Obst angepflanzt. Daniela Affolter besitzt auch noch 20 Hühner, deren Eier in der Verwandtschaft verteilt werden.
Beim Futteranbau trifft man heute auf ein weiteres Phänomen, mit dem Bauern zu kämpfen haben: auf das Littering. «Wenn gerade frisch gemäht ist, sieht man die herumliegenden Flaschen und kann sie auflesen, aber wenn das Gras hoch ist, nicht», erklärt Affolter.
Wenn man mit den Maschinen das Land bewirtschaftet, passiert das Unglück: Die Flaschen werden zertrümmert und gelangen in kleinsten Teilchen ins Heu. «Heute wird leider zu wenig nachgedacht. Das Heu wird von den Kühen gegessen und Glassplitter verletzen Organe oder Därme, was tödlich enden kann.»
Beim Mähen des Heugrases beim Schiessstand in Bettlach beispielsweise haben Bigler und Affolter 39 Glasflaschen, viel PET und Aludosen gefunden und auch einen Handy-Akku. Affolter wünscht sich die Wertschätzung zurück. «Es ist grausam. Es tut weh, mitansehen zu müssen, wie ein Tier deswegen Schmerzen leidet.» (nsg)